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antriebstechnik 5/2019

antriebstechnik 5/2019

FORSCHUNG UND

FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG PEER REVIEWED NEUE POTENZIALE DURCH PARALLELISIERUNG BEIM 3D-DRUCK Um über den Status des Prototypenbaus und der Kleinserienfertigung hinaus zu kommen, benötigen 3D-Drucker innovative Antriebskonzepte zur Erhöhung der Druckleistung und Erschließung neuer Einsatzgebiete. Am Fachgebiet Maschinenelemente der Technischen Universität Dortmund ist im Projekt Big Print ein FLM-3D-Drucker entwickelt worden, der einen planaren Direktantrieb verwendet. Hierdurch werden höhere Beschleunigungen und Verfahrgeschwindigkeiten sowie die gleichzeitige Verwendung mehrerer Druckköpfe ermöglicht. Insbesondere für großvolumige Bauteile werden die Produktionszeiten deutlich reduziert. Das Schmelzschichtverfahren, engl. Fused Layer Modeling (FLM) und weithin bekannt unter dem Begriff Fused Deposition Modeling (FDM), einem eingetragenen Markennamen des Pionierherstellers Stratasys, gewinnt aufgrund der geringen Maschinenkosten zunehmend an Bedeutung. Nachdem im Jahr 2009 ein grundlegendes Patent hierzu ausgelaufen ist, werden heutzutage Desktop-Geräte angeboten, die bereits für wenige hundert Euro verfügbar sind [Hor14]; [Hag15]. Das Prinzip dieser Drucker besteht in der Relativbewegung zwischen Druckkopf und Druckbett in horizontaler x- und y-Richtung sowie dem vertikalen Verfahren in z-Richtung [Hor14]. Letztere Bewegung geschieht häufig durch eine vertikale Bewegung des Druckbetts, das nach Fertigstellung der jeweiligen Lage um die Schichtdicke verfährt. Üblich sind Schichtdicken von 0,1 bis 0,3 mm, sodass das Druckbett nach jedem einzelnen Schichtaufbau um diesen Betrag in z-Richtung bewegt wird. Ein prinzipiell vergleichbarer Aufbau ergibt sich, wenn der Druckkopf bei feststehendem Druckbett um den jeweiligen Betrag höher gefahren wird. Üblich für den Antrieb in z-Richtung sind Spindelantriebe [Hor14], vorzugsweise mit Kugelumlaufspindeln. Aufgrund der erforderlichen Dauer für den Schichtaufbau in einer Ebene ist das Verfahren in z-Richtung ein Vorgang, der keine besonders hohe Dynamik erfordert. 82 antriebstechnik 2019/05 www.antriebstechnik.de

