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antriebstechnik 4/2018

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Auf die Schmierung kommt

Auf die Schmierung kommt es an Tribologie und ihr Einfluss auf die Konstruktion von Wälzlagern Die tribologische Optimierung von Systemen erfordert eine Berücksichtigung von vielfältigen Einflüssen und setzt deshalb fundierte Kenntnisse der Materie voraus. Entsprechend eindrucksvoll sind die Verbesserungen, die sich mit geeigneten Schmierstoffen und Dichtungen erzielen lassen. J ährlich entsteht der Volkswirtschaft der Bundesrepublik Deutschland durch Reibung, Verschleiß und Korrosion ein Schaden von ca. 35 Mrd. EUR. Kaum eine andere Wissenschaft ist in unserer modernen Gesellschaft deshalb so allgegenwärtig wie die Tribologie. Potenzial für Verbesserungen ist durchaus vorhanden: Allein in der Motorenentwicklung in der Automobilindustrie ließe sich durch Umstellung von Gleitlagern auf Wälzlager der Kraftstoffverbrauch um über 15 % senken. Aber auch Lebensdauersteigerungen und die Verkürzung von Wartungsintervallen gehören zu den erklärten Zielen der Industrie. Wer die Hintergründe dieser Entwicklung verstehen will, muss sich mit den Grundlagen der Materie beschäftigen. Klaus Findling ist Geschäftsführer der Findling Wälzlager GmbH in Karlsruhe Reibung und Verschleiß Fakt ist: Reibung und Verschleiß können in Anlagen und Maschinen den Verlust der Funktionsfähigkeit bewirken – z. B. durch einen plötzlichen Ausfall oder die fortschreitende Verschlechterung von Systemeigenschaften. Doch welche Prozesse werden mit diesen Schlagworten eigentlich beschrieben? Die Wissenschaft arbeitet hier mit verschiedenen Klassifizierungen. Bei der Reibung unterscheidet man verschiedene Zustände, z. B. die Festkörperreibung ohne Zwischenschicht, die „trockene“ Oberflächenschichtreibung ohne Öl- oder Fettfilm, die Misch- bzw. Grenzreibung mit einem teilweisen bzw. intensiven Kontakt der Körper sowie die Flüssigkeitsreibung, bei der die Oberflächen vollständig durch einen Schmierfilm getrennt sind. Zudem existiert eine weitere Klassifizierung nach sogenannten Reibungsarten, also der Bewegungsart der Partner. Hier wird unter- teilt in Haft- beziehungsweise Bewegungsreibung. Die Haftreibung beschreibt den Ruhezustand von zwei aufeinander einwirkenden Körpern, diese sind quasi „haftend“, also statisch wie bspw. Brückenlager. Dabei wirkt auf den betrachteten Körper eine Kraft, die als Haftreibungskraft bezeichnet wird. Die Bewegungsreibung ist dagegen dynamisch, wobei hier nochmals zwischen Gleit-, Roll-, Bohr- und Wälzbewegungen unterschieden wird. Wann und wie aber entsteht Verschleiß? Die Antwort ist einfach: Immer, wenn sich zwei Oberflächen gegeneinander bewegen – also fast in jedem Bereich unseres täglichen Lebens. Das beste Beispiel sind unsere Schuhsolen, die sich bei jedem Schritt mehr und mehr abnutzen. Der Materialverlust an der Reibstelle wird als Verschleiß bezeichnet. Die häufigsten Ursachen für den Verschleiß an Körpern sind elastische Verformung, plastische Verformung, Abscheren der Rauhigkeitsspitzen 98 antriebstechnik 4/2018

