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antriebstechnik 5/2017

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Sieben Tonnen auf

Sieben Tonnen auf Präzisionskurs Elektroantriebe mobilisieren Schwerlast-Spannsysteme Als der Spanntechnik-Spezialist Witte auf Basis seiner bislang größten Sandwichplatte ein mobiles Schwerlast-Spannsystem für den Einsatz in der Automobil-Industrie realisieren musste, vertraute das Unternehmen auf Antriebseinheiten aus Walluf. Michael Stöcker ist Freier Fachjournalist aus Darmstadt Sanft und leichtfüßig sieht es aus, wenn sie Fahrt aufnimmt. Gleich einer Segelyacht beim vorsichtigen Manövrieren im Hafenbecken gleitet sie durch den Raum. Ihrer beinahe 7 t Gesamtgewicht zum Trotz gibt sie bis auf ein leises Surren und das obligatorische Sicherheitspiepen kaum einen Laut von sich. Die Rede ist von der bislang größten Sandwichplatte (SWPL) von Witte. Durch den Einsatz moderner Steuerungs- und Antriebstechnik hat das Unternehmen ein mobiles Schwerlast-Spannsystem realisiert, mit dem sich bis zu 2,5 t schwere Werkstücke fixieren, sicher transportieren und positionieren lassen. Die bislang Größte ihrer Art Erstmals Anfang der 2 000er-Jahre vorgestellt, wurde die Sandwichplatte inzwischen konzeptionell weiterentwickelt. So lassen sich frei verfahrbar oder über Transpondertechnik angelegte Wegstrecken komplette Karosseriehälften durch verschiedene Prozessstufen dirigieren. Vielfach agiert die Platte dabei nicht nur als Träger von Werkstück-Fixierungen, sondern auch als intralogistische Schnittstelle zwischen Messtechnik-Räumen und Fertigungslinien. „Der technologische Charme unserer Sandwichplatte liegt in ihrer grundsätzlichen Branchenunabhängigkeit und der Option, sie anwendungsspezifisch anzupassen. Daher ist beinahe jede SWPL eine kundenorientierte Sonderlösung“, sagt Lutz Kathmann, bei Witte für den Bereich Konstruktion verantwortlich. Er berichtet weiter, dabei gäben meist die Faktoren Verfahr- und Positioniergenauigkeit, Materialfluss-Optimierung sowie Effizienz und Mobilität den Rahmen vor. Ähnlich verhielt es sich als Witte den Auftrag erhielt, ihre mit Außenmaßen von 8 × 2,4 m bislang größte mobile SWPL zu realisieren – in neunfacher Ausfertigung. An der Oberseite mit Anpassungsfähige Antriebslösung Anwendungsvideo Die integrierten Synchronmotoren der Baureihe HBI bieten Antriebslösungen für Maschinenund Anlagenbauer, die sich in jede Umgebung einfügen lassen. Ihre Ansteuerung und die Eingabe ihrer Sollwertvorgaben erfolgen über CANopen-Interfaces, die Positionierfahrt der Antriebssysteme unterstützt absolute und relative Zielvorgaben. Referenziert wird auf Endschalter, mechanischen Endanschlag oder aktuelle Position. Die Parametrierung über die serielle Schnittstelle RS232 erfolgt mit der Software D Serv, der Anschluss über drehbare Steckverbinder. Die Motoren sind ausgelegt für Umgebungstemperaturen von bis zu 40 °C und entsprechen der Schutzart IP54. http://bit.ly/2ooUXNv 20 antriebstechnik 5/2017

