FORSCHUNG UND ENTWICKLUNGSCHLÜSSEL DER TRANSFORMATIONDIGITALE GETRIEBE-ZWILLINGE ENTWICKELNWie die Getriebedesignsoftware FVA-Workbench als Basis für digitale Zwillinge vonIndustriegetrieben eingesetzt werden kann, zeigt eine Abschlussarbeit am Institut fürProduktentwicklung und Maschinenelemente der TU Darmstadt. Das Ergebnis:Die Kombination aus detaillierter Modellierung, kontinuierlicher Echtzeitberechnung undDashboard-Visualisierung bietet eine effiziente und zugleich benutzerfreundliche Lösung fürdie Entwicklung digitaler Zwillinge. Live-Daten können in die Modelle und Simulationenintegriert werden, was die Lösung für vielfältige Industrie 4.0-Anwendungen interessantmacht – und zwar über den gesamten Lebenszyklus eines Getriebes.Die digitale Transformation verändert die Industriegrundlegend und digitale Zwillinge spielen dabei einezentrale Rolle. Sie ermöglichen die Echtzeitüberwachungphysischer Systeme, die Simulation ihres Verhaltensund fundierte Entscheidungsfindung. Digitale Zwillingetechnischer Systeme bieten vielfältige Anwendungsmöglichkeitenund große Potenziale [1]. Der Begriff beschreibt die digitaleRepräsentation eines konkreten physischen Systems.In diesem Artikel wird der digitale Zwilling als eine digitaleAbbildung des physischen Modells mit Livedaten-Anbindungbetrachtet. Während des Betriebs werden dessen Sensor- und Betriebsdatenkontinuierlich erfasst und dem digitalen Zwilling bereitgestellt.Die Daten dienen als Eingangsgrößen von Modellen,die das reale System nachbilden und dessen Verhalten beschreiben.Damit wird das Verhalten live berechnet oder simuliert, wasVoraussagen und Rückschlüsse ermöglicht [2, 3, 4].PRÜFAUFBAU FÜR FORSCHUNGSPROJEKTIm Rahmen des FVA-Projekts FVA 889 II – „Digitaler Zwilling II“wird die Thematik der digitalen Zwillinge und deren Erstellungvom Institut für Produktentwicklung und Maschinenelemente(pmd) der TU Darmstadt gemeinsam mit dem KTmfk der FAUErlangen-Nürnberg intensiv erforscht. Ein zentraler Bestandteildieses Projekts ist die Entwicklung eines Demonstrators für einendigitalen Zwilling eines zweistufigen Industriegetriebes des TypsX2FS100e von SEW-Eurodrive. Dieses Getriebe ist Teil einesPrüfaufbaus an der TU Darmstadt und kann gezielt mit Drehzahlenund Drehmoment belastet werden. Zur Erfassung der Betriebsdatenwerden im und am Getriebe verschiedene Sensorenverbaut. In diesem Fall sind vor allem Drehzahl und Drehmomentrelevant. Die Messdaten werden in Echtzeit auf einemMessdatenserver der Universität abgelegt.40 antriebstechnik 2025/03 www.antriebstechnik.de
FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG0101 Für das Forschungsprojekt wurde einDigital-Twin-Demonstrator eines zweistufigenIndustriegetriebes von SEW-Eurodrive entwickelt02 Beispielhaftes Windkraftgetriebe mit Berechnungsergebnissenfür Welle, Lager und Verzahnung02DREI SCHRITTE ZUM DIGITALEN ZWILLINGDie digitale Beschreibung und Repräsentation des Getriebeswird durch die Modellierung und Berechnung des Getriebes inder FVA-Workbench adressiert. Die Umsetzung dessen fand imRahmen der Abschlussarbeit mit dem Titel „Creation of a DigitalTwin through real time integration of the FVA-Workbench“von William Gunawan am pmd der TU Darmstadt statt. Betreutwurde die Abschlussarbeit von Prof. Dr.-Ing. Eckhard Kirchnerund Michel Fett. Das Vorhaben kann in drei Schritte aufgeteiltwerden: 1. Das Modellieren des Getriebes, 2. der Aufbau einerLive-Berechnung und 3. die Visualisierung in einem Dashboard.Im Folgenden wird eine Übersicht über das Vorgehenund die Erkenntnisse gegeben.SCHRITT 1: MODELLIERUNGZunächst wird das Getriebe, von welchem der digitale Zwillingerstellt werden soll, in der FVA-Workbench modelliert. Hierzuwerden die beiden Zahnradpaarungen des zweistufigen Getriebesimplementiert. Neben den Materialparametern wirdvor allem die Geometrie der einzelnen Zahnräder beschrieben.Dies beinhaltet beispielsweise Zähnezahl, Modul, Schrägungswinkel,Kopfkreisdurchmesser und Teilkreisdurchmesser dereinzelnen Zahnradstufen. Weiter werden die drei Wellen derGetriebestufen beschrieben, indem unter anderem Materialparameter,Achsabstände und Geometrien der einzelnen Wellenabsätzehinterlegt werden. Die Lager können als Normteileaus der Bibliothek der Software ausgewählt werden. Gleichesgilt für das Getriebeöl. Das Gehäuse des Getriebes wird vernachlässigtund nicht modelliert, da in dem Projekt keine CAD-Daten des Gehäuses zur Verfügung standen.SCHRITT 2: LIVE-BERECHNUNGDie reguläre Benutzung der FVA-Workbench sieht vor, dass dasVerhalten und die Eigenschaften des modellierten Getriebeseinmalig simuliert werden und aus den Ergebnissen ein Reporterstellt wird. Für die Funktionalität eines digitalen Zwillings istallerdings eine durchgängige, zyklisch wiederkehrende Live-Berechnung notwendig. Dies kann in der Software über dieScripting-Funktion erreicht werden, welche die Durchführungvon Berechnungen automatisiert.Zu diesem Zweck wird ein Skript erstellt, das alle 10 s auf denMessdatenserver der TU Darmstadt zugreift und dort die neustenMessdaten der am Getriebe verbauten Sensoren importiert.Diese Messdaten beinhalten die aktuellen Werte des Drehmomentsund der Drehzahl, welche dann als Eingangsgrößen fürdie Berechnungen in der FVA-Workbench dienen. Damit wirdalle 10 s das aktuelle Verhalten und der Zustand des Getriebesberechnet.SCHRITT 3: VISUALISIERUNGFür die Benutzbarkeit des digitalen Zwillings ist eine Erstellungvon Ergebnis-Reports alle 10 s nicht zielführend. Stattdessenwerden die Berechnungsergebnisse als Excel-Dateienexportiert. Mithilfe von VBA (Visual Basics for Applications)wird direkt in der Excel-Anwendung ein Live-Dashboard aufgebaut,welches sich regelmäßig aktualisiert und mit denneusten Berechnungsergebnissen den aktuellen Zustand desGetriebes anzeigt.So wird beispielsweise die Lastverteilung der Zahnflankensowie das Belastungsverhältnis C/P der Lager visualisiert.Nach jeder neuen Berechnung in der FVA-Workbench werdendie Plots im Dashboard aktualisiert.www.antriebstechnik.de antriebstechnik 2025/03 41
Laden...
Laden...