Aufrufe
vor 2 Jahren

antriebstechnik 7/2021

  • Text
  • Getriebemotoren
  • Nord
  • Einsatz
  • Bauteile
  • Konfiguration
  • Entwicklung
  • Drehgeber
  • Demag
  • Unternehmen
  • Antriebstechnik
antriebstechnik 7/2021

FORSCHUNG UND

FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG SIMULATIONSBASIERTER BEOBACHTER FÜR DIE HANDHABUNG BIEGESCHLAFFER BAUTEILE Biegeschlaffe Bauteile, wie Kabel oder Schläuche sind im Kontext der fortschreitenden Automatisierung von Produktions- und Montageprozessen mit Robotern eine besondere Herausforderung. Grund dafür ist, dass sie bereits unter geringen Kräften deformieren und somit ihre äußere Form und Lage verändern. Hieraus resultierende Unsicherheiten müssen für eine prozesssichere Handhabung etwa durch Roboter kompensiert werden. Dafür sind Informationen über die aktuelle Form und Lage des Objektes notwendig. Das ISW forscht daher an einem Beobachter, der diese Informationen anhand von Bilddaten eines 3D-Stereokamerasystems rekonstruieren kann. 38 antriebstechnik 2021/07 www.antriebstechnik.de

FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG Die Handhabung biegeschlaffer Bauteile ist ein elementarer Bestandteil vieler industrieller Prozesse. Objekte wie Kabel, elektrischen Leitungen und Schläuche spielen als flexible Verbindungselemente elektrischer und mechanischer Komponenten eine wichtige Rolle. Allerdings ist ihr biegeschlaffes Verhalten für die Automatisierung von Handhabungsund Montageprozessen meist ein K.O.-Kriterium. Grund hierfür sind die Eigenschaften dieser Objekte, welche sie aus einem steuer- und regelungstechnischen Standpunkt schwer zu beherrschen machen. So führt ihre längliche Geometrie zu einem ungünstigen Verhältnis von Biegesteifigkeit und Biegemomenten, welche beispielsweise durch die Schwerkraft oder durch Trägheits- und Kontaktkräfte während der Handhabung hervorgerufen werden. Es entstehen daher allein durch das Eigengewicht bereits Deformationen, welche große Änderungen der äußeren Form und Lage bedingen können. Verschärft wird die Herausforderung zur Erkennung von Lage und Form zudem durch die Abwesenheit von markanten und eindeutigen Geometriemerkmalen. Was dem Menschen dank seiner visuellen Wahrnehmung einfach möglich ist, gelingt mit modernen Mitteln der Bildverarbeitung normalerweise durch die Erkennung und Zuordnung von Geometriemerkmalen zu markanten Bildinformationen. Biegeschlaffe Objekte weisen im Gegensatz zu starren Objekten kaum Geometriemerkmale wie Kanten oder Ecken auf, welche als markante Bildpunkte einer bestimmten Form und Lage zugeordnet werden können. Zudem verhindert die Formenvielfalt, welche als Folge der Deformation auftritt einen eindeutigen Rückschluss auf die momentane räumliche Konfiguration, auch wenn markante Bildpunkte beispielsweise über aufgebrachte Marker, künstlich erzeugt werden. Das ISW arbeitet daher an einem modellbasierten Beobachteransatz, der ohne markante Bildpunkte und mit nur wenig Geometrieinformationen wie Objektlänge und -durchmesser dennoch die Bestimmung der räumlichen Lage und Form erlaubt. Dies gelingt indem zusätzlich zu 3D Bildinformationen aus einem Stereokamerasystem das Deformationsverhalten des Objekts durch ein Simulationsmodell approximiert und mit den Bilddaten kombiniert wird (vergleiche Bild 01). Es werden somit neben geometrischen Merkmalen auch Informationen über das physikalische Deformationsverhalten genutzt, um einen eindeutigen Zustand aus den uneindeutigen Punktewolkedaten der Stereokamera zu rekonstruieren. 01 Beobachtung eines biegeschlaffen Bauteils mit einer 3D Stereokamera während der Handhabung durch einen Roboter und Berücksichtigung physikalischer Randbedingungen durch prozessparallele Simulation des Deformationsverhaltens 02 Modellierung des biegeschlaffen Bauteils als kinematische Kette von Starrkörpern die über flexible Gelenke verbunden sind MODELLIERUNG BIEGESCHLAFFER BAUTEILE ALS KINEMATISCHE KETTE Das biegeschlaffe Objekt wird als eine kinematische Kette von N Starrkörpern modelliert, die über Kugelgelenke verbunden sind. Damit gleicht die kinematische Beschreibung, derjenigen einer Roboterkinematik mit n = 3N + 3 Freiheitsgraden (Bild 02). Die Lage jedes Körpers i der Kette kann damit in Bezug zu einem Referenzkoordinatensystem über eine Reihe homogener Transformationen 0 T i ε SE(3) ausgedrückt werden wobei q εR n die Freiheitsgrade der kinematischen Kette sind. Diese beschreiben damit eindeutig die Lage des biegeschlaffen Bauteils zu einem beliebigen Zeitpunkt t und lassen sich als Momentankonfiguration C t (q) zusammenfassen. www.antriebstechnik.de antriebstechnik 2021/07 39