ELEKTROMOTOREN 01 Die SWPL wurde für den Einsatz in einem Werk zur Produktion von Kleintransportern entwickelt 02 Die HBI-Motoren fügen sich passgenau in die Konstruktion des Antriebsaggregats ein 03 Die Motoren sind Drehstromsysteme mit integrierter Regelelektronik und stellen eine Kleinspannungslösung für Ein- und Mehrachsen-Anwendungen dar genau 1 838 Passbuchsen in einem 100-mm-Raster nach ISO-Toleranz js7 versehen, sollten diese gewaltigen Sandwichplatten als motorgetriebene und funkgesteuerte Aufspann- und Fördereinheiten in der Qualitätssicherung für die Produktion von Kleintransportern zum Einsatz kommen. „Unser Kunde benötigte ein verfahrbares Schwerlast-Spannsystem, mit dem er große Fahrzeug-Komponenten mit bis 2,5 t Gewicht bei minimalem Geräuschpegel transportieren und positionieren kann. Außerdem sollten die Sandwichplatten auch im Automatikbetrieb navigieren und steuerungstechnisch kommunizieren können“, berichtet Kathmann. Angesichts der komplexen Anforderungen verließen sich die Entwicklungsingenieure nicht allein auf ihre konstruktiven und spanntechnischen Inhouse-Kompetenzen, sondern holten zwei externe Spezialisten ins Boot. Während sie auf dem Gebiet der Elektro- und Steuerungstechnik die Erfahrung des Lüneburger Unternehmens GEM abriefen, wandten sie sich für die antriebstechnischen Fragestellungen an Engel Elektroantriebe mit Firmensitz in Walluf bei Wiesbaden. Hohe Drehmomente abrufbar Das Interesse des Konstruktionsteams konzentrierte sich vor allem auf die Baureihe HBI. Die hier zusammengefassten Synchronantriebe sind leistungsstarke Drehstromsysteme mit integrierter Regelelektronik für 24/48 VDC, einer Kleinspannungslösung für dezentrale Ein- und Mehrachsen-Anwendungen zum Fördern, Transportieren und Positionieren. „Zu den Vorteilen unserer HBIs gehört eine hochauflösende Winkelerfassung mit linearem Hallsensor-System, was diese Komplettsysteme zu einer hochdynamischen und präzise regelbaren Antriebslösung mit gleichmäßiger Drehmomententwicklung macht“, erklärt Thomas Preußer, Geschäftsführender Gesellschafter von Engel. Hinzu kommt das kompakte Design der integrierten Antriebe – sie eignen sich für Konstruktionen, die für den Einbau von Motoren nur wenig Platz lassen. Dieser Aspekt war für die Integration in das Fahrwerk der etwa 300 mm flachen Platten von zentraler Bedeutung. Angesichts der 4,5 t Eigengewicht der Sandwichplatten erschienen die HBI-Antriebe der oberen Leistungsklassen angemessen für deren Mobilisierung. Die Entscheidung fiel auf den HBI3790 in der 48-V-Ausführung. Bei Drehzahlen von bis zu 4 000 min -1 erreicht das System Drehmomente von 3,1 Nm und stellt bis zu 485 W bereit. „Mit seiner Kombination aus hoher Leistung, exzellenter Verfahrgenauigkeit und schlanker Bauweise ist dieses integrierte System die optimale Lösung für die Antriebsaggregate im Fahrwerk unserer Sandwichplatten“, betont Kathmann. Witte setzte ursprünglich auf luftgelagerte, pneumatische Antriebslösungen – der Wechsel zur elektrischen Antriebstechnik sei ein Ergebnis der positiven Erfahrungen, die man mit den Motoren aus Walluf machte. Kathmann bestätigt: „Wir haben die Zusammenarbeit mit Engel bereits bei einigen SWPL-Projekten jüngeren Datums schätzen gelernt.“ Das Fahrwerk der Sandwichplatten ist eine komplexe Konstruktion, bei der sich mehrere voneinander unabhängige Antriebs- und Lenkrollen die Arbeit teilen. Für den Antrieb sorgen zwei Duplex-Antriebe, in denen jeweils zwei Motoren über Zahnriemen zwei Schwerlastrollen antreiben. Acht Lenkrollen-Module, bestehend aus 360°- Drehelementen mit jeweils drei Schwerlast-Doppelrollen, stellen Unsere HBIs sind hochdynamische und präzise regelbare Antriebslösungen Thomas Preußer, Geschäftsführender Gesellschafter, Engel Elektroantriebe gleichzeitig die hohe Beweglichkeit der SWPL sicher. Am Zielort werden Fahrwerk und Duplex-Antriebe ins Innere der Platte eingefahren, die SWPL wird auf ihren Stellfüßen abgesetzt. Die Energieversorgung der Antriebe erfolgt über leistungsstarke Akkus, die während des Stillstandes geladen werden. Kommunikation über CAN-Bus Manövriert und navigiert wird die Sandwichplatte durch das Zusammenspiel der vier HBI-Rollenantriebe und acht Lenkrollen- Einheiten. Dies geschieht über die Steuerung, die mit der integrierten Regelelektronik direkt über CANopen kommuniziert. Zur Steuerungsprogrammierung und -bedienung verfügt die Platte an der hinteren Stirnseite über ein vierfarbiges, schwenkbares Touch-Screen-Panel und ein Tastenfeld. Der sich hier befindliche Monitor bezieht sein Bewegtbild von einer in die vordere Stirnseite eingebauten Kamera. In der Praxis wird die SWPL über eine handliche Konsole ferngesteuert. „Nicht zuletzt dank der HBI- Antriebe von Engel lässt sich unsere Schwerlast-Sandwichplatte trotz ihrer Größe und trotz ihres Gewichts selbst bei voller Zuladung ganz harmonisch fahren und mit hoher Genauigkeit positionieren“, betont Kathmann. Die verwindungsfreie Konstruktion und statische Stabilität der SWPL gewährleisten die sichere Fixierung aller Werkstücke und Vorrichtungen und die Durchführung aller Bearbeitungsschritte. Damit die Aufbauten auf dem Transportweg angemessen gesichert sind, überwachen sechs Safety Laserscanner mit fahrrichtungsabhängigen Warn- und Schutzfeldern alle Bewegungen der Platte. Sechs Not-Aus-Schalter runden das Sicherheitskonzept ab. Fotos: Engel und Witte www.engelantriebe.de; www.witte-barskamp.de antriebstechnik 5/2017 21