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antriebstechnik 5/2018

antriebstechnik 5/2018

GETRIEBE UND

GETRIEBE UND GETRIEBEMOTOREN Mehr Energieeffizienz, mehr Verfügbarkeit Neue Hauptantriebe sorgen für Energieeffizienz in Holzwerkstoffpressen Energieeffiziente Antriebssysteme tragen in vielerlei Hinsicht dazu bei, Anlagenbetreibern beachtliche Vorteile zu erschließen. Sie senken Produktionskosten und reduzieren CO 2 -Emissionen. Zudem tragen sie dazu bei, die Betriebskosten über den gesamten Lebenszyklus einer Anlage zu senken. Erfahren Sie, wie die neuen Hauptantriebe von Siempelkamp das bewerkstelligen. Die Erhöhung der Energieeffizienz elektrischer Antriebe ist in der EU mit den Richtlinien 2009/125/EG und IEC60034- 30-1 vorgeschrieben. Diese verlangen seit 1. Januar 2017 die Einhaltung der gesetzlich geforderten Mindestwirkungsgrade IE3 (Premium Efficiency) für Leistungen von 0,75 bis 375 kW. Die neue Normenreihe DIN EN 50598 geht noch einen Schritt weiter und betrachtet nicht nur Einzelkomponenten, sondern die Energieeffizienz kompletter Antriebssysteme [1; 2]. Diese Ziele erfordern neue Motorkonzepte, wie z. B. Synchron-Reluktanz- oder noch besser Synchron-Maschinen mit Permanentmagnet-Erregung (PM-S). Siempelkamp stellt sich diesen Herausforderungen mit einem neuen Antriebskonzept. Der international agierende Maschi- Dr. Hans Fechner, Sprecher der Geschäftsführung, G. Siempelkamp GmbH & Co. KG in Krefeld; Petra Janßen, mechanische Konstruktion, Pedro Robles-Malagrino, Gruppenleiter Projektmanagement Automatisierungstechnologie, und Werner Schischkowski, Leiter Automatisierungstechnologie; Siempelkamp Maschinen- und Anlagenbau GmbH in Krefeld und Dr. Jochen Schörner leitet das BJS Ingenieurbüro in Vornbach nen- und Anlagenbau-Spezialist hat sich entschlossen, für die ContiRoll-Hauptantriebe zukünftig neu entwickelte, mittelschnell laufende PM-Synchronmaschinen mit geringer übersetzenden Getrieben zu verwenden – den ContiRoll Ecodrive. Dieses Konzept ersetzt die bisherigen schnell laufenden Asynchronmaschinen mit hochübersetzenden Getrieben. Mittelschnell laufende PM-Synchronmaschinen mit geringer übersetzten Getrieben, erhöhen den Gesamtwirkungsgrad und die Verfügbarkeit. Zudem weisen sie eine bessere Regeldynamik auf. Anforderungen an die Hauptantriebe Die Haupt(walzen)antriebe der ContiRoll müssen für das gesamte Produktspektrum der Holzplatten ausgelegt werden, d. h. für das größte Druckprofil bei „dicken“ Platten, also größtes Bemessungsdrehmoment M N und die größte Produktionsgeschwindigkeit bei „dünnen“ Platten, also größte Bemessungsdrehzahl n N . Damit gilt für die Bemessungsleistung P N des Antriebs näherungsweise: P N ~ M N × n N . Für die grundsätzlichen Betrachtungen werden hier eventuell größere Anfahrdrehmomente M max > M N oder Feldschwächbereiche mit n max > n N außer Acht gelassen. Aus der Antriebsauslegung folgt, dass die Hauptantriebe produktionstechnisch überwiegend zwischen den beiden Grenzen betrieben werden, d. h. im Teillastbereich. Folglich muss ein energieeffizienter Antrieb nicht nur im Bemessungs-, sondern auch im Teillastbereich einen sehr guten Wirkungsgrad aufweisen. Dies bildet die Grundlage des neuen Antriebskonzepts. Vergleich der Antriebskonzepte Energieeffizienz Energetisch gesehen steht das Ecodrive- System für folgende Vorteile (Tabelle 02): n Getriebe: Die maximale Motorausgangsdrehzahl ist mit 422 1/min deutlich geringer als beim alten System. Damit kommt man mit einem zweistufigen Getriebe im Vergleich zu einem vier- oder fünfstufigen aus. Dies führt zu weniger Zahneingriffen und kleineren Planschverlusten der schnell laufenden Stufen. Daraus resultieren ein besserer Wirkungsgrad und eine geringere Beanspruchung. 28 antriebstechnik 5/2018

