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antriebstechnik 9/2017

antriebstechnik 9/2017

ELEKTROMOTOREN

ELEKTROMOTOREN „Wenn’s zu heiß wird“ Eine Einschätzung von Urs Kafader über die Erwärmung von Motoren in Handgeräten Mehrere Faktoren sorgen dafür, dass ein DC-Motor heiß wird. Doch gerade in Handgeräten will man dies zukünftig verhindern. Mit einem überdimensionierten Motor lässt sich Abhilfe schaffen. Es gibt aber noch andere Möglichkeiten. Lesen Sie hier eine Einschätzung von Dr. sc. Nat. Urs Kafader, Schulungsleiter bei der Maxon Motor AG in Sachseln. Ein DC-Motor, der in der Nähe des Nennmoments betrieben wird, kann heiß werden. Im Dauerbetrieb erreicht die Wicklung Temperaturen von bis zu 155 °C, was eine Gehäusetemperatur im Bereich von 120 °C ergibt. Um ein Beispiel aus der Medizintechnik zu nennen: Kein Chirurg würde gerne mit so einem Handgerät operieren. Nicht einmal dann, wenn es nur halb so heiß wäre. Vernachlässigt man die Reibung, so gibt es zwei Hauptverlustquellen, welche den Motor aufheizen: Stromwärme- und Eisenverluste. Stromwärmeverluste Die Stromwärmeverluste sind mit dem zum Strom proportional benötigten Last- Motorerwärmung ist nicht nur eine Frage von Drehmoment, Drehzahl und Bauweise. Sie hängt auch von der Gestaltung der PWM-Ansteuerung und der Einstellung der Regelparameter ab Dr. sc. Nat. Urs Kafader, Schulungsleiter, Maxon Motor AG drehmoment verknüpft. Wie allgemein bekannt, nehmen diese Verluste quadratisch zum Strom zu. Hohe Ströme in der Nähe des Nennstroms führen zu Temperaturen, die für menschliche Berührung ungeeignet sind. Lässt man Motoren nur beim halben Nennstrom laufen, ergeben sich moderate Temperaturen (typisch unterhalb 50 °C), die sich besser mit Berührungen vertragen. Für die Motorauswahl bedeutet das: Den Motor überdimensionieren. Die Betrachtungen bis hierher gründen auf Dauerbetrieb, bei dem die maximalen Temperaturen erst nach rund zehn Minuten erreicht werden. In Handgeräten hat man es meist jedoch mit einem intermittierenden Betrieb zu tun, der bis zu 30 min und länger dauern kann. Das bedeutet: Auch hier muss eine Dauerbetriebsbetrachtung angewendet werden, allerdings mit dem Effektivwert (RMS) des Laststroms (quadratische Mittelung über den kompletten Lastzyklus). Die mittlere Erwärmung entspricht dann einem Dauerbetrieb mit dem RMS-Lastmoment. Eisenverluste Die Eisenverluste sind mit der Drehzahl gekoppelt. Die Wirbelstromverluste steigen quadratisch mit der Drehzahl an und erwärmen den Motor beim Drehen – sogar ohne Last. In Handgeräten kann das bei Schleifern und Fräsern, die bei mehreren zehntausend Umdrehungen pro Minute (UpM) arbeiten, ein Problem sein. Solche hochdrehenden Motoren benötigen ein spezielles Design, um die Wirbelstromverluste klein zu halten. Sie werden typischerweise mit einer kleinen Anzahl Magnetpolen, einer eisenlosen Wicklung und ultradünnen Eisenblechen mit tiefer Hysterese im Rückschluss ausgeführt. Das Maxon ECX Speed Programm kombiniert diese speziellen Eigenschaften. Die bürstenlosen DC-Motoren mit ihrer langen Bauform und mit Durchmessern zwischen 16 und 22 mm passen optimal in Handgeräte, die bei hohen Drehzahlen von mehreren zehntausend Umdrehungen pro Minute betrieben werden. PWM-Ansteuerung und Induktivität Es zeigt sich allerdings, dass Motorerwärmung nicht nur eine Frage von Drehmo-

