ELEKTROMOTOREN UMWELTGESETZGEBUNG WACHSTUM DER ELEKTROMOTOREN Gregor Dietz, Marktmanager, SEW-Eurodrive, Bruchsal Zum Ende des ersten Jahrzehnts im neuen Jahrtausend wurde mit der Ökodesignrichtlinie der Europäischen Union das erste große Umweltpaket in der Gesetzgebung verabschiedet. Das ist jetzt, Frühjahr 2023, fast 15 Jahre her. Die europäische Ökodesignrichtlinie greift in viele Bereiche der Energieumwandlung ein. Einen großen Einfluss hatte und hat sie in der Industrie – insbesondere bei der Antriebstechnik. Die Umwandlung einer Energieart in eine andere ist nie 100 %ig, jeder Wandlungsprozess ist verlustbehaftet. Der Anteil der Verlustenergie muss bezahlt werden, trägt aber nicht zum nutzbaren Ergebnis bei. Seit dem Bau der ersten Elektromotoren um das Jahr 1880 lag das Entwicklungsziel bei einer Neukonstruktion aus Preisgründen stets beim effizienten Einsatz des Materials. Um sich erfolgreich dem Wettbewerb zu stellen, waren Kostensenkungsprogramme der produzierenden Firmen ein immer wiederkehrender Zyklus. Trotz gleicher Abgabeleistung fanden die Ingenieure und Techniker immer wieder Wege, Elektromotoren mit insgesamt weniger, aber besserem Material zu bauen. Hilfreich war stets auch die Weiterentwicklung der verfügbaren Bauteile, beispielsweise höhere Blechqualität und geringere Blechdicke, fortschrittliche Berechnungsund Simulationsmethoden und veränderte Herstellungsprozesse. EFFIZIENZ WIRD KRITERIUM Um die Jahrtausendwende zum 21. Jahrhundert fand ein prägender Sinneswandel statt. Neben dem monetären Einfluss der Materialmenge rückte mehr und mehr die Energieeffizienz ins Zentrum. Die Wiederentdeckung des Wirkungsgrades von Elektromotoren als Entscheidungskriterium stellte enorme Herausforderungen an die produzierenden Firmen. Schnell wurde klar, dass ein höherer Wirkungsgrad und der Einsatz entsprechender Werkstoffe mit einem höheren Verkaufspreis einhergehen. In den folgenden knapp 10 Jahren wurde die Berücksichtigung der Energieeffizienz nach dem Prinzip der Freiwilligkeit den Kräften im Europäischen Markt überlassen. Jedoch war der Gesetzgeber nicht zufrieden mit dem Anteil der freiwilligen Nutzer. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verhinderten den großflächigen Erfolg und Absatz der Motoren mit erhöhten Wirkungsgraden. Um einen fairen Wettbewerb mit vergleichbaren Produkten zu gewährleisten, verfasste und verabschiedete die Industrie Normen mit den Wirkungsgradkassen IE1 bis IE4 für den Betrieb von Elektromotoren am Netz. Diese wurden vom europäischen Ge- setzgeber respektiert und im Jahr 2009 verabschiedete Europa das erste Gesetz, das den Mindestwirkungsgrad von Elektromotoren vorgibt. In dieser Verordnung 640/2009/EG wurde nicht nur eine Stufe vorgegeben, sondern eine zeitlich gestaffelte Erhöhung des Mindestwirkungsgrades. Ferner wurde für die betroffenen Motoren ein Leistungsbereich festgeschrieben. Die Vielfalt der bereits realisierten Lösungen der Elektromotoren führte zu einer begrenzten Anzahl von Ausnahmen im Gesetz, unter anderem Bremsmotoren, explosionsgeschützte oder unbelüftete Motoren. Der Gesetzgeber nahm die Fortsetzung der Weiterentwicklung der Materialen und Prozesse für sich in Anspruch und forderte 2011 die Industrie auf, Produkte schon mit dem Mindestwirkungsgrad IE2 anzubieten. Nach dem Inkrafttreten gab es für die Industrie ein Zeitfenster von sechs Jahren, um den konstruktiven Wechsel zu IE3 zu vollziehen und nur noch entsprechende Motoren anzubieten. WENIGER AUSNAHMEN Mit dem 2017 Erreichten gab sich die EU aber nicht zufrieden. 2019 wurde das Gesetz ergänzt und ausgeweitet. Neben der Reduzierung von Ausnahmen und damit der Festlegung von Mindestgrenzwerten für weitere Motoren wurde für wenige Motorleistungen die weitere Steigerung der Effizienz auf den IE4-Level vorgegeben. Die Ausnahmereduzierung und Ausweitung fand zum 1. Juli 2021 statt. Zum 1. Juli 2023 tritt die letzte Stufe mit dem IE4-Level für 75 – 200 kW des aktuellen Gesetzes in Kraft. GESETZLICHE WIRKUNGSGRADVORGABEN Stellt man die Entwicklung der letzten etwas mehr zehn Jahre nebeneinander, so wird deutlich, dass der Effizienzgedanke den Konstruktionsprozess dominiert und der Menge des eingesetzten Materials nachrangig geworden ist. Das heißt, bei gleicher Leistung ist der Motor gewachsen und stellt damit eine Herausforderung beim Einbau in Maschinen und Anlagen dar. Am Beispiel 18 antriebstechnik 2023/06 www.antriebstechnik.de
