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antriebstechnik 4/2019

antriebstechnik 4/2019

Reibzahl f = 2·M/R·d

Reibzahl f = 2·M/R·d Rechtslauf Linkslauf 1,00 mm Rechtslauf 1,00 mm B Linkslauf FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG PEER REVIEWED 03 Reibzahl-Diagramm [1] 1 2 3 1 Grenzreibung 2 Mischreibung 3 Flüssigkeitsreibung Das Reibzahl-Diagramm kann in drei Bereiche aufgeteilt werden. Im Bereich der Grenzreibung dominiert der Festkörperkontakt. Im anschließenden Mischreibungsbereich nimmt der Anteil der Flüssigkeitsreibung mit steigender Gümbel-Zahl weiter zu, bis der Bereich der Flüssigkeitsreibung erreicht wird. Hier liegt eine vollständige Trennung der Reibpartner vor. Der Reibungszustand wird hier durch die reine Flüssigkeitsreibung bestimmt. Bearbeitungsrichtung Bezeichnung von dieser Seite lesbar Welle A Ölseite Gümbel-Zahl G = η·ω/p m 04 Welleneinbaurichtung [8] Luftseite Welle B A Welle B Einbaurichtung A Ölseite Bearbeitungsrichtung Drall B Einbaurichtung B 05 Zusammenhang zwischen Bearbeitungs- und Einbaurichtung der Welle [8] Luftseite Welle A A BEARBEITUNGSRICHTUNG DER WELLE Die Versuchswellenhülsen für die Prüfstandsuntersuchungen sind zylindrisch und in Axialrichtung symmetrisch. Daher sind zwei verschiedene Welleneinbaurichtungen möglich. Die beiden Welleneinbaurichtungen sind in Bild 04 schematisch dargestellt. Die beiden Stirnseiten sind zur Kennzeichnung der Welleneinbaurichtung mit A und B bezeichnet. Drallstrukturen haben keinen Einfluss auf die einbaurichtungsabhängige Fluidförderrichtung der Welle im Dichtkontakt, da sie unabhängig von der Welleneinbaurichtung immer gleich gerichtet sind. Die Wellenhülsen weisen jedoch infolge des Schleifprozesses eine Bearbeitungsrichtung auf. Diese ändert sich mit der Welleneinbaurichtung. Da der Schleifprozess zu asymmetrischen Strukturen in Umfangs- und Axialrichtung führen kann, muss die Welleneinbaurichtung bei Förderwertmessungen berücksichtigt werden. Die Richtung von bearbeitungsrichtungsabhängigen Strukturen ist am Beispiel einer Fehlstelle in Bild 05 verdeutlicht. Die Fehlstelle ist fertigungsbedingt und weist eine starke Asymmetrie in Umfangsrichtung (rote Pfeile in Bild 05) auf. Durch Verändern der Welleneinbaurichtung ändert sich auch die Richtung der Fehlstelle. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird die Einbaurichtung der Welle angegeben, um eine Aussage über die Bearbeitungsrichtung der Welle treffen zu können. Außerdem wurde bei der Versuchsdurchführung die Einbaurichtung ganz gezielt variiert. So kann sichergestellt werden, dass die Versuchsergebnisse zur drehrichtungsabhängigen Förderwirkung nicht durch Einflüsse infolge unterschiedlicher Bearbeitungsrichtungen verfälscht werden. Nachfolgend wird die Wellendrehrichtung im Rechtslauf mit der Abkürzung CW für Clockwise und im Linkslauf mit CCW für Counterclockwise bezeichnet. 