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antriebstechnik 5/2015

antriebstechnik 5/2015

KOMPONENTEN UND SOFTWARE

KOMPONENTEN UND SOFTWARE Der Werkstoff zählt Energieeffizienz- und Leistungssteigerung durch optimierte Stahlsorten Oliver Rösch Die Notwendigkeit Energie einzusparen, kann heutzutage sicherlich zu den Megatrends in Industrie und Wirtschaft gezählt werden. In Zusammenarbeit mit der Hirschvogel Umformtechnik GmbH hat die Georgsmarienhütte GmbH verschiedene Stähle entwickelt, die wesentlich zur Energieeinsparung beitragen können. Über zwei Stähle erfahren Sie hier mehr. Ausgehend von den immer knapper werdenden Ressourcen Energie und Zeit ergeben sich die aktuellen Anforderungen der Automobilindustrie. Diese werden durch strikte gesetzliche Vorgaben, wie z. B. für den CO 2 -Ausstoß, noch verstärkt. Auch die Einführung der EEG-Umlage und des Emissionshandels haben den Handlungsdruck auf die Automobilindustrie, aber auch auf Schmieden und Stahlwerke deutlich erhöht. Die Bereitstellung des „auf die Anwendung passenden“ Stahlwerkstoffes spielt bei der Beantwortung dieser aktuellen Megatrends eine große Bedeutung. Die gute Zusammenarbeit zwischen Stahlhersteller und Stahlanwender ist dabei unerlässlich, gewährleistet sie doch die zielgerichtete und effiziente Entwicklung neuer Stähle. Neben der Erarbeitung eines präzisen Lastenhefts für die mechanisch-technologischen Eigenschaften der neuen Stähle wird auch die gleichzeitige Einbindung in Kon- Oliver Rösch ist Leiter Anwendungsentwicklung bei der Georgsmarienhütte GmbH in Georgsmarienhütte zepte für energie- und kosteneffektive Prozessrouten sichergestellt. Somit können neuentwickelte Stähle mit angepassten Fertigungskonzepten deutlich zur Steigerung der Energieeffizienz und der Wirtschaftlichkeit beitragen. Bild 01 zeigt die Erfüllung des sogenannten „20-20-20-Ziels“. Diese leiten sich aus dem EU-2030-Klima- und Energierahmen ab. In diesem Rahmen haben sich die EU-Mitgliedsstaaten verpflichtet die Treibhausgasemission um mindestens 20 % gegenüber 1990 zu reduzieren, einen Anteil von 20 % erneuerbarer Energien am Gesamtenergieverbrauch zu erreichen und ihre Energieeffizienz um 20 % zu erhöhen. Zusammenarbeit beim Prozess Die Erreichung der Ziele des neu entwickelten Stahls und somit die genaue Erfüllung der Anforderungen des fertigen Bauteiles stellt für jeden einzelnen Schritt am Produktionsprozess eine Herausforderung dar. Bei der Georgsmarienhütte wurde deshalb bereits früh das Know-How der einzelnen Prozessverantwortlichen zusammen mit dem Kunden in einem Projektteam gebündelt. Auch den Anforderungen des Werkstoffes an optimierte Prozessketten kann auf diesem Wege frühzeitig Rechnung getragen werden. Die hier vorgestellten neuen Stähle wurden zusammen mit der Hirschvogel Umformtechnik GmbH entsprechend dem gerade beschriebenen Prozess entwickelt. Bei den Stählen handelt es sich um den H2 Struktur und den H50. Beim Stahl H2 handelt es sich um einen mikrolegierten, bainitischen Stahl. Dieser kann sowohl warm oder halbwarm um geformt werden und erreicht die gewünschten mechanischen Eigenschaften durch eine kontrollierte Luftabkühlung. Außerdem kann dieser Stahl auch als Einsatzstahl verwendet werden. Die zweite Stahlentwicklung H50 weist einen mittleren Kohlenstoffgehalt auf und ist besonders für die Halbwarmumformung geeignet, der sich eine induktive Härtung anschließt. Bainite für Strukturkomponenten Die wachsende Bedeutung der Energieeffizienz gilt sowohl für den Herstellungsprozess als auch für den Energieverbrauch der fertigen Komponenten und natürlich des Endproduktes. 54 antriebstechnik 5/2015

KOMPONENTEN UND SOFTWARE 02 01 01 Aktueller Trend bei der Erfüllung der 2020 Energieeinsparziele [2] 02 Vergleich der Prozessschritte eines mikrolegierten bainitischen Stahles mit einem Vergütungsstahl 03 Liegerungszuschlag für ausgewählte Stahlsorten 03 Als Lösung bietet sich die Kombination der Vorteile von verschiedenen Legierungs- und Wärmebehandlungssystemen an. Ausscheidungshärtende Stähle wie die AFP-Stähle erhalten ihre mechanischen Eigenschaften direkt nach dem Schmieden durch eine gesteuerte Abkühlung der Bauteile aus der Schmiedehitze. Eine nachfolgende Wärmebehandlung kann entfallen, wodurch Prozesskosten gespart werden. Oft kann sogar auf das Richten der Bauteile und die damit notwendige Risskontrolle verzichtet werden. Im Vergleich zu Vergütungsstählen zeigen diese Stähle allerdings eine geringere Streckgrenze und Kerbschlagarbeit. Der neuentwickelte, mikrolegierte H2 Struktur nutzt dieses Potential und bietet sowohl die Vorteile der ausscheidungshärtenden AFP- Stähle als auch der Vergütungsstähle. Somit können neben kurzen Prozesszeiten gleichzeitig gute mechanische Eigenschaften erreicht werden. Ein großer Vorteil des H2 Struktur liegt in seinem kostengünstigen Legierungskonzept ohne die Verwendung von Molybdän als Legierungselement. So zeigt das Bild 03 die Entwicklung des sogenannten Legierungszuschlages verschiedener Stähle über die letzten Jahre. Zusammen mit den dadurch entstehenden möglichen Einsparungen in der Wärmebehandlung erlaubt damit der H2 Struktur die Herstellung von kostengünstigen sowie hochfesten Bauteilen. Tabelle 1 vergleicht am Beispiel von Injektorkörpern aus modernen Dieseleinspritzsystemen die mechanischen Eigenschaften von Bauteilen, welche aus drei verschiedenen Stählen konventionell geschmiedet wurden. Es ist deutlich zu erkennen, dass der lufthärtende H2 Struktur die gleichen mechanischen Eigenschaften erreicht wie der Vergütungsstahl 42CrMo4 04 Beispiele für Bauteile aus H2 Struktur Warmgeschmiedetes Rail für eine Dieseleinspritzsystem (links) und eine kaltumgeformte Getriebewelle (rechts) Tabelle 1: Mechanische Eigenschaften von warmgeschmiedeten Injektorkörpern [4] und zwar sowohl für die Streckgrenze als auch für die Kerbschlagarbeit. Hohe Werte für Streckgrenze und Kerbschlagarbeit könnten zu einem verschlechterten Zerspanungsverhalten führen. Jedoch zeigen Zerspanungsversuche, die am ISF in Dortmund an verschiedenen Stählen durchgeführt wurden, die gute Zerspanbarkeit des Legierungskonzeptes des H2 Struktur . Dabei lag der Schwefelgehalt der untersuchten Schmelze bei nur 0,012 Gew. %. antriebstechnik 5/2015 55