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antriebstechnik 4/2019

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SPECIAL: HANNOVER MESSE

SPECIAL: HANNOVER MESSE 2019 Bernd Müller ist freier Journalist in Bonn SPEZIALKABEL FÜR ENERGIE- UND DATENFLUSS VULKAN KURZ VOR DEM AUSBRUCH Der isländische Vulkan Hekla ist schon ungewöhnlich lange ruhig. Der nächste Ausbruch könnte deshalb besonders heftig werden, fürchten Geophysiker. Ein Frühwarnsystem soll das Schlimmste verhindern. Ein Spezialkabel von Lapp sorgt für Energie- und Datenfluss. Eigentlich ist die Hekla relativ zuverlässig: Ziemlich genau alle zehn Jahre entlädt sich der Druck unter ihrer Oberfläche in Form von bis zu 30 km hohen Aschefontänen. Die letzten Ausbrüche waren 1970, 1980, 1991 und im Jahr 2000. Doch so verlässlich die Abstände zwischen den Eruptionen bislang waren, so wenig Vorwarnzeit gab der Vulkan seinen wissenschaftlichen Beobachtern: Erst 30 bis 80 min vor dem jeweiligen Ausbruch schlugen die rund um den Krater platzierten Seismometer Alarm. Das ist extrem kurz, um überhaupt noch irgendwelche Sicherheitsmaßnahmen zu treffen. Die lange Ruhephase von inzwischen fast 20 Jahren bereitet den Vulkanologen um Martin Möllhoff im irischen Dublin Unbehagen. „Je länger die Ruhephase dauert, umso heftiger wird der Ausbruch“, erklärt Möllhoff. Er leitet die technische Abteilung an der School of Cosmic Physics des Institute for Advanced Studies in Dublin. Sein Team überwacht neben der Hekla einige weitere Vulkane rund um den Globus. MINIMALE BEWEGUNGEN REGISTRIERT Am Rande des isländischen Kraters haben die Geophysiker sechs Seismometer installiert. Jedes Messgerät besteht aus einem Metallzylinder, der eine Masse aus einer temperaturstabilen Metalllegierung enthält. Eine elektronische Rückkopplungsschleife hält diese Masse praktisch bewegungslos auf ihrer Position innerhalb des Zylinders. Bewegt sich der Untergrund, bewegt sich auch das Gehäuse. Die Trägheit der Masse hingegen sorgt dafür, dass sie sich nicht mit bewegt – ihre Position innerhalb des Zylinders verändert sich dadurch. Anhand dieser Positionsveränderung messen die Vulkanologen, was sich im Untergrund tut. Denn die Rückkopplungsschleife übt – je nach Fabrikat – eine magnetische oder eine elektrostatische Gegenkraft aus. Die Spannung, die zur Erzeugung dieser Kraft benötigt wird, ist der entscheidende Messwert, der digital erfasst wird. Die Messmethode ist extrem genau: Die Seismometer registrieren Bewegungen von wenigen Nanometern, also selbst schwächste Bewegungen in der Erdkruste – i. d. R. Vorboten eines Ausbruchs. SOFORTIGE DATENÜBERMITTLUNG Bei den meisten anderen Vulkanen werden die so erfassten Daten gespeichert und nur alle paar Wochen ausgelesen, um Energie zu sparen. Da die Hekla allerdings extrem kurze Vorwarnzeiten hat, werden ihre Daten sofort übermittelt. Und zwar über ein Kabel von Lapp, das zugleich auch als Elektrokabel für die Versorgung der Seismometer mit Betriebsstrom dient. Die Energie produzieren drei kleine Windräder und eine Solarzelle, um auch bei Windstille Strom zur Verfügung stellen zu können. Geliefert hat das Kabel Johan Rönning, der Marktführer für elektrotechnische Ausrüstung in Island. Das Unternehmen importiert 122 antriebstechnik 2019/04 www.antriebstechnik.de