06 Förderwertmessung nach der Methode des inversen Einbaus Einbau konventionell Ölseite Welle Luftseite Ölseite Einbau invers gestellt. Dabei wird die Reibzahl über der dimensionslosen Gümbel- Zahl aufgetragen. Die Gümbel-Zahl ist definiert als Verhältnis vom Produkt aus Winkelgeschwindigkeit ω und dynamischer Viskosität η des abzudichtenden Fluids zur mittleren Flächenpressung p m (Bild 03). Die Reibzahl f kann rechnerisch aus dem Reibmoment M, der Radialkraft R und dem Wellendurchmesser d ermittelt werden (Bild 03). Welle Luftseite FÖRDERWERTMESSUNG Die Förderwertmessung ist eine Möglichkeit, um die Dichtfunktion quantitativ zu beschreiben. Die Förderwertmessungen erfolgen nach der Methode des inversen Einbaus. Hierzu wird der Dichtring invers montiert (Bild 06 rechts). Das Öl steht somit an der Bodenseite des Dichtrings (vgl. Bild 01) an. Das Dichtsystem wird in diesem Einbauzustand über einen Zeitraum von 10 h betrieben. Anschließend wird die geförderte Ölmenge ermittelt. Vor der Förderwertmessung wird der RWDR einer Konditionierung unterzogen. Diese erfolgt im konventionellen Einbauzustand (Bild 06 links). Die Förderwertmessungen erfolgen bei einer Ölsumpftemperatur von 40 °C und einer Wellendrehzahl von 1 000 min -1 . Dies entspricht einer Gleitgeschwindigkeit von etwa 4,2 m/s. Die weiteren Versuchsteile und Betriebsbedingungen sind in der Tabelle angegeben. VERSUCHSKOLLEKTIV Die RWDR werden vor den Förderwertmessungen einer Konditionierung unterzogen. Die Konditionierung findet im konventionellen Einbauzustand des Dichtrings statt. Für die anschließenden Förderwertmessungen wird der Dichtring invers montiert. Für die weiteren Untersuchungen ist nun eine Drehrichtungs- 148 antriebstechnik 2019/04 www.antriebstechnik.de

Fördermenge [g 10h ] Wellendrehrichtung Demontage PEER REVIEWED FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG umkehr der Welle erforderlich, weil die Wellendrehrichtung der Konditionierung aus der Sicht des RWDR beibehalten werden soll. Um die drehrichtungsabhängige Förderwirkung des Dichtrings zu ermitteln, wird das nachfolgende Versuchskollektiv abgefahren (Bild 07). Für die Wellendrehrichtung ergeben sich damit drei Drehrichtungswechsel und für die Wellendrehrichtung mit Bezug auf den Dichtring nur zwei Drehrichtungswechsel. Wichtig für die nachfolgende Auswertung ist die Blickrichtung zur Angabe der Wellendrehrichtung. Diese bezieht sich auf den Dichtring und zeigt immer von der Stirn- zur Bodenseite. VORUNTERSUCHUNG In einer Voruntersuchung wurden zunächst vier Dichtsysteme betrachtet. Für jedes der vier Dichtsysteme wurde ein neuer Dichtring verwendet. Die Dichtringe wurden vor der Förderwertmessung einer Konditionierung unterzogen. Die Konditionierung erfolgte im konventionellen Einbauzustand über eine Laufzeit von 240 h. Dabei wurden eine Wellendrehzahl von 1 000 min -1 und eine Ölsumpftemperatur von 60 °C gewählt. Nach der Konditionierung wurde der Dichtring invers montiert und die Förderwertmessungen durchgeführt. Die Förderwertmessung erfolgte zunächst in Wellendrehrichtung der Konditionierung und anschließend in entgegengesetzter Wellendrehrichtung. Die gemessenen Fördermengen sind in Bild 08 dargestellt. Die Schraffur im Säulendiagramm zeigt die Wellendrehrichtung an. Es ist ganz klar zu erkennen, dass die Fördermenge in Konditionierungsrichtung (Wellendreh richtung der Konditionierung) erheblich größer ist als die Fördermenge entgegen der Konditionierungsrichtung. Die Drehrichtungsabhängigkeit der