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antriebstechnik 5/2023

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antriebstechnik 5/2023

FORSCHUNG UND

FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG ANTRIEBSTECHNIK TRIFFT KI DYNAMIKMODELLE IM DIGITALEN ZWILLING DURCH GREYBOX-MODELLIERUNG Durch genauere Modelle der angekoppelten Mechanik können Antriebe dynamischer geregelt werden. Bei der Methode der Greybox-Modellierung wird hierfür ein physikalisches Modell verwendet, welches schon bekannt ist und das wesentliche Bewegungsverhalten gut beschreibt. Die übrigen Fehler werden mit Machine-Learning- Modellen datenbasiert erlernt. Durch die Kombination beider Verfahren können einfachere Machine-Learning-Modelle verwendet werden und das Training erfordert weniger Trainingsdaten, da bereits bekannte physikalische Zusammenhänge nicht von Grund auf neu gelernt werden müssen. Im nachfolgenden Artikel wird grundsätzlich erklärt, wie sich Greybox-Modelle in aktuelle Steuerungen einbinden lassen und motiviert, welche Verbesserungen sich damit erreichen lassen. Zur Steigerung der dynamischen Genauigkeit von Werkzeugmaschinen und Knickarmrobotern, auch bei anspruchsvollen Bewegungen, werden genaue Modelle des Bewegungsverhaltens der Maschine benötigt. Diese können für die Optimierung der Bewegungsplanung oder auch für die vorausschauende Regelung der Achsen eingesetzt werden. Woher kommen solche Modelle, wie lassen sie sich mit möglichst wenig Zusatzaufwand identifizieren und für maximale Performancesteigerung einsetzen? Mit dem Forschungsprojekt Greybox-Dynamikmodellierung für die Fertigungstechnik des InnovationsCampus Mobilität (ICM) werden diese Fragen untersucht. M. Sc. Christoph Hinze, Nachwuchsgruppenleiter, M. Sc. Haijia Xu, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Prof. Dr.-Ing. Alexander Verl, Institutsleitung, alle am Institut für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen, alle Universität Stuttgart Dass Simulationsmodelle an Bedeutung gewinnen, zeigt der Trend zur virtuellen Inbetriebnahme von Anlagen. Mittels echtzeitfähiger Modelle kann das Bewegungsverhalten der Maschinen unter Verwendung der tatsächlichen Steuerungslogik simuliert und getestet werden. So werden früh im Designprozess der Anlage Konstruktions- und Programmierfehler behoben die später durch Iterationen in der realen Inbetriebnahme und Verzögerungen im Zeitplan schnell teuer werden. Mit der realen Inbetriebnahme einer Anlage wird die Virtuelle-Inbetirebnahme-Simulation archiviert und nicht mehr verwendet. Der Grund sind einerseits Abweichungen zwischen idealer Modellierung und tatsächlichem Maschinenverhalten, beispielsweise durch Fertigungs- und Montagetoleranzen. Andererseits lohnt sich der Mehraufwand der genaueren Modellierung mancher dynamischer Zusammenhänge für die virtuelle Inbetriebnahme nicht: So sind Nachgiebigkeiten im Maschinenverhalten oft nur in erster Näherung linear, oder Übertragungsfehler unterschieden sich – selbst zwischen zwei Exemplaren derselben Baugruppe. 40 antriebstechnik 2023/05 www.antriebstechnik.de

FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG Eine präzise Vorhersage solcher erst im Maschinenbetrieb beschreibbarer Fehler ist der nächste Schritt zur dynamischeren Fertigung. So können nichtlineare Effekte gezielt kompensiert werden und das tatsächliche Systemverhalten zur dynamischeren Einstellung der Antriebsregler verwendet werden, wodurch die Bahngenauigkeit im Prozess gesteigert werden kann. Eine Möglichkeit, die Maschinendynamik genau abzubilden besteht im direkten maschinellen Lernen. Um das Zeitverhalten gut beschreiben zu können, werden Verfahren eingesetzt, die Differenzialgleichungen abbilden können, wie neuronale Netze mit Rückführung (Recurrent Neural Networks, kurz: RNN). Hier gibt es zusätzlich Weiterentwicklungen, die beispielsweise die Gesetzmäßigkeiten von Differenzialgleichungen direkt ins Training einbeziehen (Neural ODE), oder die physikalische Energieerhaltung berücksichtigen (Hamiltonian Neural Networks). Jedoch wird hierfür jeweils eine große Anzahl an Trainingsdaten benötigt, um die Konvergenz im gesamten Arbeitsraum sicherzustellen. Das großteils schon bekannte Bewegungsverhalten wird hier verworfen und von Grund auf neu trainiert. Aus dem Fachbereich des bestärkenden Lernens (Reinforcement Learning) stammt der Sim-To-Real genannte Ansatz, stabilisierende Regler zuerst an der Simulation zu trainieren, die manche Effekte vernachlässigt und anschließend die vortrainierte Lösung an der Anlage einzusetzen. Die Herausforderung besteht allerdings darin, bei lokal größeren Abweichungen zwischen Modell und Realität die Stabilität der Antriebe zu garantieren, da die Auslegung der Regler durch eine Vielzahl an Experimenten an der Maschine erfolgen muss. Es zeigt sich, dass weder durch rein analytische Modelle, noch durch reine Machine-Learning-Modelle das dynamische Verhalten einer Maschine zuverlässig und genau abgebildet werden kann. Aus diesem Grund werden im Forschungsprojekt Greybox-Dynamikmodellierung für die Fertigungstechnik Greybox-Modelle untersucht. Hierfür wird die analytische Modellierung, die auf physikalisch gut verstandenen Gesetzmäßigkeiten beruht, als Grundlage verwendet. Bestehendes Modellwissen, etwa durch schon vorhandene Modelle aus der virtuellen Inbetriebnahme oder dem CAD, lässt sich direkt weiter nutzen. Mittels maschinellen Lernens wird anschließend nur noch der verbleibende Restfehler trainiert. Weil die Struktur der Machine-Learning-Modelle hier einfacher ist und nicht das gesamte Bewegungsverhalten erlernt werden muss, werden weniger Trainingsdaten benötigt, und es ergibt sich eine schnellere Konvergenz der Lernverfahren. Zusätzlich kann für Bereiche, in denen das Machine-Learning-Verfahren Fehler ex [µm] Amplitude [dB] 200 0 −200 01 Signalfluss der Greybox-Modellierung mit Systemidentifikation der Antriebe und der Dynamik 02 Verbleibender Fehler eines datengetrieben parametrierten Reglers unter hohen Fräskräften (ca. 2 kN) 0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 1.2 Zeit [s] 0 −50 −100 Mehr Überschwingen 10 1 10 2 Frequenz [Hz] Instabil Mehr Dynamik (Weniger Fehler) Standardregler (P-PI-Kaskadenregelung) Modellbasierter Regler An Messdaten optimiert 03 Performance eines datengetrieben optimiert parametrierten Reglers Messungen Reglerperformance Stabilitätsgrenze für Optimierung Praktische Stabilitätsgrenze STUTTGARTER LAGERREGELSEMINAR DES ISW Das Institut für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen (ISW) veranstaltet am 12. und 13. September 2023 das Stuttgarter Lageregelseminar (LRS). Dort werden industrienahe Forschungsthemen des ISWs im Bereich Antriebs- und Maschinentechnik, Additive Fertigung sowie Industrie- und Seilrobotik vorgestellt und Vorträge von Vertretern der Industrie gehalten. Auf der zweitägigen Veranstaltung geben Referenten aus Industrie und Forschung einen Einblick zu aktuellen Forschungsergebnissen und Entwicklungen. Es werden zwei Keynotes und insgesamt sechs Sessions zu den jeweiligen Teildisziplinen mit je einem Vortrag aus der Forschung und Industrie angeboten. Mehr Informationen finden sich unter www.lagerregelseminarstuttgart.de. Dieser Beitrag gibt einen Einblick in eines der am Seminar behandelten Themen. www.antriebstechnik.de antriebstechnik 2023/05 41

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