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antriebstechnik 5/2022

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antriebstechnik 5/2022

FORSCHUNG UND

FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG REIBUNG VON ZYLINDERROLLEN- LAGERN UM 2/3 REDUZIERT – TEIL 1 Das Zylinderrollenlager mit stützrollengeführtem Käfig (SG-Lager) hat seit über 20 Jahren im harten Einsatz als Bahnmotorlager seinen tiefen Reibwert und seine Betriebssicherheit bewiesen. Trotzdem wurden die Ursachen für dieses Phänomen bisher nie wirklich untersucht. Der nachstehende Artikel zeigt, dank welcher Eigenschaften und Gesetzmäßigkeiten die tiefen Reibwerte erreicht werden. 1. ENTWICKLUNGSGESCHICHTE Das in diesem Artikel als „SG-Lager“ bezeichnete Lager mit stützrollengeführtem Käfig wurde entwickelt, um Lagerausfälle zu vermeiden, welche bei Motorlagern von Lokomotiven nach einer Geschwindigkeitserhöhung von 125 auf 140 km/h häufig nach kurzer Zeit auftraten. Durch diese Geschwindigkeitserhöhung erhöhte sich neben der Gleitgeschwindigkeit an den Führungsflächen des Käfigs auch die Härte der Schläge durch Vibrationen. Die Folge war zeitweise Mangelschmierung an den Gleitkontakten, dadurch ein Heißlaufen und schlussendlich Blockieren der Lager. Mit anderen Worten: Die Einsatzgrenze der Wälzlager wird bestimmt durch interne Gleitlager. Diese handelsüblichen Lager werden nachfolgend als „konventionelle Lager“ bezeichnet. Mit dem SG-Lager wurde deshalb ein Lager entwickelt, bei dem die Gleitlagerung des Käfigs durch eine Wälzlagerung ersetzt wurde. Dabei werden in jedem Käfigbord 3 wälzgelagerte Stützrollen eingesetzt, welche den Käfig genau zentrisch im Außenringbord führen. Dieses Lager hat sich seit bald 30 Jahren als Motorlager von Universallokomotiven im schweizweiten täglichen Betrieb bewährt. Das Schweizer Schienennetz stellt mit seinen Flachund Bergstrecken sowie alpenquerenden Tunneln hohe Anforderungen. Dabei hat sich auch die Betriebssicherheit der SG-Lager als hervorragend erwiesen. Sie werden nach einem normalen Einsatzintervall revidiert und erneut eingesetzt. Mit den Erfolgen im Praxiseinsatz wurden die Erwartungen an die Betriebssicherheit voll erfüllt, deshalb wurden die Gründe für die tiefen Reibwerte bisher nicht genauer erforscht. Verschiedene Aspekte der Prüfstands- und Praxisresultate wurden in den Fachartikeln in der Eisenbahntechnischen Rundschau vom Dezember 1995 [1] und der Schweizer Eisenbahnrevue vom Dezember 2011 [2] beschrieben. Im vorliegenden Artikel werden nun die Ursachen der tiefen Reibwerte analytisch untersucht. 2. ZUSAMMENSETZUNG DES REIBWERTES VON KONVENTIONELLEN WÄLZLAGERN In den Katalogen der Wälzlagerhersteller werden meist drei Reibwerte für die verschiedenen Wälzlagertypen angegeben ■ Ein „globaler“ Reibwert µ. Dieser beträgt für Zylinderrollenlager 0,0013 [5] ■ Ein drehzahlabhängiger Reibwert mit einem Lagerbeiwert f o ■ Ein lastabhängiger Reibwert mit einem Lagerbeiwert f 1 . Hier ist aber der Lagerbeiwert f 1 nicht eine lineare Konstante für den lastabhängigen Anteil, sondern nur eine typenabhängige Kennzahl. Die Formel für das drehzahlabhängige Reibmoment lautet [5]: 52 antriebstechnik 2022/05 www.antriebstechnik.de

FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG Dabei bedeuten: M 0 drehzahlabhängiges Reibmoment f 0 Lagerbeiwert für diesen Reibmomentanteil n Drehzahl [min -1 ] ν kinematische Viskosität [mm 2 /s] dm mittlerer ∅ [mm] kM Konstante, damit das Moment in Nmm angegeben wird Der Lagerbeiwert f 0 ist für verschiedene Schmierverfahren unterschiedlich. Als Einflussgrößen für den Reibwert werden unter anderem angegeben: - Gleitreibung der Wälzkörper und des Käfigs - Flüssigkeitsreibung und Strömungswiderstände Versteckt und damit auch nicht quantifiziert sind in dieser Formel aber auch folgende Größen enthalten: - Die Beschleunigungskräfte, welche durch das zwangsläufige Spiel der Gleitführung, die dadurch bedingte Exzentrizität des Käfigs und die folglich zyklischen Schwankungen der Winkelgeschwindigkeit der Rollen und des Rollensatzes entstehen. Diese sind im Wesentlichen abhängig von der Umfangsgeschwindigkeit des Käfigs und dessen Führungsspiel und machen einen erheblichen Anteil an den Reibungsverlusten aus. Typisch ist dabei die Tatsache, dass diese Verluste generell, z. B. auch im Artikel von Dr. Ing. Th. Steinert in [3], als nicht von Interesse bezeichnet werden. Die Wirkung dieser Einflüsse ist demnach im Lagerbeiwert f 0 enthalten, Größe und Charakteristik ihres Einflusseses sind aber nicht erkennbar. Andernteils ist verständlich, dass sie in den katalogmäßigen Formeln nicht explizit erscheinen. Diese sind als Hilfsmittel für den Anwender ausgelegt und müssen für alle konventionellen Käfigausführungen gelten. In der Formel für den lastabhängigen Reibwert (Nachstehend kurz mit Last-Reibwert bezeichnet) kommen hingegen nur der typenabhängige Beiwert f 1 sowie die Lagerbelastung vor, beide linear. Der Lastanteil ergibt sich grundsätzlich aus der Hysterese der Wälzkörper durch deren elastische Verformung unter Belastung [3]. Interessant ist dabei das Verhältnis zwischen geschwindigkeitsabhängigem Anteil und Lastanteil. Die Formeln zeigen, dass der geschwindigkeitsabhängige Anteil oft um ein Vielfaches höher ist als der Lastanteil. Die Verhältnisse beim Lager N232, einem in Bahnmotoren häufigen Typ, sind in der Tabelle unten dargestellt (Dabei wird es zwangsläufig mit Ölschmierung eingesetzt, weil mit Fettschmierung die geforderten Drehzahlen nicht möglich sind). Typisch für den Bahneinsatz sind extrem schwankende Belastungen, Drehzahlen und Temperaturen sowie starke Vibrationen. 01 Lokomotive Re465 mit SG-Lagern Deshalb müssen sowohl Fett-Viskosität wie -Menge auf die jeweils schwierigsten Bedingungen abgestimmt sein. Im Vergleich nach der Tabelle betrachten wir deshalb zwei Varianten: - ungefähr konstante Antriebsleistung, aber gleiche Betriebsviskosität und - konstante Belastung und Betriebsviskosität, um den Einfluss der Drehzahl als einziger Variablen aufzuzeigen. Die in der Tabelle nach Herstellerkatalogen berechneten Reibwerte werden als Mittelwerte aus Versuchsreihen unter bestimmten Bedingungen nach Vorgaben von ISO bezeichnet (Bezugsdrehzahl in Abhängigkeit von Lagergröße und Lagerart, Temperaturdifferenz Lager zu Umgebung 50 °, Belastungsverhältnis C/P = 20. Betriebsviskosität ν neu 12 mm 2 /sec, früher 22 mm 2 /sec). Der Einfluss des Käfigs wird, wie bereits erwähnt, bei dieser Berechnung nicht respektive nicht ersichtlich berücksichtigt. In den Formeln ist auch nicht erkennbar, dass ein erheblicher Anteil der „Wälzlager-Rollreibung“ durch Gleitreibung verursacht wird. Diese ist hauptsächlich im drehzahlabhängigen Reibanteil enthalten. Die Tabelle macht auch klar, dass die „globalen“ Reibwerte nur grobe Richtwerte sein können. Sie zeigt, dass sie bei den Bezugsbedingungen recht gut stimmen und dass dabei die drehzahl- und Bezeichnung Betriebsart Drehzahl [1 / min] Last-Verhältnis C/P Betriebsviskosität [mm2/s] Drehzahlkennwert n*dm [mm/min] Reibmoment Mv im Leerlauf [Nmm] Leerlauf- Reibungszahl fv [Promille] Last-Reibungszahl fP [Promille] Reibungszahl gesamt [Promille] Verhältnis fv/fP Bezugsbedingungen Typische Betriebsdrehzahl bei Bahnlagern Drehzahl bei n*dm=1 Mio 2‘190 20 22 490‘000 1960 0.59 0.6 1.19 0.98 3‘600 20 22 810‘000 2730 0.82 0.6 1.42 1.37 3600 35 40 810‘000 4068 2.15 0.6 2.75 3.58 4‘444 20 22 1‘000‘000 3143 0.95 0.6 1.55 1.58 40 40 4681 2.82 3.42 4.7 www.antriebstechnik.de antriebstechnik 2022/05 53