SPECIAL: ANTRIEBSTECHNIK IN DER AUTOMATIONBISS-SCHNITTSTELLEZERTIFIZIERUNG SICHERT INTEROPERABILITÄTSeit über zwei Jahrzehnten bietet das BiSS Interface eine Lösungfür die bidirektionale Sensor-Aktor-Kommunikation. Dieleistungsfähige Open-Source-Alternative zu proprietärenSchnittstellen in Motor-Feedback-Systemen erfreut sich weltweitgroßer Verbreitung. Rund 650 Hersteller unterstützen dasProtokoll derzeit. Wie durch eine unabhängige Zertifizierung dieInteroperabilität sichergestellt wird und gleichzeitigapplikationsspezifische Anpassungen zum Beispiel für Drehgebermöglich sind, beschreibt der Artikel der Nutzerorganisation.Die BiSS-Schnittstelle (Bidirectional Synchronous Serial Interface) wurde imJahr 2003 von dem deutschen Halbleiterhersteller iC-Haus GmbH als offenerStandard eingeführt. Ziel war die Etablierung einer kostenfreien und leistungsfähigenAlternative zu den bestehenden, teils proprietären Schnittstellenin Motor-Feedback-Systemen. Über 650 Hersteller weltweit setzen das Protokollheute ein, darunter Encoder, Antriebs- und Robotikhersteller. Zur Verbreitung beigetragenhaben vor allem die niedrigen Hürden bei der Implementierung, wie zum Beispieldurch den freien Zugang zur technischen Dokumentation.Der einfache Zugang, die Funktionsvielfalt und fehlende Kontrollmechanismen fürdie Nutzer der BiSS-Schnittstelle bergen jedoch auch die Gefahr, dass Geräte mit unterschiedlichenFunktionen implementiert und in den Markt eingeführt werden. Um dieInteroperabilität zwischen verschiedenen Geräten sicherzustellen, hat die NutzerorganisationBiSS Association e. V. daher ein Zertifizierungsverfahren entwickelt. Darüberhinaus wurde eine Zertifizierungsstelle eingerichtet und „BiSS Certified“ als Konformitätszeicheneingeführt.GEMEINSAMER STANDARD PLUS XIn der ersten Phase können Sensorgeräte mit einer BiSS-C-Slave-Schnittstelle zertifiziertwerden. Als Basis für diese Sensorgeräte dienen häufig integrierte Schaltungen, zumBeispiel Sensor-ICs, Mikrocontroller und FPGAs, die mit vielen Freiheitsgraden implementiertund sehr flexibel auf verschiedenste Anwendungen eingestellt werden können.Um die Kompatibilität durch die Zertifizierung sicherzustellen, werden Standardanwendungenwie zum Beispiel Drehgeber betrachtet und Anforderungen dafür definiert.Mit der Zertifizierung steht der Gegenstelle, wie zum Beispiel einer Antriebseinheit,ein einheitliches Kommunikationsverhalten und ein von allen Drehgebern unterstützterleistungsfähiger Funktionsumfang zur Verfügung. Die einheitliche FunktionsweiseDIE IDEE„Das BiSS-Protokoll bietet zahlreicheFunktionen zur Implementierungeiner schnellen isochronen Kommunikationsschnittstellefür Sensorenund Aktoren. Die Zertifizierung stelltsicher, dass alle Geräte eineneinheitlichen Funktionsumfangbesitzen. Eine Profilierung wirddurch applikationsspezifischeelektronische Datenblätter undBiSS-Profile erreicht. Dadurchkönnen Geräte innerhalb derAnwendungsgruppe einfachüber Produktgenerationen undHerstellergrenzen hinausgetauscht werden.“Marcel Reuter, Geschäftsführer,BiSS Association e. V., Bodenheim26 antriebstechnik 2025/03 www.antriebstechnik.de
SPECIAL: ANTRIEBSTECHNIK IN DER AUTOMATIONist die Grundlage für die kompatible Implementierung des BiSS-Masters im Antrieb. Die BiSS Association stellt Geräteherstellerneine BiSS C-Master-VHDL-IP kostenfrei zur Verfügung. Damitkann der Antrieb als Gegenstück des zertifizierten Drehgeberssehr einfach implementiert werden. Zusätzliche Funktionen könnenoptional realisiert werden, um die Antriebseinheit im jeweiligenMarkt zu differenzieren.OFFEN FÜR BELIEBIGE SENSOREN UNDAKTOREN KONZIPIERT0101 Erste zertifizierteBiSS-C-Geräte mitKonformitätszeichen02 Dank deskompakten Designsdes BiSS-Testers, kanndie Zertifizierung auchdirekt beim Geräte-Hersteller erfolgen02DAS TESTEN DER SCHNITTSTELLEUNTERSTÜTZT DIE ENTWICKLUNGBasis für eine erfolgreiche Zertifizierung bilden dabei die „BiSS CCertification Test Cases“ mit über 80 Messverfahren, die jeweilsmit Testaufbau, der Testprozedur und den erwarteten Testergebnissenbeschrieben sind. Die Messverfahren wurden auf Grundlageder Protokollbeschreibung definiert. Sie beschreibt detailliertden vollständigen Funktionsumfang der Schnittstelle, undzwar mit all