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antriebstechnik 8/2016

antriebstechnik 8/2016

SCHIFFE UND MARITIME

SCHIFFE UND MARITIME ANWENDUNGEN I SPECIAL Volle Kraft voraus! Permanentmagnet-Wellengeneratoren senken Kraftstoffverbrauch bei Schiffen Jussi Puranen Die Stromerzeugung auf Schiffen findet traditionell mit Hilfsaggregaten oder mit Wellengeneratoren statt, welche direkt mit dem Hauptantrieb verbunden sind. Doch zur Verringerung des Kraftstoffverbrauchs werden immer öfter direktangetriebene Permanentmagnet-Wellengeneratoren eingesetzt. Jussi Puranen ist Forschungs- und Entwicklungsleiter bei The Switch in Finnland Hilfsaggregate, wie sie im klassischen Sinne zur Stromerzeugung auf Schiffen eingesetzt werden, bestehen in der Regel aus einem Viertakt-Dieselmotor mit konstanter Drehzahl, ausgestattet mit einem herkömmlichen Asynchron- oder Syn chrongenerator. Der Hauptvorteil dieses Konzepts liegt darin, dass durch den Betrieb bei konstanter Drehzahl der Generator eine kon stante Spannung und Frequenz in das elek trische Netzwerk des Schiffes einspeist und dadurch keine Leistungselektronik zur Spannungs- und Frequenzumwandlung erforderlich ist. Des Weiteren ist das Konzept unabhängig vom Schiffsantrieb, sodass auch beim Ma növrieren und beim Einlaufen in den Hafen Strom erzeugt werden kann. Die größten Nachteile sind, dass die Hilfsaggregate mehr Platz als Wellengeneratoren benötigen und einen höheren Wartungs bedarf haben. Da rüber hinaus können sie auch nicht ohne teures Zusatzequipment, z. B. Vorheizern zur Viskositätsreduzierung, mit günstigerem Schweröl betrieben werden. Während der letzten Jahrzehnte sind Wellengenerator-Systeme zu einer gängigen Op tion in der Schiffbauindustrie geworden, hauptsächlich aufgrund von steigenden Energiekosten und verschärften Emissionsvorgaben. Bei Handelsschiffen ist die gängigste Lösung zur primären Stromerzeugung ein langsamlaufender Zweitakt-Dieselmotor, der ohne Untersetzungsgetriebe direkt mit der Propellerwelle verbunden ist. Im Vergleich zu einem Viertakt-Dieselmotor bietet ein Zweitakt-Dieselmotor einen hö heren thermischen Wirkungsgrad, welcher einen geringeren Kraftstoffverbrauch ermöglicht. Die Tatsache, dass ein Zweitakt­ Dieselmotor mit Schweröl betrieben werden kann, stellt einen weiteren Vorteil dar, da Schweröl günstiger als Schiffsdiesel ist. Das Wellengenerator-System Der Verringerung des spezifischen Kraftstoffverbrauchs wird in der Zukunft eine wichtige Bedeutung zukommen – nicht nur wegen steigender Kraftstoffkosten, sondern auch wegen der verschärften Emissionsgrenzwerte für Schiffe, z. B. die IMO Tier III-Grenzwerte, welche Anfang 2016 in Kraft getreten sind. Es gibt verschiedene Ansätze, um die neuen Vorgaben zu erfüllen, wie die Verwendung von dualen Brennstoffsystemen, NOx Verringerern oder Abwärmerückgewinnungssystemen. Das wichtigste Ziel bleibt jedoch den Wirkungsgrad zu steigern, denn eine geringere Kraftstoffverbrennung führt automatisch zu geringeren Emissionen. Ein typisches Wellengenerator-System besteht aus einem elektrisch erregten Synchrongenerator, welcher mechanisch mit der Hauptantriebswelle und elektrisch mit dem Schiffsnetzwerk verbunden ist, ent weder direkt oder durch einen Frequenz umrichter. Die mechanische Verbindung von Generator und Antrieb erfolgt entweder durch ein Tunnelgetriebe, welches dazu verwendet wird, die Generatorgeschwin digkeit zu erhöhen, oder ohne Getriebe durch eine direkte Verbindung des Generators an die Welle. 62 antriebstechnik 8/2016

