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antriebstechnik 5/2022

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antriebstechnik 5/2022

FORSCHUNG UND

FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG 2 07 Reibwertvergleich konventionelles Lager / SG-Lager mit stützrollengeführtem Käfig Reibwertvergleich konventionelles Lager /SG-Lager mit stützrollengeführtem Käfig Versuchslager NU316, dm = 125 mm, C = 200kN Reibungskoëffizient in Promillen 1,8 1,6 1,4 1,2 1 0,8 0,6 0,4 Konventionell G1 8kN SG-Lager 8kN SG-Lager 12 kN SG-Lager 18kN 0,2 0 1500 2500 4800 6000 8000 Drehzahl in U / min Darin fallen neben dem viel größeren Einsatzbereich des SG- Lagers zwei weitere Effekte auf: n Die Reibwerte des SG-Lagers sind grundsätzlich viel tiefer als beim konventionellen Lager, bei den hohen Geschwindigkeiten sogar etwa um den Faktor 3.5. n Der Reibwert des konventionellen Lagers nimmt bei gleicher Belastung etwa mit der Quadratwurzel des Drehzahlverhältnisses zu, derjenige des SG-Lagers nur ganz gering. n Der Reibwert des SG-Lagers nimmt mit steigender Belastung ab. Als Erstes zeigen die Bilder 03 und 04 den typischen Zustand der Führungsflächen des Käfigs (beim SG-Käfig der Führungsrolle) und der Führungsflächen im Außenring nach dem Testlauf bei gleichen Betriebsbedingungen und gleicher Laufzeit. DER AUTOR Rudolf Gehring ist Ingenieur für ausgewählte Projekte bei der LRS Engineering AG in Frauenfeld Der Verschleiß an den Gleitflächen von Käfig und Außenring beim konventionellen Käfig bestätigt die Praxiserfahrung, dass die Gleitlagerung des Käfigs bei hohen Drehzahlen zum Ausfall führt. Bei den Führungsrollen des SG-Käfigs ist dagegen die Oberflächenstruktur noch absolut unverändert. 5. ANALYSE DER BESCHLEUNIGUNGSVERHÄLT- NISSE BEI KONVENTIONELLEN KÄFIGEN Bei den konventionellen Lagern ist der Käfig gleitgeführt. Diese Führung erfolgt entweder am Innenbord des Außenringes oder auf den Wälzkörpern. Sie erfordert zwingend ein gewisses Betriebsspiel und dieses eine Exzentrizität des Käfigs. Bei hohen Drehzahlen rollen die Wälzkörper infolge der Zentrifugalkraft auf der Außenring-Laufbahn ab. Der Käfig hingegen dreht sich um eine Achse, die aufgrund der angreifenden Kräfte meist nahe beim Maximum der spielbedingten Exzentrizität liegt. Durch die unterschiedlichen Drehachsen des käfiggeführten Rollensatzes und des Käfigs ergeben sich für den Rollensatz zyklische Drehzahlschwankungen innerhalb einer Umdrehung. Dies bewirkt in der Beschleunigungsphase Kräfte auf den Käfig, welche in der Verzögerungsphase infolge von Reibungsverlusten nicht vollständig „rekuperiert“ werden. Die verschiedenen Kräfte sind in der Prinzipskizze Bild 05 aufgezeigt. Das Radialspiel des gleitgeführten Käfigs beträgt bei außenbordgeführten Käfigen ca. 5 ‰ des mittleren Durchmessers. (Auf die wälzkörpergeführten Käfige wird hier nicht eingegangen, weil sich bei Bahneinsätzen außenbordgeführte besser bewährt haben). 56 antriebstechnik 2022/05 www.antriebstechnik.de

FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG Um die Verhältnisse verständlich darstellen zu können ist das Lager vereinfacht und die Exzentrizitäten des Käfigs sind vergrössert gezeichnet. Auch die Kraftpfeile zeigen die Kräfte nur qualitativ. Einesteils wird der Rollensatz infolge der Exzentrizität des sie führenden Käfigs in seiner Rollbahn, andernteils jede einzelne Rolle um ihre eigene Achse beschleunigt. Bei diesen beiden Beschleunigungsarten herrschen unterschiedliche Bedingungen: Bei der Beschleunigung des Rollensatzes in ihrer Rollbahn sind die Rollen in den Taschen formschlüssig gefangen; sie müssen zwangsläufig die volle, geometrisch bestimmte Beschleunigung mitmachen. Dabei entstehen sowohl in der Beschleunigungswie in der Verzögerungsphase an den Kontaktlinien zwischen Rolle und Taschenflanke Reibkräfte. So entstehen trotz der „Rekuperation“ der Trägheitsenergie in der Verzögerungsphase insgesamt Verluste (FRB und FRV). Weitere Reibverluste entstehen an der Kontaktfläche der treibenden Rolle (FRA) und an der Stützstelle des Käfigs (FRS). Bei der Beschleunigung der Rollen um ihre eigene Achse sind die Verhältnisse komplizierter: Dabei sind die „Haltekräfte“ am Berührungspunkt Rolle/Außenring infolge Zentrifugalkraft und Reibwert groß genug, um zusammen mit den Taschenkräften (-FB) die Beschleunigung der Rollen zu bewirken. Andernteils wirken die Reibkräfte an der Kontaktlinie Rolle/Käfigtasche bremsend auf die Rolle. Bezüglich Beschleunigung der Rollen um ihre Achse wirkt die Haltekraft nur kraftschlüssig. Die Laufbahn der Rollen ist nicht perfekt. Bei einem n*dm-Wert von 750.000 mm/min beträgt die Gleitgeschwindigkeit des Käfigs rund 72 km/h. Dadurch ist es möglich, dass sich am Außenring kein reines Abrollen ergibt, sondern eine Art „Rollgleiten“. Da die Reibungskoeffizienten an den beiden Kontaktstellen nicht genau bekannt sind, kann die effektive Beschleunigung der Rollen nur aufgrund der Versuchsresultate abgeschätzt werden. Im Extremfall ist sogar möglich, dass in der „Beschleunigungsphase“ die Bremskräfte in den Taschen überwiegen und die Rolle abgebremst wird. Zu beachten ist auch, dass die Verluste durch Gleiteffekte verursacht werden. Man kann also nicht mit einem bekannten Reibwert rechnen, sondern mit einem variablen Wert, der ähnlichen Gesetzmäßigkeiten folgt wie ein hydrodynamisches Gleitlager. Dazu kommt, dass die geometrischen Verhältnisse der „Lagerstellen“ zwischen Rolle und Käfigtasche einerseits und zwischen Käfig und Führungsbord anderseits völlig unterschiedlich sind. Die Berechnung der Reibwerte auf dieser Basis wurde primär für die Lagergrösse NU316 durchgeführt, um die Ergebnisse direkt mit den Versuchsresultaten vergleichen zu können. Weil es darum geht, die Plausibilität eines Faktors um 3 aufzuzeigen sind einige Vereinfachungen zulässig. Diese beeinflussen das Grundsätzliche minimal, lassen aber das Wesentliche viel leichter darstellen. Dies sind vor allem: n Die Wälzkörper sind in der Lastzone zwischen Innen- und Außenring eingespannt. Sie werden durch den Innenring angetrieben und treiben ihrerseits den Käfig an. Wir betrachten die ganze Antriebskraft auf eine Rolle konzentriert. n Die Beschleunigung der Wälzkörper durch den Käfig folgt ungefähr einem Sinusverlauf. Wir nehmen eine konstante Beschleunigung über den halben Umfang an. n Das Taschenspiel im Käfig wird nicht berücksichtigt. Die Prinzipskizze (Bild 05) zeigt folgendes: Auf den Käfig wirken folgende Kräfte: - Die Antriebskraft FA - Die Trägheitskräfte FB in der Beschleunigungsphase - Die treibenden Trägheitskräfte FV in der Verzögerungsphase - Die Stützkraft FS, welche den Käfig mit den vorerwähnten Kräften im Gleichgewicht hält - Die Reibkräfte FRA, FRB, FRV und FRS an den Kontaktstellen Die Reibungskräfte bewirken, dass nur ein Teil der Beschleunigungsenergie in der Verzögerungsphase wieder an den Käfig zurückgegeben wird. Die gesamten Reibungsverluste werden damit bestimmt durch die spielbedingte Exzentrizität mit den zyklischen Geschwindigkeitsschwankungen, den daraus resultierenden Kräften und den Reibungsverlusten an allen Kontaktstellen. Dabei können die Kontaktstellen nicht eindeutig definierten Lagerungstypen zugeordnet werden. Die Art der Reibung und die Größe der Verluste werden deshalb im Folgenden untersucht. 6. ANALYSE DES GLEITLAGERS Nachdem die Gleitlagerung die kritische Komponente des konventionellen Lagers ist, befassen wir uns genauer mit dessen Grundlagen. Im Idealfall wäre es ein hydrodynamisches Gleitlager. Im Bild 06 sind einige seiner typischen Kenngrößen ersichtlich. Eine der wichtigen ist die Sommerfeldzahl So. Die Formel dazu lautet: Dabei bedeuten: p spezifische Lagerbelastung ψ Verhältnis zwischen max. Betriebsspiel und Lager-∅ η dynamische Viskosität des Öles ω Winkelgeschwindigkeit Bei dieser Betrachtung zeigt sich sofort, dass die Verhältnisse bei der Lagerung des Käfigs und bei den Kontakten zwischen Käfigtasche und Rolle so weit von denjenigen normaler hydrodynamischer Gleitlager entfernt sind, dass sich die Lagerstellen im Rollenlager mit der Theorie des hydrodynamischen Gleitlagers nicht berechnen lassen. Insbesondere betrachten die diesbezüglichen Abhandlungen Verhältnisse von Lagerbreite zu Lagerdurchmesser im Bereich von 2 bis 1/8, normale Werte von ψ sind um 0.001 und typische spezifische Lagerbelastungen pm liegen um 5 N/mm 2 . Bei der Käfiglagerung im Aussenring sind die entsprechenden Werte für b/d um 0.02, für ψ um 0.005 und für pm um 0.03. Beim Kontakt zwischen Rolle und Käfig ist es vor allem der Wert ψ, der infolge der Flankenform die Anwendung der Formel illusorisch macht. Die Betrachtung der Gleitlager ist aber nützlich, um die charakteristische Abhängigkeit des Reibwertes von der Drehzahl zu sehen und Kennzahlen für die Reibwerte des konventionellen Wälzlagers zu bestimmen. n Abbildungen: Rudolf Gehring Literaturverzeichnis: Der Beitrag wird in der Ausgabe antriebstechnik 06/2022 fortgesetzt. [1] ETR, Eisenbahntechnische Rundschau 12/1995.:Bahnbrechende Neuerungen [2] SER, Schweizer Eisenbahn-Revue 12/2011: Fettgeschmierte Fahrmotorlager mit doppelter Lebensdauer bei der BLS [3] Konstruktion 48 (1996):neues Verfahren zur Berechnung der Reibung von Kugellagern [4] ETH Zürich: Webemarc/Dimensionieren/ Vorlesungsfolien Gleitlager [5] „Die Wälzlagerpraxis“ von Brändlein, Eschmann, Hasbargen, Weigand www.antriebstechnik.de antriebstechnik 2022/05 57