seinen Features zur schnellen, isochronen und dabeigleichzeitig bidirektionalen Kommunikation in beliebigen Sensor-Aktor-Systemen.Dennoch ist die Protokollbeschreibungstets technologieoffen, denn die Schnittstelle kann grundsätzlichfür beliebige Sensoren und Aktoren verwendet werden.Erst durch applikationsspezifische elektronische Datenblätterund BiSS-Profile werden die zu übertragenen Daten konkret aufeine bestimmte Anwendung wie zum Beispiel Drehgeber spezifiziert.Durch das Feedback der Schnittstellennutzer haben sich inden Jahren seit der Einführung des Protokolls eine Reihe vonBasisfunktionen sowie weitere, optionale Funktionen herauskristallisiert.Für die Zertifizierung wurden diese Basisfunktionenfestgelegt. Dazu gehört für Drehgeber a) der Fokus auf einePunkt-zu-Punkt-Verbindung zwischen einem BiSS-Master-Gerätund einem BiSS-Slave-Gerät, b) die Überprüfung der spezifiziertenEigenschaften (wie Protokollaufbau, Leitungslaufzeiten, Sensorverarbeitungszeiten,Timeouts) sowie c) die Möglichkeit, perRegisterkommunikation auf den Speicher des Sensors zuzugreifen.Letzteres ist ein wesentlicher Bestandteil des Protokolls undermöglicht nicht nur die Konfiguration und Kalibrierung einesSensors während des Produktionsprozesses, sondern zudem dasAuslesen von Temperaturdaten, das Setzen eines Presets oderauch Plug-and-Play.FLEXIBEL UND ANWENDUNGSORIENTIERTDurch Implementierung eines elektronischen Datenblatts bietetein Standard BiSS-C-Sensor die Möglichkeit der Profilierung. DieAntriebseinheit wiederum kann die protokollspezifischenTimings und die zu übertragenden Daten automatisch auslesenund sich entsprechend konfigurieren; hierbei handelt es sich beispielsweiseum Multiturnwerte (Anzahl ganzer mechanischerUmdrehungen) und Singleturnwerte (Winkel innerhalb einermechanischen Umdrehung).Der Großteil der Zertifizierung ist unabhängig von der konkretenAnwendung. Kommen neue Anwendungen zum Beispiel zurÜbertragung von Drehmoment- und Beschleunigungswertenhinzu, lässt sich die Zertifizierung dafür durch Einführung einerweiteren applikationsspezifischen Version des elektronischenDatenblatts sehr einfach erweitern.ERSTE UNABHÄNGIGE ZERTIFIZIERUNGSSTELLEDer BiSS-IP-Rechteinhaber iC-Haus und die NutzerorganisationBiSS Association haben das BiSS Competence Center SchererTechnology UG als erste unabhängige Zertifizierungsstelle miteiner Lizenz autorisiert. Diese hat die „BiSS C Certification TestCases“ in einem kompakten Zertifizierungsgerät implementiertund eine Software für die einfache Auswertung und grafischeDarstellung der Ergebnisse entwickelt. Das Zertifizierungsgerätwird weiteren Zertifizierungsstellen zur Verfügung stehen, diesich derzeit im Aufbau befinden, unter anderem in China, denUSA und Japan.Der erste Kontakt kann daher direkt mit der jeweiligen Zertifizierungsstellevor Ort erfolgen. Hier können die Rahmenbedingungengeklärt werden. Denn häufig befindet sich das Gerät, daszertifiziert werden soll, noch im Entwicklungs- oder Prototypenstadium.Das Testen der implementierten Schnittstelle ist dahereine willkommene Unterstützung für alle, die am Produktzyklusbeteiligt sind, und ganz besonders für die Entwicklungs- undTest ingenieure.Dank des kompakten Designs des Zertifizierungsgeräts kanndie Zertifizierungsstelle auch Hausbesuche anbieten. So könnenMessungen an mehreren Produkten oder Produktfamilien vorOrt durchgeführt und Implementierungshinweise direkt umgesetztwerden. Im besten Fall kann so die Konformität ohne weitereVerzögerung bescheinigt und die Erlaubnis zum Führen desKonformitätszeichens „BiSS Certified“ erteilt werden.PERSPEKTIVENNamhafte Firmen aus der Drehgeber- und Antriebstechnik wieBaumer, Maxon und Posital haben bereits von dem unkompliziertenZertifizierungsprozess ihrer Produkte profitiert und könnensie nun weltweit als „BiSS Certified“ bewerben. Die Nachfragenach standardisierten BiSS-Geräten ist hoch, sodass die Zertifizierungentsprechend den Marktanforderungen in den nächstenJahren auf weitere Applikationen ausgeweitet wird.Bilder: BiSS AssociationMarcel Reuter, Geschäftsführer, BiSS Association e. V., Bodenheimwww.biss-interface.comwww.antriebstechnik.de antriebstechnik 2025/03 27
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