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antriebstechnik 7/2022

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antriebstechnik 7/2022

SENSORIK UND MESSTECHNIK

SENSORIK UND MESSTECHNIK POTENTIOMETRISCHE SENSOREN WEGE UND WINKEL IM WELTRAUM ERFASSEN Nur in wenigen denkbaren Anwendungen müssen Messtechnik und Sensoren so robust sein wie im Weltraum. Unter Einfluss extremer Umgebungsbedingungen wie Hitze und Kälte muss Technologie hier zuverlässig arbeiten. Potentiometrische Sensoren auf Leitplastikbasis sind in Satelliten und Weltraumsonden oft die bevorzugte Lösung, wenn es gilt, Wege oder Winkel präzise zu bestimmen. Dipl.-Ing. Stefan Sester ist Leiter technischer Vertrieb bei Novotechnik und Ellen-Christine Reiff, M.A. ist Fachjournalistin bei Redaktionsbüro Stutensee Raumschiffe, die sich angetrieben von gigantischen Sonnensegeln pfeilschnell durchs Weltall bewegen, gibt es zwar bislang nur in Science-Fiction-Filmen. Bei Satelliten und Raumsonden, die in der Erdumlaufbahn kreisen oder fremde Planeten erkunden, sind solarelektrische Triebwerke aber mittlerweile Realität. Beispiele sind die Sentinel-Satelliten zur Erdbeobachtung oder die Raumsonde BepiColumbo, die 2018 zum Merkur startete, sowie die geplante Juice-Mission, die vor allem den Jupitermond Ganymed detailliert untersuchen soll. Um die Sonnenenergie bestmöglich zu nutzen, müssen die Solar- Arrays geeignet ausgerichtet sein. Diese Aufgabe übernehmen ausgeklügelte Verstellmechanismen. Sie stammen bei den genannten und zahlreichen weiteren Weltraumprojekten vom norwegischen Hersteller Kongsberg Defence & Aerospace. Die SADM (Solar Array Drive Mechanism) sorgen durch eine Motor-Getriebe- Konstruktion dafür, dass die Solar-Panels immer optimal zur Sonne ausgerichtet sind. Auch die Antennen der Datenübertragungssysteme der Satelliten brauchen Verstellmechanismen von Kongsberg Defence & Aerospace. Hier kommt es ebenfalls auf eine genau anpassbare Ausrichtung an. Für eine zuverlässige Funktion sind beide Antriebsmechanismen auf eine exakte Positionserfassung angewiesen. Die passende Sensorik zu finden, ist aber nicht unbedingt einfach. 22 antriebstechnik 2022/07 www.antriebstechnik.de

SENSORIK UND MESSTECHNIK WELTRAUMTAUGLICH, ROBUST UND PRÄZISE Johan A. Mürer, einer der Projektverantwortlichen bei Kongsberg erinnert sich: „Bei unseren ersten Projekten verwendeten wir in unseren Antriebsmechanismen für die Positionserfassung optische 17-Bit-Encoder, zum Beispiel bei der Weltraumsonde Rosetta. Deren Glasgitterscheibe ist jedoch beim Weltraumeinsatz eine kritische Komponente und es sind aufwendige Schutzmaßnahmen erforderlich, um die nötige Auswerteelektronik vor kosmischer Strahlung zu schützen.“ Die Norweger suchten deshalb nach einer praxisgerechten Alternative. Schnell stießen sie dabei auf die Potentiometer-Technologie des Sensorikspezialisten Novotechnik, die bereits in der Cassini-Huygens-Sonde ihre Weltraumtauglichkeit bewiesen hatte. Potentiometrische Sensoren auf Leitplastikbasis liefern als Absolutwertgeber genaue Messergebnisse, sind zuverlässig und lassen sich auch von widrigen Umgebungsbedingungen und extremen Temperaturen nicht beeinträchtigen. Ihre analogen Ausgangssignale sollen sich einfach weiterverarbeiten lassen. „Diese Sensoren arbeiten zudem ohne Halbleiter, die vor Strahlung geschützt werden müssten“, ergänzt Mürer. „Der Aufbau wird insgesamt einfacher und robuster, die Messwerte sind genau.“ Ein auf die Applikation angepasstes, redundantes Leitplastik-Potentiometer spielt deshalb in den Antriebsmechanismen für die Ausrichtung der Solar-Arrays und Antennen eine Schlüsselrolle. DER AUFBAU DES POTENTIOMETERS Das spezifische Rundpotentiometer wurde nach Kundenvorgaben aus dem Standardprogramm abgeleitet, entspricht jedoch ansonsten dem Qualitätsniveau der hochwertigen Leitplastik-Sensorsysteme, die üblicherweise für industrielle Anwendungen bestimmt sind. Es besteht aus zwei Statoren und einem Rotor, welche wiederum aus speziellen FR4-Verbundsubstraten bestehen. Der Rotor wird so zwischen den gegenüberliegenden Statoren mit den Widerstandsbahnen platziert, dass die Schleifkontakte des Rotors beide Sensorelemente kontaktieren. Der große Innendurchmesser ermöglicht die Durchführung von Elektrokabeln bei SADMs und HF-Wellenleiter bei den Antennen-Antriebsmechanismen. „Letzteres war für uns ein wichtiges Kriterium, weil wir die Konstruktion sonst kaum hätten realisieren können“, so Mürer weiter. Vorteilhaft erwiesen sich aber auch das durch die flache Bauweise kleine Volumen des Sensors und sein geringes Gewicht. Die Winkelposition stellt das Leitplastik-Potentiometer als absolutes Analogsignal zur Verfügung. Die elektrische Schnittstelle ist einfach, lediglich drei Leitungen müssen angeschlossen werden. 01 Das Rundpotentiometer besteht aus zwei Stator- und einem Rotorelement aus FR4-Verbund substraten und ermöglicht dank des großen Innendurchmessers Elektrokabel oder HF-Wellenleiter durchzuführen Prüfung (unter 1 mbar) der Firmengeschichte absolviert: Nahezu 13 Millionen Zyklen bei einer durchschnittlichen Bewegung von 205 Grad. Während des Tests wurden keine Abweichungen oder Unregelmäßigkeiten festgestellt. Bei der anschließenden Inspektion zeigte sich kein Verschleiß an den Widerstandsbahnen, lediglich eine leichte Politur. Gleiches galt für die Schleifer. Auch bei zukünftigen Projekten werden die Winkelsensoren deshalb an Bord der Satelliten und Raumsonden sein. Bevor sie dort typischerweise je nach Mission zehn, zwölf Jahre lang zuverlässig ihren Dienst verrichten, überstehen sie auch lange Lagerzeiten, UNTER HÄRTESTEN BEDINGUNGEN GETESTET Die beim Raumfahrteinsatz hohen Anforderungen bereiteten keine Probleme: Das Weltraumpotentiometer hat zusätzlich zum Lebensdauertest bei den Norwegern die bisher längste Hochvakuum- 02 Die SADM (Solar Array Drive Mechanism) für die Ausrichtung der Solarpanels sind auf eine exakte Positionserfassung angewiesen www.antriebstechnik.de antriebstechnik 2022/07 23