Fördermengen tritt in beiden Welleneinbaurichtungen auf. Die Dichtungsgegenlaufflächen sind drallfrei. Die starke Drehrichtungsabhängigkeit wird also nicht durch die Wellenoberfläche hervorgerufen. Die Förderwertmessungen in Welleneinbaurichtung B wurden unmittelbar im Anschluss um zusätzliche Förderwertmessungen erweitert. Es erfolgten sieben weitere Förderwertmessungen der gleichen Dichtsysteme entgegen der Konditionierungsrichtung und anschließend erneut eine Messung in Konditionierungsrichtung (Bild 09). Jede der Förderwertmessungen wurde über eine Messzeit von 10 h durchgeführt. Die Dichtsysteme wurden damit über eine Zeitspanne von 80 h entgegen der Konditionierungsrichtung betrieben. Trotzdem ist die Fördermenge noch sehr stark von der Wellendrehrichtung abhängig. Es findet also keine „Rückbildung“ der konditionierungsrichtungsabhängigen Dichtfunktion durch einen Betrieb in entgegengesetzter Wellendrehrichtung statt. Die Konditionierung eines RWDR aus NBR hat demnach eine irreversible Auswirkung auf die Fördermenge und damit auf die Dichtfunktion eines Dichtsystems. Zusätzlich ist zu erkennen, dass die Fördermenge von Messung zu Messung abnimmt. Damit kommt es bei Dichtsystem 1 sogar zu einer negativen Fördermenge. In diesem Fall ist mit Leckage im Abdichtbetrieb zu rechnen. Als Resultat der Voruntersuchungen kann die Aussage getroffen werden, dass Dichtringe aus NBR nach längerem Betrieb in einer Drehrichtung eine Vorzugsrichtung ausbilden. Der Förderwert des Dichtrings ist in dieser Vorzugsrichtung sehr viel größer als entgegen der Vorzugsrichtung. Dieser Effekt ist irreversibel und kann nicht durch längeren Betrieb entgegen der Vorzugsrichtung eliminiert werden. Mit Blick auf den Abdichtbetrieb ist ein Drehrichtungswechsel der Welle nach längerem Betrieb in die gleiche Drehrichtung als kritisch zu bewerten. Dichtring RWDR mit Nenndurchmesser 80 mm, Werkstoff NBR Welle Wellendurchmesser 80 mm, drallfrei im Einstich geschliffen abzudichtendes Öl nichtadditiviertes Referenzmineralöl FVA 3 Ölsumpftemperatur 40 °C Ölfüllstand Wellendrehzahl/ Gleitgeschwindigkeit Messzeit Blickrichtung Dichtring Blickrichtung Welle 12 10 8 6 4 2 0 Einbau konventionell Ölseite Welle Konditionierung Einbau konventionell 07 Versuchskollektiv Luftseite Konditionierungsrichtung Ölseite Förderwertmessung Einbau invers Einbau invers Luftseite Welle Versuchsablauf CW-B CW-A CCW-A CCW-B Welle 1 Welle 2 Einbaurichtung A Wellenmitte 1 000 min -1 / ≈ 4,2 m/s 10 h Versuchsteile und Betriebsbedingungen für die Förderwertmessungen Blickrichtung Dichtring Blickrichtung Welle Blickrichtung Welle Blickrichtung Dichtring 08 Drehrichtungsabhängiges Förderverhalten der RWDR nach der Konditionierung UNTERSUCHUNGSMETHODE Welle 1 Welle 2 Einbaurichtung B Die qualitative Aussage über die konditionierungsrichtungsabhängige Förderwirkung von Dichtsystemen mit RWDR aus NBR kann mit einer geeigneten Untersuchungsmethode quantitativ beschrieben werden. Hierzu wird das Verhältnis des Dichtringförderwerts in Konditionierungsrichtung zum Dichtringförderwert entgegen der Konditionierungsrichtung gebildet. Um ein aussagekräftiges Förderwertverhältnis www.antriebstechnik.de antriebstechnik 2019/04 149