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antriebstechnik 4/2019

antriebstechnik 4/2019

STEUERN UND

STEUERN UND AUTOMATISIEREN CONDITION MONITORING SYSTEM FÜR KRANE SO BLEIBT DER HAMBURGER HAFEN AM LAUFEN Rüdiger Proff ist Vertriebsingenieur bei der Prüftechnik Condition Monitoring GmbH im techn. Büro Bochum Hamburg, das Tor zur Welt. Doch wehe, wenn die Maschinen streiken. Dann ist das Tor geschlossen. Nichts geht mehr. Kein Container kommt mehr auf das Hafenkai, kein Container verlässt den Hafen. Ein Kran muss laufen, damit Schiffe rund um die Uhr be- und entladen werden können. Eine sinnvolle, kontinuierliche Zustandsüberwachung hilft Stillstände zu vermeiden, Wartungsaufgaben präziser zu formulieren und am Ende große Summen einzusparen. MEIN LESETIPP Manchmal lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Denn alleine der Einsatz von Sensorik und Messtechnik bringt noch keine Lösung für das Problem und kann sogar in die Irre führen. Man könnte auch sagen: Wer misst, misst Mist! Daher empfiehlt sich das Zurateziehen von Experten: Nur mit dem richtigen CMS können nun die Krane im Hamburger Hafen sicher überwacht werden. Aber lesen Sie selbst. Dirk Schaar, Chefredakteur, d.schaar@vfmz.de Während sich die modernen Containerriesen zwar eher behäbig über die Weltmeere bewegen, muss es dafür an Land umso schneller gehen. Ladung löschen, Ladung aufnehmen, auslaufen und weitergeht die Fahrt gen des nächsten Hafenbeckens. Doch wenn das Ladunglöschen nicht möglich ist, weil der Kran ein Maschinenproblem hat, dann kommt der enge Terminplan der ausgebuchten Containerschiffe mächtig ins Wanken und jede Minute bedeutet teures Geld. Sechsstellige Ausgleichssummen – unter Umständen sogar mehr – können bei mittel- bis langfristigen Ausfällen anfallen. Um diese Ausfälle und Stillstandzeiten zu vermeiden, bedarf es einer strikten, sinnvollen und konsequenten Überwachung aller kritischen Bauteile. Allerdings ist ein Hafenkran ein durchaus komplexes System mit sehr vielen kritischen Elementen, die sowohl einzeln wie auch in der Summe ein enormes Schädigungspotenzial mit sich führen. Ein intelligentes Zustandsüberwachungssystem (Condition Monitoring System/CMS) erkennt mögliche Schadenspotenziale bereits frühzeitig und kann so möglichen Stillstandzeiten entgegenwirken. WENN DAS SYSTEM VERSAGT Im Hamburger Hafen bei Eurogate, Europas größter Reedereiunabhängige Container-Terminal- und Logistik-Gruppe, sind die Containerbrücken rund um die Uhr im Einsatz. Zur Zustandsüberwachung einer konkreten Containerbrücke, wurde ein einfaches, temporäres CMS installiert. Gleichzeitig hatte auch der Kranführer seine Maschine täglich im Blick. Er konnte durch die tagtägliche Nähe zur Maschine jede Vibration und auch jede Änderung spüren, was sich im Nachhinein als positiv herausstellen wird. Bereits kurz nach Installation der CM-Technik fiel das Getriebe an zwei Kränen aus. Diagnose: Lagerschaden an der vierten Getriebewelle. Nach mehreren Tests an einem Testgetriebe (u. a. Nothalt mit Überlast) zeigte sich sehr eindeutig, dass die Getriebe verstärkt werden müssen, um dem maximalen Drehmoment von 500 000 Nm dauerhaft standhalten zu können. Der Maßnahmenkatalog zum 68 antriebstechnik 2019/04 www.antriebstechnik.de

STEUERN UND AUTOMATISIEREN 01 02 01 Drehmomentmessung am Motor 02 Messsensoren an der Bremse stillstandfreien Getriebelauf war jedoch bei Weitem noch nicht ausgeschöpft, sodass in der Folgezeit weitere sieben Getriebe ausgetauscht werden mussten. Unter anderem hat vor allem das Gespür des Kranführers zur Feststellung des erneuten Auftretens der abnormalen Schwingungen gesorgt. Die Lautstärke bei hohen Lasten, maximaler Hebegeschwindigkeit und warmem Getriebe waren ein sicheres Indiz für einen erneut baldigen Getriebeausfall. Zweimal musste die Containerbrücke sogar komplett gesperrt werden. Nach der Demontage folgte dann die Schwingungsursache: Ein verkippendes Zahnrad auf der Schaltwelle sowie ein Lager mit auffälligen Laufspuren im Außenring und auf den Wälzkörpern. Die Maschine hatte dabei gerade einmal 1 087 h gelaufen. Ausgelegt ist sie jedoch für das 50-fache. Grund für die Destruktionen: Die Anlagendimensionen waren mit einer Auslegung auf max. 500 000 Nm immer noch zu gering veranschlagt. Erneute Messungen ergaben einen Spitzenwert von bis zu 930 000 Nm unter Realbedingungen. DAS PASSENDE SYSTEM GEFORDERT Nun kommt jedoch die berechtigte Frage nach der Sinnhaftigkeit des installierten CMS auf. Wären dadurch die Lagerschäden nicht abwendbar gewesen? Ein genauer Blick auf die Messdaten verriet, dass sie keine wirkliche Aussagekraft besaßen. Lediglich Langzeit- Trendverläufe wurden aufgezeichnet, jedoch keine Spektren oder synchrone Kurzzeitbetrachtungen. Um endgültig störungsfreie Laufzeiten garantieren zu können, wurde ein neues, umfassendes CMS benötigt. Gleichzeitig musste sichergestellt werden, dass die Datensätze einwandfrei interpretiert werden können und eine verlässliche Aussage über mögliche bevorstehende Ausfälle oder Wartungsarbeiten getroffen werden können. Da die Spitzenkräfte vor allem bei Bremsvorgängen, gerade bei Nothalten, auftraten, waren die Anforderungen an das neue System folgende: Es wird vermutet, dass zeitliche Unterschiede in der Systemantwort zu den genannten Problemen am Getriebe führten. Die Betriebsbremse und die Motoren bekamen theoretisch zeitgleich das Signal „Stop“, aber durch verzögerte Antworten im System konnte es sein, dass der Master-Motor schon anhielt, während der Slave-Motor noch drehte und die Betriebsbremse schon bremste. Dadurch entstanden die bekannten Fehlbelastungen am Getriebe. Möglicherweise lassen sich diese Unterschiede durch Veränderungen an der Steuerung ausmerzen. Diese Zusammenhänge mussten nun per Messung überprüft werden. Zudem wurde eine Expertise von Fachleuten benötigt, um die Messdaten richtig auswerten zu können. 20 KANÄLE FÜR KORREKTE DATEN Partner für die fachmännische, dauerhafte Zustandsüberwachung ist die Prüfttechnik Dieter Busch AG. Der bayerische Spezialist für Condition Monitoring liefert sowohl die hochspezialisierte Messtechnik, wie auch das Know-How und die Expertise durch das unternehmenseigene Monitoring Center. www.antriebstechnik.de antriebstechnik 2019/04 69