SPECIAL: HANNOVER MESSE 2019 und vertreibt seit 1985 Lapp-Produkte und liefert die elektrischen Komponenten für die meisten Installationen der Geophysiker um Martin Möllhoff. Óskar Gústavsson, Key Account Manager bei Johan Rönning, ist „sehr glücklich mit der Kooperation.“ Ausdrücklich lobt er den Support durch die Experten von Lapp und die hervorragenden Lieferzeiten des Herstellers. Da sich das Kabel im harten Vulkanboden nicht vergraben lässt, wird es einfach ausgerollt und liegt auf dem messerscharfen Vulkangestein. Das heißt, es ist harten mechanischen Belastungen ausgesetzt, muss aber auch den manchmal sehr niedrigen Temperaturen im isländischen Winter oder der Hitze im Gestein trotzen. Auf der dünnen Erdkruste des mittelatlantischen Rückens herrschen bereits in 0,5 m Tiefe Temperaturen von 50 °C. Hinzu kommt, dass an manchen Stellen hochkorrosive Gase aus dem Erdreich entweichen. HOHE ANFORDERUNGEN Ausgewählt hat das Kabel Bergur Bergsson, seines Zeichens Ingenieur am meteorologischen Büro in Island. Er hatte gezielt nach einem mit Vaseline (im Fachjargon: Petrolat) gefüllten Ethernet-Kabel gesucht. Es sollte über vier Twisted-Pair-Adern, eine gute Abschirmung und einen sehr robusten Außenmantel verfügen. Üblicherweise werden solche Kabel im Bereich der Telekommunikation eingesetzt. Die Wahl fiel auf ein Kabel von Lapp. Dessen vier Aderpaare sind für die Abschirmung mit einem Aluminium-beschichteten Kunststoffband umhüllt. Der PE-Außenmantel ist UV-beständig und querwasserdicht, also gegen das Eindringen von Feuchtigkeit durch den Mantel geschützt. Der Raum zwischen Ummantelung und den abgeschirmten Aderpaaren ist mit Petrolat gefüllt. Der Stoff verhindert, dass sich Wasser, das an den Enden oder durch Risse ins Kabel eindringen könnte, ausbreitet. Die Kollegen von Bergur Bergsson verwenden solche Kabel in ihren seismischen Messnetzen, z. B. am größten isländischen Gletscher, dem Vatnajökull, an dem ein ähnliches Projekt wie an der Hekla läuft. „Lapp ist eine sehr vertrauenswürdige Marke in der Kabelbranche“, sagt Bergsson. Dank der ausgefeilten Suchfunktion auf der Webseite von Lapp habe er „genau das gefunden, was wir brauchten.“ Und die Erfahrung gibt ihm Recht. Laut Martin Möllhoff erfüllt das eingesetzte Kabel alle Anforderungen der Vulkanologen. Sowohl die Datenübertragung, die über getrennte Aderpaare in beide Richtungen erfolgt, sei verlässlich und stabil als auch die Energieversorgung der Seismometer mit 60 V Gleichspannung. Damit können die Geophysiker von Dublin oder Reykjavik aus auf die Seismometer zugreifen. Die gesamte Anlage arbeite einwandfrei. Das erste Seismometer sammelt jeden Monat rund 1,5 GB an Daten und sendet sie auf die Computer der Wissenschaftler. DAS ZIEL: DAUERHAFTES FRÜHWARNSYSTEM Auch jetzt, nach fast zwei Jahrzehnten, verhält sich die Hekla ruhig. Die Experten registrieren bislang keinerlei Signale, die auf eine bevorstehende Eruption hinweisen würden. Umso gespannter sind sie auf die Daten, die sie beim nächsten Ausbruch erhalten. Denn davon versprechen sie sich verwertbare Erkenntnisse, auf deren Basis sich ein dauerhaftes Frühwarnsystem auch für andere Vulkane entwickeln lässt. Die Bewohner vulkannaher Regionen werden es ihnen danken. Halle 11, Stand C03 Fotos: Icelandic Meteorological Office www.lappkabel.de MEIN LESETIPP In der Forschung eingesetztes Material ist meist äußerst widrigen Bedingungen und Witterungsverhältnissen ausgesetzt. Das Arbeiten am Polarkreis, in eisiger Kälte und brausenden Stürmen, bringt nicht nur die Forschungsteams an ihre Grenzen, sondern auch Messtechnik und andere Gerätschaften. Robuste Leitungen für Energie- und Datenfluss sind dann besonders gefragt. Am isländischen Vulkan Hekla setzen die Seismologen auf robuste Kabellösungen von Lapp. Diese verhindern zwar nicht den Ausbruch, sollen aber dazu beitragen, noch rechtzeitig zu warnen. Eine spannende Anwendung wartet aus Sie. Dirk Schaar, Chefredakteur, d.schaar@vfmz.de 01 Am Rande des isländischen Kraters haben die Geophysiker sechs Seismometer installiert 02 Durch Schnee und Eis wurde Ausrüstung – einschließlich 3 000 m Kabel von Lapp – auf den isländischen Vulkan Hekla transportiert 03 Die Seismometer registrieren Be wegungen von wenigen Nanometern, also selbst schwächste Bewe gungen in der Erdkruste 01 02 03 www.antriebstechnik.de antriebstechnik 2019/04 123