ELEKTROMOTOREN 02 01 03 01 Wicklungs- und Gehäusetemperatur in Abhängigkeit des Motorstroms 02 Stromrippel im Stillstand mit und ohne Zusatzinduktivität (schematisch). Der Strommittelwert, d. h. das mittlere Drehmoment, ist in beiden Fällen Null. Die Motorerwärmung ist aber unterschiedlich 03 Die bürstenlosen DC-Motoren mit Durchmessern zwischen 16 und 22 mm passen ideal in Handgeräte, die bei hohen Drehzahlen von mehreren zehntausend Umdrehungen pro Minute betrieben werden 04 Der 4-Quadranten PWM-Servokontroller ist zur Ansteuerung von bürstenbehafteten DC-Motoren und bürstenlosen EC-Motoren bis ca. 250 Watt geeignet 05 Knochenbohrer, der bei einem Knochenbruch in der Notfallchirurgie zum Einsatz kommt 06 Shaver, die von Chirurgen für Eingriffe an Knie- oder Schultergelenken verwendet werden, wo sie Gewebe und Knorpel gezielt und sauber entfernen ment, Drehzahl und Bauweise ist. Sie hängt auch von der Gestaltung der PWM-Ansteuerung und der Einstellung der Regelparameter ab. Kürzlich beklagte sich ein Anwender über seinen heißen Motor (80 °C und mehr) sogar bei Leerlaufbetrieb. Eine genauere Analyse ergab, dass die Ansteuerung und die Versorgungsspannung einen bedeutenden Einfluss hatten. Eisenlose Wicklungen haben eine tiefe Induktivität, was sich in einer kleinen elektrischen Zeitkonstante auswirkt. Entsprechend reagiert der Strom schnell auf Spannungsänderungen – das ist gut für ein dynamisches Motorverhalten. Wird der Motor aber mit einer pulsweitenmodulierten (PWM) Endstufe angesteuert (was die meisten Regler tun), folgt der Motorstrom den schnellen Spannungswechseln, was zu einem großen Stromrippel führen kann. Während die PWM-Spannung und der Stromrippel keinen Einfluss auf das mechanische Verhalten des Motors haben – der Motor „sieht“ den Mittelwert von Strom und Spannung – heizen die Stromspitzen des Rippels den Motor auf. In ähnlicher Weise führen steif eingestellte Regelkreise zu starken und schnellen Stromreaktionen mit entsprechender Erwärmung. Gegenmaßnahmen, um den Stromrippel klein zu halten, sind z. B.: n Die Versorgungsspannung der PWM- Endstufe verkleinern in Fällen, wo das aufgrund der Drehzahlanforderungen der Anwendung möglich ist. n Die PWM-Frequenz erhöhen, um dem Stromrippel weniger Zeit zu geben, sich auszubilden. n Eine Zusatzinduktivität (Motordrossel) in Serie zu den Motoranschlüssen anbringen. Damit wird die elektrische Zeitkonstante vergrößert und die Stromreaktion gedämpft. n Möglichst weiche Regelparameter wählen. Die Maxon Controller berücksichtigen die tiefe Induktivität der Maxon-DC-Motoren. Sie arbeiten bei hohen PWM-Frequenzen von 50 bis 100 kHz und sind mit ausreichend Zusatzinduktivität für die meisten Motoren und Situationen ausgestattet. Das Temperaturproblem des Anwenders war im Nachhinein schnell gelöst: Es genügte, seine überdimensionierte Steuerung durch einen Maxon-Escon-Controller zu ersetzen. Diese Lösung hat weniger, aber durchaus genügend Nennleistung. Sie arbeitet mit einer höheren PWM-Frequenz als der bestehende Regler und enthält eine größere eingebaute Motordrossel. Das alleine hätte bereits viel bewirkt, doch die Temperatur konnte noch weiter gesenkt werden: Dazu wurde die Versorgungsspannung in die Nähe des absolut benötigten Minimums heruntergefahren. www.maxonmotor.de antriebstechnik 9/2017 53