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antriebstechnik 9/2021

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antriebstechnik 9/2021

FORSCHUNG UND

FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG PEER REVIEWED FUTURE E-DRIVE: DAS E-GETRIEBE VON MORGEN! Mehrere Fraunhofer-Institute arbeiten gemeinsam an einem innovativen Getriebekonzept für Elektrofahrzeuge der nächsten Generation. Im Fokus steht die Senkung der Umweltbelastung. Kriterien für diesen Ansatz sind ein wartungsfreier Langzeitbetrieb, Reichweitenerhöhung, weniger Spanvolumen und eine ressourcenschonende Gesamtproduktion. In der vorliegenden Publikation stellt das Projekt die Validierung einer schmiermittelfreien Alternativverzahnung für Hochdrehzahlanwendungen anhand eines zweistufigen Stirnradgetriebes mit integrierten E-Motor vor. EINLEITUNG UND MOTIVATION Im Kontext knapper werdender Ressourcen und wachsendem Bewusstsein für den globalen Klimaschutz wird der E-Antrieb als die zukünftige Mobilitätslösung betrachtet. Durch die politischen Forderungen und verstärkte öffentliche CO 2 -Diskussion bezüglich lokalem Ausstoß im urbanen Umfeld erschließen nun auch klassische Hersteller mit neu entwickelten E-Fahrzeugen, versorgt von Batterien und teils auch von Brennstoffzellen, den Markt. Um hinsichtlich E-Antrieb einen Innovationsvorsprung zu erzielen und um die klassische Kernidentität in die vermeintliche neue Antriebstechnologie zu transferieren, wird aktuell ein enorm hoher Entwicklungsaufwand betrieben, an welchem sich auch zahlreiche Fraunhofer Institute beteiligen. Ein entsprechendes Vorhaben, welches im Rahmen dieser Publikation auszugsweise vorgestellt wird, ist die Validierung eines innovativen Getriebekonzeptes für Elektrofahrzeuge der nächsten Generation. Dabei steht der Aspekt der Senkung der Umweltbelastung im klaren Fokus. Wichtige Kriterien dieses neuen ganzheitlichen Ansatzes sind ein nahezu wartungsfreier Langzeitbetrieb, die Reichweitenerhöhung durch Wirkungsgradoptimierung und Leichtbau, weniger Spanvolumen durch Verzahnungswalzen sowie eine möglichst maximal ressourceneffiziente Gesamtproduktionskette in der E-Antriebsfertigung. Ein Zielkonflikt besteht diesbezüglich zwischen Leichtbau und Akustik, was zukünftig mit einem neuen Ansatz zur strukturellen Trennung des Getriebegehäuses gelöst werden soll. Zur Bearbeitung des Projektes wird auf eine enge Verknüpfung der Kompetenzen in den Bereichen Verzahnungs- und Getriebetechnik (Fraunhofer IWU), Oberflächentechnik (Fraunhofer IWS) und Leichtbautechnologien (Fraunhofer ICT) gesetzt. In diesem Beitrag wird zunächst auf die Auslegung sowie Herstellungsart einer möglichst schmiermittelfrei laufenden Alternativverzahnung für Hochdrehzahlanwendungen fokussiert. Perspektivisch ist die Verzahnung der erste Bestandteil eines aktuell im Aufbau befindlichen Funktionsträgers, der noch 2021 fertiggestellt und validiert werden soll. VERSUCHSTRÄGER UND ZIELDEFINITION Als Referenz und Auslegungsbasis steht die Antriebseinheit eines e-Golfs der 2. Generation dem Forschungsvorhaben zur Verfügung. Dabei handelt es sich um ein zweistufiges Stirnradgetriebe mit integriertem E-Motor. Zum Projektstart wurde ein solches Getriebe aus der aktuellen Serienproduktion am Akustik-Getriebeprüfstand hinsichtlich der Kriterien Wirkungsgrad und Akustik umfänglich analysiert. Ein wesentliches Vorhabensziel ist es, das Gewicht der kompletten Antriebseinheit um mind. 15 % gegenüber dem Serienstand zu reduzieren. Weiterhin sind, bis auf eine zulässige Abweichung von ca. 5 %, die Serienvergleichswerte