SPECIAL I SCHIFFE UND MARITIME ANWENDUNGEN Im ersten Fall hat der Generator aufgrund des niedrigeren Drehmoments geringere Abmessungen. Der Nachteil dieser Lösung ist das benötigte Getriebe, welches die Schadensanfälligkeit, die Komplexität sowie den Wartungsbedarf erhöht. Außerdem sind Getriebe relativ kostenintensive Komponenten, die ebenfalls zum Verlust von Energie führen, da sie aufgrund der Reibung in den Getriebekontakten 2 bis 3 % der mechanischen Eingangsleistung in Wärme umwandeln. Dies reduziert nicht nur den Gesamtwirkungsgrad des Systems, sondern es erhöht auch die Wärmebelastung, welche zu einem höheren Bedarf an Kühlleistung führt. Bei einer direkten Verbindung des Wellengenerators mit der Hauptantriebswelle entfällt die Notwendigkeit für ein Getriebe und dementsprechend auch alle mit dem Getriebe verbundenen Herausforderungen. Bei dieser direktangetriebenen Lösung läuft der Generator mit derselben langsamen Geschwindigkeit wie der Hauptantrieb, welche bei einem Zweitakt-Dieselmotor normalerweise unterhalb von 100 min -1 ist. Der direktangetriebene Wellengenerator liefert ein höheres Drehmoment als das Konzept mit Tunnelgetriebe. Dies führt zu größeren Maschinenabmessungen, da sich die Größe der elektrischen Maschine immer proportional zum Drehmoment verhält. In den meisten Fällen bedeutet dies, dass eine Verwendung von Standardprodukten nicht mehr möglich ist und maßgeschneiderte Konstruktionen benötigt werden. Elektrisch erregte Synchrongeneratoren Elektrisch erregte Synchrongeneratoren sind seit mehr als einem Jahrhundert eine Standardlösung zur Energieerzeugung auf dem Festland, hauptsächlich aufgrund ihrer 01 Testaufbau von 1,5 MW direktange triebenen, permanentmagneterregten Wellengeneratoren 02 Der Rotor eines permanentmagneterregten Wellengenerators ist zum Großteil hohl, was zur Verringerung des Trägheitsmoments und der Rotationsmasse des Antriebsstrangs beiträgt Effizienz und weil sie eine wirksame Kontrolle der netzseitigen Blindleistung ermöglichen. Der größte Nachteil von netzgekoppelten Synchrongeneratoren ist, dass diese jedoch nur mit konstanter Geschwindigkeit laufen können. Die Drehzahl wird hierbei von der Netzfrequenz bestimmt und liegt typischerweise bei 50/60 Hz. Bei der klassichen Energieerzeugung auf dem Festland spielt dies aufgrund der Art der primären Energiequellen wie Wärme oder Wasser nur eine untergeordnete Rolle. Da Wellengeneratoren aber idealerweise Systeme sind, die mit variabler Geschwindigkeit laufen, gibt es oftmals Situationen, wo ein geregelter Betrieb des Hauptantriebs notwendig wäre, um z. B. die Kraftstoffkosten zu reduzieren oder einen Betrieb bei geringer Geschwindigkeit zu ermöglichen. Da die Geschwindigkeit der Hauptantriebswelle wegen der direkten Netzanbindung des Generators konstant gehalten werden muss, kann eine Veränderung des Antriebsschubs nur durch z. B. die Verwendung eines Verstellpropellers vorgenommen werden. Eine Veränderung der Propellerdrehzahl ist nicht länger möglich. Während der drehzahlgeregelte Verstellpropeller eine variable Schubkraft zur Verfügung stellt, die den Betrieb des Schiffes bei unter schiedlichen Witterungsbedingungen und mit unter schied licher Reisegeschwindigkeit ermög licht, erzielt er jedoch keinen op ti malen Wirkungsgrad. Dies ist auf die hohen Leerlaufverluste des Verstellpropellers bei Nenn geschwindigkeit zurückzu führen und bedeutet, dass trotz der reduzierten Anstellwinkel, welche für den Betrieb bei geringeren Geschwindigkeiten benötigt werden, hohe Verluste beim Propeller auftreten, die folglich den spezifischen Kraftstoffverbrauch erhöhen. Ein maximaler Wirkungsgrad kann nur durch den Betrieb des Systems im Kombinator-Modus erzielt werden. Hierbei werden sowohl Anstellwinkel als auch Ge schwindig keit des Propellers ständig variiert, je nach Wetterbedingungen und Geschwindigkeit des Schiffes. Je geringer der Geschwindigkeitsbedarf, desto größer sind die Vorteile des Kombinator-Modus gegenüber einem System mit drehzahlgeregeltem Verstellpropeller. Der Kombinator-Modus hat sich in den vergangenen Jahren vermehrt durchgesetzt, da er den Kraftstoffverbrauch minimiert, während er gleichzeitig eine hohe Flexibilität beim Betrieb des Schiffes bietet. Offensichtlich kann dieser Betriebsmodus nicht bei direkt an das Netzwerk angeschlossenen Wellengeneratoren angewendet werden, da diese einen Betrieb bei konstanter Drehzahl erfordern. Zur Überwindung d ie ses Problems werden heutzutage immer mehr Wellengeneratoren über einen Frequenzumrichter an das Schiffsnetzwerk ange schlossen, sodass auch ein Betrieb mit variabler Drehzahl möglich ist. Die ersten drehzahlgeregelten Wellengenerator-Systeme verwendeten Thyristorregler, welche eine geringe Leistungsfähigkeit hatten und hohe Störungen auf der Stromnetzseite hervorgerufen haben. Heutzutage sind alle neuen drehzahlvariablen Wellengenerator-Systeme mit Frequenz umrichtern, die IGBT (Bipolartransistor mit isolierter Gate-Elektrode) -Technologie verwenden, ausgestattet, da diese eine sinusförmige Ausgangsspannung aufweisen und einen Wirkungsgrad von bis zu 97 % erreichen können. Allerdings ist ein langsam-laufender elektrisch erregter Synchronwellengenerator im Hinblick auf den Generator-Wirkungsgrad weit von der optimalen Lösung entfernt, da dieser aufgrund seines Betriebs bei geringen Drehzahlen einen relativ geringen Wirkungs grad hat. Bei der traditioantriebstechnik 8/2016 63