PEER REVIEWED FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG Wesentlich höhere Anforderungen an die Dynamik stellt die Verfahrbewegung innerhalb der horizontalen Druckebene. Hierzu werden üblicherweise Achsen in kartesischen Koordinaten verwendet, wobei auch polare Koordinatensysteme möglich sind. Handelsübliche Desktopdrucker besitzen einen Druckraum, dessen Grundfläche 0,053 m² nicht übersteigt und dessen Höhe maximal 0,27 m beträgt. Da die größte Fläche und die größtmögliche Höhe nicht notwendigerweise zusammen verwendet werden, besitzen die größten Desktopdrucker einen Druckraum von 0,011 m³. Der Einsatz von Linearführungen und Zahnriemen als Achsantriebe weist jedoch gravierende Nachteile bei der Skalierung auf einen großvolumigen Bauraum auf: Aufgrund der relativ hohen bewegten Massen sind die Beschleunigungen und damit die erreichbaren Druckgeschwindigkeiten begrenzt. Nur sehr gute Drucker können qualitativ hochwertige Drucke bei einer Druckgeschwindigkeit von über 100 mm/s erreichen; bei noch höheren Geschwindigkeiten wird die Druckqualität i. d. R. deutlich beeinträchtigt. Die praktisch nutzbare Prozessgeschwindigkeit liegt häufig darunter, da die Beschleunigungsfähigkeit nicht ausreicht, um bei kleinen Bahnradien eine konstant hohe Geschwindigkeit aufrecht zu erhalten. Die stark variierenden Vorschubgeschwindigkeiten führen zu Fehldosierungen aufgrund dynamischer Effekte im Plastifizierungsbereich des Druckkopfes. Häufig werden erheblich höhere Verfahr geschwindigkeiten beworben, was jedoch nur für Stellbewegungen ohne Extrusion eine Rolle spielt. Die Geschwindigkeit entlang der z-Achse liegt oft unter 10 mm/s, da die Verfahrwege hier sehr klein sind. Höhere effektive Geschwindigkeiten können dennoch die Artefakte beim Schichtwechsel verringern, wobei stets die Relation zwischen maximal erreichbarer Geschwindigkeit, Beschleunigung und Bewegungslänge berücksichtigt werden muss [Hor14]. Die begrenzten Geschwindigkeiten und Beschleunigungen in x- und y-Richtung führen dazu, dass die Produktionszeiten hoch sind bzw. Bahnen mit größerem Querschnitt bei gleichzeitigem Detailverlust extrudiert werden müssen. Besonders bei Anlagen, deren Größe die der konventionellen Drucker übersteigt, wird diese Begrenzung deutlich. Selbst bei mittlerer Prozessauflösung errechnet die Software schnell unwirtschaftlich hohe Fertigungszeiten von mehreren Tagen. Weiterhin bedingen die wirkenden Massenkräfte bei größeren Druckern eine deutlich stabilere und stärkere Aus legung des Antriebssystems u. a. in Form von größeren Motoren, Zahnriemen sowie stabileren tragenden Elementen. Trotz dieser Maßnahmen sind auch bei hochwertigen Fertigungssystemen mechanische Schwingungen an Beschleunigungs- und Verzöge rungspunkten am fertigen Bauteil zu beobachten. Die konstruktiven Maßnahmen stehen dabei unmittelbar im Kontrast zum eigent lichen FLM-Prozess, bei dem nahezu keine Prozesskräfte auftreten. Diese entstehen durch Ablegen und Andrücken des Kunststoff stranges und sind im Vergleich z. B. zum Zerspanungsprozess annähernd vernachlässigbar. Ein weiterer entscheidender Nachteil bei konventionellen Druckern ist das Fehlen von mehreren unabhängig voneinander verfahrbaren Druckköpfen. Zwar existieren kartesische Drucker, bei denen an der Verfahreinheit zwei oder sogar mehr Druckköpfe installiert sind, um bspw. unterschiedliche Materialien verarbeiten zu können [Ult17]; [Sta17]. Bauartbedingt können diese aber stets nur parallel zueinander verfahren werden. Je nach Abstand der Druckköpfe zueinander können hier zeitgleich identische Objekte gefertigt werden. Es können allerdings weder gleichzeitig unterschiedliche Konturen eines Bauteils noch gleichzeitig zwei unterschiedliche Bauteile bearbeitet werden. Simultan unabhängig arbeitende Druckköpfe mit sich überschneidenden Druckbereichen können bei der derzeitig üblichen Bauweise aufgrund der Kollision der Achsen nicht sinnvoll realisiert werden. 01 Unterseite eines Läufers mit Spulen (helle Elemente) und dazwischenliegendem Harz 02 Stator mit daran hängenden Planarmotoren, Energieketten und Druckköpfen 03 Außenansicht des Big Print DER PLANARE DIREKTANTRIEB ALS HYBRIDSCHRITTMOTOR Der beim Projekt Big Print eingesetzte planare Direktantrieb, auch Planarmotor genannt, ist ein planarer Hybridschrittmotor, bestehend aus mehreren Läufern und einem Stator. Die Größe der überfahrbaren x-y-Fläche wird allein durch den Stator bestimmt, auf dem sich die Läufer frei bewegen können. Kennzeichnend für derartige Antriebe ist, dass keine externen Achsen für die Bewegung des Läufers erforderlich sind, sondern dieser die elektromagnetischen Kräfte für Stell- bzw. Vorschubbewegungen durch integrierte Wicklungen aufbaut. Gleichzeitig erfüllt das Magnetfeld die Aufgabe der Führung und Verdreh­ www.antriebstechnik.de antriebstechnik 2019/05 83