WÄLZ- UND GLEITLAGER und Trennung der Mikroverschweißungen. Die Wissenschaft unterscheidet eine Vielzahl von Verschleißvorgängen, die durch verschiedene Verschleißarten und -mechanismen genauer beschrieben werden können. Daraus folgen unterschiedlichste Verschleißformen, also die Veränderung der Oberfläche selbst – u. a. können Kratzer, Pittings, Risse, Riefen und Mulden auftreten. Allerdings ist Verschleiß nicht immer unerwünscht: Sogenannter Einlaufverschleiß ist ein erwünschtes und meistens auch zwangsläufiges Abtragen der Rauhigkeitsspitzen neuer Reibpartner, z. B. des Kolbens im Zylinder oder des Gleitlagers in der Welle. Dadurch werden für den späteren Einsatz vorteilhaftere Bedingungen geschaffen, die sich positiv auf die Produktlebensdauer auswirken. In manchen Anwendungsgebieten und Produkten unterstützen spezielle Einlauföle den Vorgang – sie können den Abtrag besser binden und abtransportieren. Moderne Schmierstoffe In welchem Maß Reibung und Verschleiß bei einem Bauteil auftreten, lässt sich durch den Einsatz von Schmierstoffen maßgeblich beeinflussen. Das beste Beispiel sind hier Wälzlager: Der richtige Schmierstoff vermindert die metallische Berührung der Wälzkörper und Kontaktflächen, reduziert Reibung und Verschleiß und erhöht somit die Lebensdauer eines Lagers. Zudem beeinflusst er auch den Wirkungsgrad und somit die Energieeffizienz. Besonders hohe Anforderungen an die eingesetzten Lager stellt z. B. die Drehgeberindustrie, bei der das Losbrechmoment einer der wichtigsten Faktoren der gesamten Komponente ist. Aber auch die Schwerindustrie benötigt Lösungen, die eine gleichbleibende Einsatzfähigkeit unter extremen Bedingungen ermöglichen. Um diese hohen Anforderungen erfüllen zu können, werden vermehrt moderne Hochleistungsfette eingesetzt. Diese bestehen aus Dickungsstoffen (Seife oder Nichtseife 14–30 %), Grundölen (Mineralöl, Syntheseöl oder eine Mischung aus beiden bis zu 90 %), Additivierungen (Antioxidation, Antikorrosion, Verschleißschutz (EP) sowie Anti-Wear (AW) 3–5 %) und/oder Festschmierstoffen (Graphit, MoS2, PTFE 5–10 %). Je nach Anwendung bestehen vielfältige Kombinationsmöglichkeiten. Aber nicht nur die Inhaltsstoffe sind entscheidend, sondern auch die Verarbeitung und die Bearbeitungsdauer. Zudem dürfen sich Hersteller nicht nur auf theoretische Berechnungsgrundlagen verlassen, sondern müssen die Eigenschaften auch am fertigen Produkt ausgiebig testen. Unter tribologischen Gesichtspunkten Ein gutes Beispiel dafür ist die Entwicklung der eXtreme-Serie des Karlsruher Wälzlager-Spezialisten Findling. Die Speziallager decken vier unterschiedliche Anwendungs- bereiche ab. Die Lager der Xforce-Serie sind für Schwerlastapplikationen konzipiert, in denen die Lager mit Belastungen im Grenzbereich beaufschlagt werden können. Bei der Entwicklung der Xspeed-Serie lag der Fokus auf der Optimierung der Lagertechnik bei höchsten Drehzahlen. Bei der Xtemp-Ausführung handelt es sich um Lager mit besonderer Eignung bei großer Hitze oder Kälte. Die Xclean-Serie umfasst robuste Lagertechnik bei hoher Umgebungsfeuchte, Verschmutzungen und für Reinraumapplikationen. Allen Serien gemeinsam ist eine verlängerte Lebensdauer als verfügbare Standardlösungen im Extrem einsatz. Erreicht wird diese hauptsächlich durch gezielte Modifikationen der Komponenten Befettung und Dichtung. Auf den eigens entwickelten ABEG-Leistungsprüfständen wurden z. B. 6 010 Rillenkugellager unter den spezifischen Betriebsbedingungen der jeweiligen Anwendungsbereiche – etwa unter Schwerlast – getestet. Um eine möglichst lange Lebensdauer bei Höchstleistung zu erreichen, standen vor allem die tribologischen Lagereigenschaften im Fokus. Dabei kamen unterschiedliche Spezialbefettungen und Dichtungsvarianten aus dem herstellerübergreifenden ABEG- Portfolio zum Einsatz. Die einzelnen Testergebnisse wurden analysiert und ausgewertet, um leistungsfähige Kombinationen für einen möglichst langen Extremeinsatz zu ermitteln. Die Xforce-Lager sind mit einem Sonderfett auf Basis von Lithium-12-Hydroxystearat 01 Der Einsatzzweck und die dafür am besten geeignete Befettung entscheiden über den optimalen Dichtungstyp 02 Ob Schwerlast- oder Hoch ge - schwindig keitsapplikationen: Extreme Betriebsbedingungen erfordern spezielle Lager