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antriebstechnik 4/2018

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Modulare Segmentmotoren

Modulare Segmentmotoren – Entwicklung eines Antriebskonzepts für hohe Drehmomentanforderungen Industrie 4.0 im Elektromaschinenbau beginnt zwingend mit der Modularisierung an der Produktbasis. Gelöst werden kann diese Aufgabe durch ein neues Konzept für einen segmentierten und damit skalierungsfähigen Sonderantrieb auf Basis einer hochmodernen Synchron-Reluktanzmaschine (SynRM) in Form einer modularen Ausführung als Baukastensystem für den Applikationsingenieur. Je nach Leistungsbedarf wird der Motor mit einem (Bild 02) oder mehreren Statorblöcken bestückt (Bild 03). Prof. Dr. ir. Dr. h. c. Rik W. De Doncker ist Lehrstuhlinhaber des Instituts für Stromrichtertechnik und Elektrische Antriebe (ISEA) an der RWTH Aachen University und Dr. Jan-Dirk Reimers, Tobias Lange, Claude Weiss und Tobias Berthold sind wissenschaftl. Mitarbeiter des ISEA und arbeiten an der Ausgründung von Torque Werk I ndustrie 4.0 ist ein derzeit oft bemühter Ansatz, um auch Produkte geringer Stückzahl im Rahmen einer industriellen Fertigung schnell, günstig und qualitativ hochwertig herstellen zu können. Triebfeder für den steigenden Bedarf stellt die heutig gewünschte Produktdiversifikation bis hinunter zu Losgröße 1 dar. Die klassische Antriebstechnik, die Basis nahezu aller heutigen Fertigungsprozesse und -anlagen ist, löst diese Aufgabe größtenteils mittels Variantenmanagement. Die Komponenten des Antriebstrangs (Bild 01), bestehend aus Umrichter, Elektromaschine, Kupplung und Getriebe, werden nach Leistung, Wellendurchmesser und Bauhöhe aus in Katalogen standardisierten Baugrößen 114 antriebstechnik 4/2018

ELEKTROMOTOREN 01 02 03 01 Die Komponenten Umrichter, Maschine, Kupplung und Getriebe bilden einen klassischen Antriebstrang 02 Segmentierter Synchronreluktanzmotor 03 Rotor mit zwei, wahlweise vier Statormodulen und -formen konfiguriert und zu einem Antriebstrang zusammengesetzt. Die Variantenvielfalt und die damit verbundene Teilevielfalt und Produktkomplexität verursacht Kosten in vielen Unternehmensbereichen beim Hersteller der Produkte aber auch beim Anwender. Wird nun die Teilevielfalt durch eine weitere Produktdiversifikation gesteigert, sinken naturgemäß die Losgrößen und Skaleneffekte gehen verloren. Der Anwender von Elektromaschinen muss entweder die technologischen Vorgaben (Leistung, Achshöhe, usw.) der Elektromaschinenhersteller akzeptieren und adaptieren und damit die Gestaltung seiner Produkte in Elementen dem Antrieb unterordnen oder er muss einen teuren Sonderweg gehen. Speziell an die Anwendung angepasste Elektromaschinen müssen für jede Bauform, Auslastung, Leistungsklasse oder Drehmomentklasse und deren Nenndrehzahl neu ausgelegt werden. Dadurch werden ebenfalls Serieneffekte in erheblichem Umfang verschenkt. Damit mündet doch wieder jede Einzelstückproduktion im bekannten Bereich des klassischen Sondermaschinenbaus und damit in der Komplexitätsfalle, sowohl beim Hersteller wie auch beim Anwender. Für jeden Anwendungsbereich eines Antriebes haben sich heute technische Lösungsprinzipien innerhalb der Bauformen der Elektromaschinen etabliert, die entweder branchenspezifisch gewachsen sind durch zwingende regulatorische Anforderungen oder wirtschaftliche Zwangsbedingungen geformt wurden. Diese spezifischen Anwendungsgebiete treffen auf die oben geforderte Notwendigkeit der Baugruppenbildung, der Modulbauweise oder aber der Plattformkonzepte. In diesem Anforderungsfeld besteht wie so oft das Hauptproblem innerhalb des technologischen Kompromisses der Modularisierungsschnittstellen des Elektromaschinenherstellers und des auf einer höheren Systemebene arbeitenden Maschinenbauunternehmens mit seinen zumeist integrativen Tätigkeiten. Dieser benötigt einen applikationsangepassten und integrierten Antrieb für sein Produkt und dahingehend optimierte Modulschnittstellen, die er heute als zusätzliche Sonderaufwände managen muss. Oftmals ist diese Tätigkeit der Kern der Integrationsarbeit. Für den industriellen Maschinenbau mit geringeren Stückzahlen stellt dies eine erhebliche Entwicklungshürde dar. Daher entsteht gerade mit dem gedanklichen Vorstoß in eine Industrie-4.0-taugliche-Produktion von Antriebstechnologien für den modernen Maschinen- und Anlagenbau zunehmend der Bedarf an einem skalierbaren und ressourcenschonenden Antrieb, der nahezu nahtlos in die Arbeitsmaschinen eingegliedert werden kann. Ein Höchstmaß an Synergien entsteht durch die reduzierte Teilevielfalt, welche modular aufgebaut sein sollte. Dies ist Gegenstand des hier vorgestellten Exist-Forschungstransferprojektes bzw. des dazugehörigen technologischen Konzeptes. Im 2016 gestarteten Projekt werden modulare Segmentmotoren für industrielle Antriebsaufgaben entwickelt, die im oben genannten Sinne eine vollkommen neuartige Lösungsstrategie im Bereich der elektrischen Antriebe ermöglichen. Das modulare Plattformkonzept ermöglicht einen nahezu vollständig flexiblen Aufbau von Antriebsmaschinen trotz Verwendung von Gleichteilen (Bild 03). So lässt sich bei beliebigen Drehmomentanforderungen der Bauraum optimal ausnutzen. Da das modulare Motorkonzept eine einfache Integration in bestehende Anlagen oder Maschinen ermöglicht und die Positionswahl nahezu frei und je nach Platzvorgabe erfolgen soll, werden die Statormodule mit hoher Drehmoment- und Leistungsdichte und autark betrieben. Dies sind zwei der wichtigsten Entwicklungsziele des modularen Segmentmotors, wie sie im Folgenden ausführlich dargestellt werden. Skalierung segmentierter Drehmomentmotoren Für Drehzahl (n), Drehmoment (M) und Leistung (P) ist folgender Zusammenhang gegeben: Im Sinne der Modularität bzw. Segmentbauweise kann das Drehmoment M der Maschine direkt gedanklich in eine zu summierende Größe i × M i abhängig von der Anzahl (i) der Statorblöcke aufgeteilt werden, vergl. Bild 03 mit i = 2 oder wahlweise 4. Jeder Statorblock erzeugt anteilig das Moment M i aufgrund seiner antriebstechnik 4/2018 115