hinsichtlich Wirkungsgrad und Festigkeit (Dauerlaufversuche) unter gleichen Prüfstandrandbedingungen zu erreichen. Die Schallabstrahlung des Getriebes soll dabei trotz Trockenlauf nicht verschlechtert werden und wird mittels Schallleistungsmessung auf dem Akustik-Getriebe-Prüfstand am Fraunhofer IWU im Vergleich nachgewiesen. Dabei sind auch die Schwingungsamplituden vor und nach der Getriebeaufhängung zu erfassen, um bereits auf dem Komponentenprüfstand einen Anhaltspunkt für die spätere Innenraumakustik zu erhalten. Einen Testaufbau zur Komponentenprüfung zeigt Bild 01 und lässt dabei max. Eingangsdrehzahlen von knapp 15 tU/min zu. BESTEHENDE ANSÄTZE NEU KOMBINIERT Das Getriebe als leistungsübertragende Komponente des Antriebstranges zur Anpassung von Drehmoment und Drehzahl kommt heutzutage in fast allen Transportfahrzeugen zum Einsatz und wurde seit Jahrzehnten stetig optimiert. Für den Einsatz in modernen E-Antrieben ändern sich jedoch auch die Anforderungen an die von nun elektromotorgespeisten Getriebe: ■ Zur Verbesserung der Energieeffizienz bzw. Leistungsdichte steigen die maximalen Drehzahler der E-Motoren an [Spee2]. Aktuell gibt es Getriebestufen, die für Eingangsdrehzahlen von bis zu 20 tU/min ausgelegt werden müssen, zukünftig voraussichtlich bis zu 50 tU/min [Spee4]. 46 antriebstechnik 2021/09 www.antriebstechnik.de

PEER REVIEWED FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG 01 Probeinstallation eines E-Antriebes auf dem Akustik-Getriebeprüfstand des Fraunhofer IWU 02 Gegenüberstellung einer konventionellen Verzahnungs-Geometrie (links) und einer verlustoptimierten LowLoss-Verzahnung (rechts); Ausgelegt mit [Kis20] und konstruiert mit [Ptccr] n Aufgrund der hohen Eingangsdrehzahl sind die Getriebe zumeist zweistufig designt, wobei gegenüber der Verbrennervariante auf Kupplungen und Schaltelemente gänzlich verzichtet werden kann. Im vorliegenden Forschungsvorhaben wird sich im Wesentlichen auf folgende Sachverhalte konzentriert, um die Antriebe ökologischer zu gestalten: n In nahezu allen Fahrzeuggetrieben werden bisher entsprechende hoch-additivierte Schmiermittel genutzt, um einen geeigneten Verschleißschutz zu gewährleisten und um die einzelnen Bauteile ausreichend zu temperieren. Ein Schmiermittelverzicht wäre der Idealfall um Planschverluste sowie alle weiteren Anteile, wie Quetsch-, Impuls- und Ventilationsverluste, vollständig zu eliminieren. n Forschungsergebnisse z. B. aus „FVA Low Friction Powertrain“ zeigen zwar, dass bei hoher Leistungsübertagung ohne Kühlung durch fluidischen Schmierstoff die Wärmegrenzleistung selbst bei Verwendung einer LowLoss-Verzahnung überschritten wird. Es besteht jedoch die Hoffnung, dass mit weiter entwickelten Beschichtungen, vor allem durch superharte ta-C-basierte Schichten, eventuell auch in Kombination mit eingearbeiteten Festschmierstoffen durch eine außerordentliche Reibungsreduzierung die eingetragenen Wärmeleistungen hinreichend reduziert werden können. n Eine Verwendung von umweltfreundlichen und niedrigviskosen Kühlfluiden bzw. wasserbasierten Schmierstoffen, z. B. so genannten PAG-Fluiden, wäre eine Alternative. n Aktuell werden gerade in E-Antrieben sogenannte Hochverzahnungen verwendet, um den enormen akustischen Anforderungen Rechnung zu tragen: Dies ist eine Auslegung mit sehr hohem Überdeckungsgrad und hohen Verlusten im Eingriff, aufgrund von Zahnkontakt und entsprechenden Gleitanteilen weit ober- oder unterhalb des nahezu gleitanteilfreien Wälzkreisdurchmessers. Wünschenswert wäre eine Verzahnung, die wirkungsgradoptimiert