Energiesparen mit maximalen Lösungen Immer weiter noch größer ELEKTROMOTOREN Vor dem Jahr 2000 Vor dem Jahr 2011 2011 bis 2017 2017 bis heute 2022 bis heute Keine Mindestvorgabe zum Wirkungsgrad (eff2 = IE1) freiwillige Angaben zum Wirkungsgrad (IE2) verpflichtende Angaben zum Wirkungsgrad (IE3) verpflichtende Angaben zum Wirkungsgrad (IE4) freiwillige Angaben zum Wirkungsgrad Beispiel − 4-polig 7,5 kW Beispiel − 4-polig 7,5 kW Beispiel − 4-polig 7,5 kW Beispiel − 4-polig 7,5 kW Beispiel − 4-polig 7,5 kW − Alugehäuse − Alugehäuse − Alugehäuse − Alugehäuse − Alugehäuse Gewicht − 66 kg Gewicht − 60 kg Gewicht − 80 kg Gewicht − 73 kg Gewicht − 115 kg Durchmesser×Länge 1) − 275 mm × 402 mm Durchmesser × Länge 1) − 224 mm × 440 mm Durchmesser × Länge 1) − 270 mm × 460 mm Durchmesser × Länge 1) − 261 mm × 439 mm Durchmesser×Länge 1) − 316 mm × 532 mm Drehstrommotoren für den Netzbetrieb wachsen 1) 1) IEC-Flanschmotor IM B5 ohne IM Wellenende B5 ohne Wellenende + 74,2 % Gewicht ; + 74,7 % Volumen 23.05.2023 Wenn weniger mehr ist: Lösungen statt Komponenten beim Energiesparen 1 eines 7,5-kW-Elektromotors für IE4 (in der Leistung freiwillig, kein Gesetz) ist erkennbar, dass das Bauvolumen – die Größe des Motors – um knapp 75 % und seine Masse – die Menge des eingesetzten Materials – ebenfalls um knapp 75 % gestiegen ist. Der Gesetzgeber gibt den Mindestwirkungsgrad vor und überlässt die Realisierung den produzieren Firmen und den Marktkräften, den nötigen Preis und die wirtschaftliche Rentabilität zu erreichen. Vereinzelte nationale Fördermaßnahmen zum Wohle der Wirtschaft sind nur der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein. NACHHALTIGKEIT UND RECYCLING ENERGIEEFFIZIENZETAPPEN BEI SEW ■ Bereits 2008 führte SEW-Eurodrive seinen Motorbaukasten mit der Baureihenbezeichnung DR.. ein. Damit werden die weltweiten Anforderungen an die Effizienz von Standard- bis Super-Premium-Effizienz erfüllt. ■ Um 2010 waren Motoren in der Stufe IE1 der Marktstandard. Die Wirkungsgradklasse IE4 schien für den Massenmarkt unerreichbar. ■ Seit 2014 bietet SEW-Eurodrive IE3-Motoren der Baureihe DRN.. an, . Damit erfüllte das Bruchsaler Unternehmen die Wirkungsgradvorschriften, die im Januar 2015 in Europa als gesetzliche Anforderung Pflicht wurden. ■ Seit 2022 bietet SEW-Eurodrive IE4-Motoren der Baureihe DRU.. an. ■ Im Frühsommer 2023 übergibt SEW-Eurodrive den zweimillionsten Motor der IE3-Baureihe DRN.. an einen deutschen Kunden. Weltweit wurden schon 10.000.000 IE3-Motoren erfolgreich eingesetzt. Ein Blick zurück hilft, den Ausblick auf Kommendes einzuordnen. Neben der Energieeffizienz kommen jetzt zwei weitere Aspekte ins Spiel. Die Themen Nachhaltigkeit und Kreislaufeffizienz flankieren nun das Thema Energie. Hier setzt der europäische Gesetzgeber unmittelbar auf eine regulatorische Variante und wird bis Mitte der 2020er Jahre Vorgaben und Grenzwerte für Produkte bestimmen. Schwierig werden dann gegenläufige Tendenzen in Einklang zu bringen: Materialeffizienz könnte der Energieeffizienz im Weg stehen, kreislaufkonforme Bauteile den Anspruch an technisch sicheren und hochqualitativen Produkten konterkarieren. Verlässt man den europäischen Fokus und blickt sich in der Welt um, so erkennt man, was in einzelnen Ländern an weiteren und anderen Vorgaben zu erfüllen ist. Die Aufgaben und Hürden nehmen nicht ab, und es werden weitere hinzukommen. Etliche davon sind bereits sichtbar und spürbar. Aber auch hier werden die Industrie und die dort beschäftigten fähigen Köpfe eine Lösung finden. Bilder: SEW www.sew-eurodrive.de DIE IDEE „Seit dem Bau der ersten Elektromotoren um das Jahr 1880 lag das Entwicklungsziel bei einer Neukonstruktion aus Preisgründen stets beim effizienten Einsatz des Materials. Um die Jahrtausend wende zum 21. Jahrhundert fand ein prägender Sinneswandel statt – die Energieeffizienz wurde immer wichtiger. Eine gesteigerte Energieeffizienz ist teurer. Um energie effiziente Motoren marktfähig zu machen, einigten sich Industrie und Gesetzgeber auf Normen, die seit 2009 Gesetz sind. In Zukunft wird Nachhaltigkeit wichtiger werden und entsprechende Regulierungen sind zu erwarten.“ Gregor Dietz, Marktmanager, SEW-Eurodrive, Bruchsal www.antriebstechnik.de antriebstechnik 2023/06 19
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