GETRIEBE UND GETRIEBEMOTOREN n Elektrische Maschine: Im Vergleich zur Asynchronmaschine benötigt die PM- Synchronmaschine keinen über den Ständer zugeführten Magnetisierungsstrom und hat systembedingt keinen Schlupf. Damit entfallen die Läuferverluste, die bei Asynchronmaschinen, z. B. im Volllastbereich, ca. 30 % der Gesamtverluste betragen. Im Teillastbereich, z. B. bei kleinem Drehmoment, sind zwar auch bei der Asynchronmaschine die Läuferverluste gering, aber die Ständerverluste des Magnetisierungsstroms zur Bildung des Magnetfeldes sind weiterhin vorhanden. Bei der PM-Synchronmaschine hingegen wird das Magnetfeld weitgehend verlustfrei durch die Magnete erzeugt. Die drehzahlabhängigen Verluste (Reibung) spielen bei beiden Konzepten eine untergeordnete Rolle. Die Eisenverluste der beiden Konzepte unterscheiden sich je nach Polzahl und Speisefrequenz, sind aber bei intelligenter Auslegung für den Gesamtwirkungsgrad weniger entscheidend. Diese Grundsatzanalyse mit energetischen Vorteilen für den ContiRoll Ecodrive soll durch Vergleichsmessungen bestätigt werden. Die Messungen erfolgten back to back (Bild 01) in verschiedenen Anordnungen, um auch die Einzelverluste für Motoren und Getriebe zu erfassen. Aus Aufwandsgründen wird hier auf deren Darstellung verzichtet. Energetische Vergleichsmessungen Für eine möglichst genaue Analyse wurde die direkte Methode gewählt, d. h. die direkte Messung von elektrisch aufgenommener Leistung des Motors P el und mechanischer Ausgangsleistung P mech des Getriebes. Verwendet wurden dabei hochgenaue umrichtergeeignete Messgeräte für die elektrischen und mechanischen Werte. Aus diesen Messwerten kann man Antriebswirkungsgrade mit sowie die Antriebsverluste für den gesamten Betriebsbereich ermitteln. Bild 02 zeigt in der Gegenüberstellung zwei gemessene Wirkungsgradkurven η ges der beiden Antriebssysteme für Voll- und Halblast. Hier veranschaulicht sich die deutliche Wirkungsgradverbesserung von z. B. 15 Punkten im Teillast-, d. h. im Hauptarbeitsbereich. Ausgehend von den mechanischen und den zugehörigen elektrischen Leistungen der beiden Systeme ergeben sich für ein typisches Beispiel die in Tabelle 02 dargestellten jährlichen Energieeinsparungen. Verbesserte Regeldynamik Die Regeldynamik der Walzenhauptantriebe beeinflusst die Qualität des Endproduktes Holzplatte entscheidend, z. B. in Bezug auf Gleichmäßigkeit und Homo genität – insbesondere bei hohen Bandgeschwindigkeiten. Eine hohe Regeldynamik ist dementsprechend die maßgebliche Voraussetzung für ein hochwertiges Holzprodukt. Deshalb handelt es sich schon bei den bisherigen schnelllaufenden Mehr motorenantrieben um Regelkonzepte mit Servoeigenschaften. Mit dem neuen, mittelschnell laufenden Einmotoren- Antrieb ergeben sich weitere regeltechnische Vorteile: n Kopplung Motor/Getriebe: Aufgrund der neuen Geometrie ist die Kopplung Motor/ Getriebe deutlich steifer als bisher n Getriebelose: Aufgrund der geringeren Übersetzung ist die Getriebelose kleiner, mit geringerer Gefahr zu instabilen Grenzzyklen (Getrieberattern) n Master-Slave-Verhalten: Bei Mehrmotoren-Antrieben für die gleiche Mechanik nimmt einer die Rolle des Hauptantriebes ein, die weiteren sind Folgeantriebe; dies bedeutet regelungstechnisch einen dynamischen Schleppfehler zwischen den Antrieben, der einer zeitlichen Verzögerung gleichkommt n Resümee: Alle drei Einflüsse ermöglichen neue Reglerparameter für ein verbessertes Führungs- und Störverhalten; dies reduziert die Regelabweichungen und steigert die Produkthomogenität Darüber hinaus lässt sich der Inbetriebnahme- und Serviceaufwand deutlich reduzieren, indem z. B. ein Drei-Wellengetriebe mit zwei Motoren durch ein Zwei-Wellengetriebe mit einem Motor ersetzt wird. Konstruktiver Aufbau Der Aufbau von Motor und Getriebe wurde so ausgelegt, dass auf die Hauptwalzen lager kaum zusätzliche Kräfte einwirken und das Getriebe am Ausgang mechanisch kompatibel zu der jetzigen Ausführung ist. Deshalb sind jederzeit Nach-/Umrüstungen mit dem Ecodrive auch bei bereits ausgeführten Anlagen möglich. Außerdem wurden Motor und Getriebe standardisiert, sodass man mit wenigen Einheiten alle ContiRoll-Anlagen mit Antriebsleistungen > 250 kW ausrüsten kann. Dies verringert die Lagerhaltung und beschleunigt Servicemaßnahmen, d. h. erhöht die Verfügbarkeit. Eine weitere Erhöhung der Verfügbarkeit lässt sich durch zusätzliche Condition-Monitoring-Systeme realisieren. Condition Monitoring des Systems Die Betrachtungen beziehen sich auf den Antrieb, d. h. die Motor- und Getriebeüberwachung während des Betriebs. Natürlich gehören zur Erhöhung der Verfügbarkeit auch die vom Hersteller vorgeschriebenen sonstigen Wartungen. Motor: Nach einschlägigen Statistiken der Antriebstechnik werden Motorausfälle 01 Back to back-Messanordnung für den neuen Antrieb 02 Gemessene Wirkungsgrade η ges für beide Antriebssysteme (Motor und Getriebe) in Abhängigkeit von der Walzendrehzahl n W bei 50 und 100 % Last antriebstechnik 5/2018 29