Aufrufe
vor 6 Jahren

antriebstechnik 5/2017

antriebstechnik 5/2017

KOMPONENTEN UND SOFTWARE

KOMPONENTEN UND SOFTWARE Faktum oder Mythos? Über die Gehäusesteifigkeit am Getriebe – Teil 1 Durch die Gehäusesteifigkeit beeinflussen die Lagerreaktionskräfte die Lagerposition der Wellen. Das alleine ist jedoch noch keine Aussage über den Einfluss der Gehäusesteifigkeit auf die Laufeigenschaften der Verzahnungen, wie Lastverteilung oder Geräuschanregung. Diese werden zusätzlich durch die Durchbiegung der Wellen mit Lagernachgiebigkeiten, durch die Verzahnungstoleranzen und thermische Verlagerungen beeinflusst. 01 Kegel-Stirnradgetriebe mit Kegelradverzahnung als Eingangsstufe und zwei Stirnradstufen Dipl.-Ing. Jürg Langhart ist im technischen Vertrieb und Dr.-Ing. Ioannis Zotos in der Entwicklung tätig, beide bei der Kisssoft AG in Bubikon/Schweiz B eim vorliegenden Getriebe handelt es sich um ein Kegel-Stirnradgetriebe der Firma Kissling AG aus dem schweizerischen Bachenbülach, mit einer Nennleistung von 600 kW. Das Getriebe ist im Temperaturbereich von 45 bis 60 °C, kurzzeitig bis 80 °C, im Einsatz, wobei die schnelllaufenden Verzahnungen und Wellen leicht höhere Temperaturen aufweisen können. Das Getriebegehäuse besteht aus EN-GJS 40.3 und ist mit zahlreichen versteifenden Verrippungen versehen, wie es bei Industriegetrieben üblich ist. In der Untersuchung werden die Stirnradverzahnungen und die Kegelradverzahnung betrachtet (Bild 01). Die Stirnradstufen sind Schrägverzahnungen mit Normalmodul 8 bzw. 12 mm. Die Verzahnungen sind nach dem Härten geschliffen, mit einer Verzahnungsqualität von IT = 6. Die Wellen sind jeweils mit zwei Pendelrollenlagern beidseitig gelagert. Die Kegelradverzahnung ist eine 17:37 Übersetzung mit einem Tellerrad-Außendurchmesser von 460 mm, in Klingelnbergs Zyklo- Palloid-Verfahren hergestellt. Die Verzahnung ist HPG hartfein bearbeitet. Die Ritzelwelle ist mit einem gepaarten Kegelrollenlager und − für die Aufnahme der Radialkräfte – nahe dem Ritzel mit einem Pendelrollenlager gelagert. Die Tellerradwelle ist mit zwei Pendelrollenlagern beidseitig gelagert. Ablauf der Untersuchung Von Interesse ist hier insbesondere, wie groß die einzelnen Einflüsse des Getriebes auf die erforderliche Verzahnungskorrektur sind. Die Verzahnungen werden einerseits mit der Kontaktanalyse bewertet. Für die Stirnräder stellt zusätzlich die ISO 6336-1, Anhang E, eine schnelle und realistische Beurteilung der Lastverteilung bereit. Um die wichtigsten Einflussgrößen für das Laufverhalten in dieser Untersuchung miteinzubeziehen, werden die folgenden Punkte betrachtet: n Einfluss der Wellendurchbiegung inkl. Nachgiebigkeit der Lager n Einfluss der Herstelltoleranzen von Verzahnungen und Achslagegenauigkeit n Einfluss der Gehäusenachgiebigkeit und Wärmeeinfluss bei 80 °C. 02 Berechnung der Lastverteilung nach Anhang E (links) und Kontaktanalyse (rechts) 46 antriebstechnik 5/2017

KOMPONENTEN UND SOFTWARE 03 Erforderliche Breitenkorrekturen aufgrund der Wellendurchbiegung und Lagernachgiebigkeiten 04 Linienlast ohne Breitenkorrekturen (links) und mit Breitenkorrekturen (rechts) 05 Definition der Flankenlinien- Abweichungen nach ISO 1328 06 Definitionen der Achslage- Abweichungen nach ISO/TR 10064-3 Für die Lage der Verzahnungen, und somit das Klaffen im Zahneingriff, ist eine realistische Modellierung der Wellenverlagerungen und Wellendurchbiegungen maßgebend, sowohl in axialer wie in radialer Richtung. Aufgrund der Verzahnungseigenschaften ist bei Stirnradverzahnungen die axiale Verlagerung jedoch relativ unwichtig, weil sich leichte axiale Verschiebungen im Zahnkontakt kaum bemerkbar machen. Bei Kegelradverzahnungen hingegen sind die Wellen bezüglich der axialen Lage sehr genau zu modellieren, weil diese in die H-Verlagerung (für das Ritzel) und J-Verlagerung (für das Tellerrad) eingeht. Somit müssen bei Kegelradverzahnungen Einflüsse wie die Abstützung der Axialkraft innerhalb des Gehäuses sowie die Wärmedehnungen der Wellen genauer betrachtet werden. Methoden zur Zahnkontaktbeurteilung Die Beurteilung des Zahnkontaktes unterteilt sich sinnvollerweise in eine Flankenlinienbewertung und eine gesamtheitliche Evaluation über den gesamten Zahneingriff. Für diese Bewertungen können verschiedene Methoden angewendet werden. Für die Beurteilung der Breitenlastverteilung liefert die ISO 6336-1 im Anhang E [1] eine sehr nützliche Methode zum Erzielen eines realistischen Werts, welche deutlich schneller ist als die gesamtheitliche Kontaktanalyse unter Last. Bei dem Algorithmus nach Anhang E handelt es sich im Wesentlichen um eine eindimensionale Kontaktanalyse, welche die tatsächlichen Wellendeformationen aufgrund der Wellengeometrie sowie den Lagerungen berücksich- 07 Ermittlung der Achslage-Abweichungen der Wellen mittels der Gehäusetoleranzen tigt und gute Angaben zur Lastverteilung über der Zahnbreite liefert. Aus der Lastverteilung wird das Klaffen in der Eingriffsebene bestimmt. Die Methode und deren Anwendung wurden schon mehrfach von Kisssoft aufgezeigt [2]. Relativ neu ist die Berücksichtigung der zusätzlichen Lastfaktoren KA und KV in der Berechnung der Breitenlastverteilung. Diese antriebstechnik 5/2017 47