ist und dennoch den akustischen Anforderungen entspricht. Im Fokus stehen daher sogenannte LowLoss-Verzahnungen. n Bei der unmittelbaren Verzahnungsherstellung fällt aufgrund trennender Fertigungsverfahren ein hoher Spanverlust an. Ein Herstellverfahren ohne Spanvolumen wäre wünschenswert. NEUARTIGE HOCHLEISTUNGSBESCHICHTUNG: DER WEG ZUM SCHMIERSTOFFFREIEN GETRIEBE Im Zahnkontakt tritt eine mechanisch-tribologische Belastung in Form einer Wälzbeanspruchung auf, die zum einen Verschleiß der Oberflächen bewirkt und zum anderen bestimmend für die Reibungsverluste und damit für die Energieeffizienz des Gesamtfahrzeugs ist. Sowohl die Beanspruchbarkeit als auch die Reibung kann mit einer geeigneten Beschichtung verbessert werden. Aufgrund der hohen Belastungen im Zahnkontakt von Leistungsgetrieben sind die Anforderungen an Haftfestigkeit und Verschleißfestigkeit einer Beschichtung jedoch außerordentlich hoch, sodass es bisher noch keine überzeugende Beschichtungslösung dafür gibt. Aufgrund des enormen Potenzials, insbesondere in der Kategorie der diamantartigen Kohlenstoffschichten (Diamond-like carbon – DLC) wurden weitere Anstrengungen unternommen, um letztlich doch erfolgreiche Lösungen zu erarbeiten. Dabei erfolgt die Schichtentwicklung im Einklang mit anderen Maßnahmen, z.B. einer beschichtungsgerechten Auslegung von Verzahnungen, wie einer LowLoss-Verzahnung (s. u.). Dieser Verzahnungstyp ist aufgrund der flacheren Flankenwinkel und der geringeren Abschattungswirkung des Zahnfußbereiches für Beschichtungsplasmen besser erreichbar und damit haftfester beschichtbar. Unter den DLC-Schichtvarianten sind insbesondere die überwiegend Diamant-gebundenen, wasserstofffreien Kohlenstoffschichten wegen ihrer extrem hohen Härte prädestiniert. Dieser Schichttyp wird als ta-C (tetraedrisch koordinierter, amorpher Kohlenstoff) [Sch18] bezeichnet und kann nahezu die mechanischen Eigenschaften von kristallinen Diamantschichten erreichen. Das ta-C hat aber den Vorteil, dass es bei deutlich niedrigeren Temperaturen, und damit auf Stahl abgeschieden werden kann. Durch Verfahrensweiterentwicklung ist es gelungen die bis vor einigen Jahren als maximal beherrschbare ta-C Schichtdicke von ca. 5 µm auf über 20 µm zu erhöhen und damit die Lebensdauer drastisch zu steigern. Diese Technologie des Fraunhofer IWS wurde bereits auf die Beschichtung von Kolbenringen für Verbrennungsmotoren angewendet und so in den industriellen Maßstab übertragen [Les15]. Mit den Voraussetzungen einer superharten Kohlenstoffschicht, die durch geeignete Maßnahmen, insbesondere einer konturangepassten Haftschichttechnologie mit großer Dicke abgeschieden werden können, soll nun die Machbarkeit einer lebensdauerstabilen Zahnradbeschichtung für e-Getriebe untersucht werden LOWLOSS: „MUST-HAVE“ IM ZUKUNFTSANTRIEB Zur deutlichen Effizienzsteigerung im Zahnkontakt können mittlerweile LowLoss-Verzahnungen zielsicher ausgelegt werden (Bild 02). Geometrisch sind diese Verzahnungen durch einen geringen Zahnhöhenfaktor charakterisiert. Grundgedanke ist die Konzentration des Zahneingriffes um den Wälzkreisdurchmesser, was zugleich Gleitgeschwindigkeit und somit Reibungsverluste verringert. Um den geänderten geometrischen Randbedingungen Rechnung zu tragen, wurden in den letzten Jahren gängige Rechenverfahren für Standardverzahnungen für LowLoss-Verzahnungen modifiziert, bspw. in [Frü12]. Nach [Kli11] bietet LowLoss das Potential der Verlustreduktion um fast zwei Drittel (60 %) gegenüber konventionellen Verzahnungen. www.antriebstechnik.de antriebstechnik 2021/09 47