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antriebstechnik 8/2018

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ANTRIEBSTECHNIK FÜR

ANTRIEBSTECHNIK FÜR SCHIFFE UND MARITIME ANWENDUNGEN I SPECIAL Industriekomponente trifft Luxusyacht Leichtlaufende Profilführungen nehmen hohe Lasten für 300-kg-Dach auf Das Unternehmen Xtenders in Almere bei Amsterdam hat sich auf den Bau von Tendern für große Yachten spezialisiert. Unlängst hat der Betrieb eine nach Maß gebaute Ausführung mit einem Kabinendach gebaut, das komplett im Rumpf versenkt werden kann, damit das Boot in die Yacht passt. Die Führungen des Verstellsystems sind von Rollon geliefert worden. Klaus-J. Hermes ist Marketingleiter bei der Rollon GmbH in Düsseldorf „Das Bauen von Tendern ist ein Nischengeschäft“, sagte hierzu Koen Keijsers, Entwicklungsingenieur bei Xtenders. „Jährlich werden weltweit höchstens 100 Luxusyachten mit einer Länge von mehr als 70 Meter gebaut. Das ist das Segment, für das wir arbeiten.“ Tender sind Beiboote, die im Rumpf der Yacht transportiert werden. Wenn die Yacht vor Anker geht, wird das Boot aus seiner „Garage“ oder der „Tender Bay“ zu Wasser gelassen. Sie werden für den Transport von Personen, Material und Einkäufen vom und zum Land aber auch für den Wassersport und andere Freizeitaktivitäten eingesetzt. Häufig darf der Eigner die Luxusyacht nicht selbst steuern, aber mit dem Tender kann er sich ausleben. Das ist laut Keijsers einer der Gründe dafür, dass diese Beiboote meistens sportlich und luxuriös ausgestattet werden. Sie haben nicht nur schwere und kräftige Motoren, die Geschwindigkeiten von 45 bis 50 Knoten ermöglichen, sondern auch Navigationsanlagen, Bordcomputer und eine moderne Einrichtung. Von Standard zu individuell Bei Xtenders arbeiten zurzeit rund 30 Mitarbeiter. Das Unternehmen hat in den vergangenen Jahren sechs Standardfahrzeuge entwickelt, die entsprechend den „Safety Of Life At Sea“-Vorschriften auch als Rettungs- 36 antriebstechnik 8/2018

SPECIAL I ANTRIEBSTECHNIK FÜR SCHIFFE UND MARITIME ANWENDUNGEN 01 Tender sind Beiboote zum Transport von Personen und Material, die im Rumpf von Yachten transportiert werden 02 Für das Verstellsystem zum Versenken des Kabinendachs griff Xtenders auf eine Mono Rail-Profilschienenführung zurück 03 Die Profilschienenführungen sind vernickelt und widerstehen dem salzigen Meerwasser boote eingesetzt werden können, Festrumpfschlauchboote, D-RIBS, Beachlanders, „Limousinen“ mit Längen von 8 bis 12 m und die luxuriöse 16-m-Serie. Der Aufbau besteht meist auch aus Standardkomponenten, wobei der Kunde die Farbtöne und die weitere Ausstattung wählen kann. „Wenn ein Auftrag eingeht, werden die Spezifikationen und Wünsche des Eigners aufgenommen. Anschließend wird das Layout des Boots erstellt“, erklärte Keijsers. „Einrichtung und Ausstattung werden gewöhnlich auf die hauptsächliche Verwendung der Tender abgestimmt. Wenn das Boot zum Beispiel als Wassertaxi für den Transport von Passagieren und Einkäufen zum und vom Land eingesetzt werden soll, muss es viele Sitzplätze haben. Bei einem reinen Sportboot kann der Eigner zum Beispiel ein ausklappbares Sonnendeck, eine Position für ein Jet-Ski oder eine Treppe für Taucher vorgeben. Der Bau eines Tenders dauert, je nach Ausführung, zwischen acht und 24 Monaten.“ Xtenders strebt danach, den Entwurfsund Bauprozess soweit wie möglich zu standardisieren. Hierzu arbeitet das Unternehmen mit einer Reihe von Standardlieferanten zusammen. Die Individualisierung verlangt jedoch technische Maßarbeit, für die regelmäßig nach spezialisierten Zulieferern gesucht werden muss. Einfahrbares Sonnendach Eine dieser Sonderlösungen war ein einfahrbares Kabinendach für einen auf Maß gebauten Tender mit dem Rumpf einer 8 m langen Limousine. „Der Raum für den Tender im Rumpf der Yacht war nur 1,6 Meter hoch und wäre damit für das Boot selbst dann zu niedrig gewesen, wenn das Sonnendach nach unten geklappt worden wäre. Die Lösung bestand darin, die gesamte Kabine im Rumpf des Boots auf das Niveau des Decks abzusenken. Wir haben dafür eine Lösung mit vier Schneckenantrieben an den Ecken entwickelt“, führte Keijsers aus. „Für diese Konstruktion waren verschiedene Änderungen am Entwurf erforderlich. Die wichtigsten Änderungen waren die vier Säulen im Rumpf, in denen die Schneckenantriebe und die Führung zum Absenken des Dachs untergebracht sind.“ Dach mit 300 kg Die Entwicklung dieses Verstellsystems war nicht ganz einfach. Das Dach wiegt nämlich über 300 kg. Es ist zwar aus leichter Kohlefaser gefertigt, aber die Fenster sind mit Echtglas versehen, da die Sicht damit besser ist als bei Kunststoff. Die schwierigsten Herausforderungen lagen in der Synchronisierung der vier Antriebe um das Dach gleichmäßig abzusenken, sowie beim Auffangen von Schwingungen und Stößen. Sowohl zwischen den Führungen und dem Rumpf als auch zwischen Antrieb und Sonnendach wurden Dämpfer aus Gummi eingefügt. So wird mehr Flexibilität erreicht um Unebenheiten im Rumpf auszugleichen und Stöße aufzufangen. Für das Verstellsystem wurden verschiedene Linearführungen ausprobiert. Letztlich entschied Xtenders sich für Profilschienenführungen des Typs Mono Rail von Rollon. Das sind robuste Führungen, die dank der Laufwagen mit vier Kugelreihen reibungslos und ruhig laufen, aber dennoch eine hohe Belastung aufnehmen können. Die Mono Rails des Verstellsystems sind vernickelt und widerstehen damit dem salzigen Meerwasser gut. Das Absenken des Dachs dauert zwei Minuten. „Wir stellen hohe Anforderungen an die Systeme und Komponenten, denn sie müssen äußerst zuverlässig sein“, so Keijsers. „Zur Wartung und Reparatur müssen wir Monteure per Flugzeug zu dem Hafen schicken, wo das Schiff zufällig gerade liegt. Das sind Reisekosten, die man natürlich gern vermeiden möchte. Das Verstellsystem für das Kabinendach muss sehr robust und gegen Meerwasser beständig sein. Daher bestehen alle Komponenten aus Edelstahl und die Antriebe haben die höchste IP- Klasse. Wir hätten das System überdimensionieren können, um mehr Sicherheit einzubauen, haben das aber nicht getan, weil das Gewicht beim Bau von Schiffen auch ein Kriterium ist. Solche neuen Lösungen sind immer spannend. Wir testen sie natürlich gründlich, haben jedoch nicht die Möglichkeiten und die Zeit, sie in der Praxis ausgiebig zu erproben. Darum suchen wir mit sehr viel Sorgfalt die besten Lieferanten aus.“ Fotos: Xtenders www.rollon.de antriebstechnik 8/2018 37