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antriebstechnik 3/2022

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antriebstechnik 3/2022

FORSCHUNG UND

FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG 07 Feinauslegung, erste Stufe (oben), zweite Stufe (unten) 3.2 FEINAUSLEGUNG VON STIRNRADSTUFEN Im nächsten Schritt wird die Makrogeometrie der Zahnräder optimiert, d. h. Modul, Zähnezahl, Eingriffswinkel, Schrägungswinkel und Bezugsprofil. Bei einem herkömmlichen Herstellverfahren für Zahnräder sind Normalmodul, Eingriffswinkel und Bezugsprofil direkt mit der Fräsergeometrie verknüpft. Bei Industriegetrieben besteht häufig der Wunsch, bereits vorhandene Werkzeuge zu verwenden, da die Stückzahlen nicht sehr hoch sind. Die Berücksichtigung der verfügbaren Werkzeuge in einer frühen Konstruktionsphase kann bei den späteren Herstellschritten Kosten sparen. Bei einem Fahrzeuggetriebe werden i. d. R. deutlich höhere Stückzahlen geplant, so dass der mit einem Sonderwerkzeug verbundene Aufwand kein finanzielles Problem darstellt. Damit sind Bezugsprofil inklusive Profilwinkel und Modul im sinnvollen Größenbereich frei wählbar. Hier steht eher die Optimierung des Herstellprozesses auf lange Werkzeuglebensdauer hin im Vordergrund. So führt z. B. das Fräsen bis nahe an den Grundkreis heran zu einer sehr hohen Verweildauer des Werkzeugkopfs im Zahngrund, was wiederum zu höherem Verschleiß führt. Darüber hinaus muss die resultierende Zahnradgeometrie den Sollsicherheitsfaktoren unter Beachtung der gewählten Methode für die Berechnung der Zahnradfestigkeit genügen. Insbesondere bei Elektrofahrzeugen stehen ein hoher Wirkungsgrad und niedrige Geräuschanregungen im Vordergrund. Hier sind oft Kompromisse gefragt. Zwar lassen sich mit einem größeren Zahnrad-Fussrundungsradius tendenziell höhere Zahnfusssicherheiten erzielen, jedoch kann es dadurch zu Eingriffsstörungen kommen, da die Evolvente nicht mehr weit genug nach unten reicht. Als Gegenmaßnahme ist der Kopf zu kürzen, was sich wegen der niedrigeren Überdeckung negativ auf die Geräuschentwicklung auswirken kann. Ebenso ist ein hoher Eingriffswinkel gut für die Festigkeit und den Wirkungsgrad, aber in den meisten Fällen negativ für die Geräuschentwicklung. Die Auswertung von auf verschiedenen Geometrien basierenden Lösungen und das Ausschließen nicht realisierbarer Lösungen in einer frühen Konstruktionsphase stellen daher wichtige Aufgaben dar (Bild 06). Eine spezialisierte Software kann in diesem Zusammenhang mit einer entsprechenden Funktionalität für Abhilfe sorgen. Sobald Achsabstand und Zahnbreite feststehen, kann die Makrogeometrie der Zahnräder mit der sog. Feinauslegung systematisch variiert werden. Der Anwender gibt zuerst einen sinnvollen Bereich sowie die Schrittweite für Modul, Eingriffswinkel und Schrägungswinkel vor und startet anschließend die Berechnung. 42 antriebstechnik 2022/03 www.antriebstechnik.de

FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG Dank der Leistungsfähigkeit aktueller Computer stehen am Ende einer solchen Berechnung schnell über 1.000 verschiedene geometrische Lösungen zur Verfügung. Die größte Herausforderung besteht darin, alle nicht realisierbaren Varianten auszuschließen und eine intelligente Strategie für das Erkennen der optimalen Lösung zu entwickeln. Das Programm sortiert bereits alle nicht sinnvollen Varianten aus, wobei der Benutzer die Filterwirkung regulieren kann. In unserem Beispiel wurden automatisch alle Ergebnisse unterdrückt, bei welchen n die Mindestanforderungen an die Sicherheitsfaktoren nicht erfüllt sind, n ein Unterschnitt existiert, n die Zahndicke am Zahnkopf zu klein ist für den Härteprozess, n die Abweichung vom geforderten Zähnezahl-Verhältnis zu groß ist oder n das spezifische Gleiten (Verschleiß, Reibung) zu hoch ausfällt. Für die übriggebliebenen Lösungen gibt es grafische und tabellarische Darstellungen, um möglichst effizient die verschiedenen Anforderungen unter einen Hut bringen zu können. An dieser Stelle ist der Ingenieur gefragt, denn eine einzige richtige und optimale Lösung gibt es nicht. Vielmehr handelt es sich um eine Entscheidung basierend auf dem Erfahrungswert, welche der in Frage kommenden Lösungen letztlich ausgewählt werden soll. In Bild 07 ist die letzte Phase einer solchen Optimierung am Beispiel von unserem Elektrofahrzeuggetriebe dargestellt, bei der nur einige wenige Kandidaten übrigbleiben, welche die besten Lösungen darstellen. Zahlen in dieser Abbildung bezeichnen bestimmte Resultate aus der Optimierungsberechnung bei festgehaltenem Achsabstand und Zahnbreite (identische Getriebedimensionen), jeweils für die erste und die zweite Stufe vom Getriebe. Bei der Auswahl einer optimalen Lösung gilt es, einen Kompromiss zwischen mehreren Verzahnungsparametern zu finden: n eine hohe Flankensicherheit n eine hohe Fußsicherheit n Schrägungswinkel so hoch wie nötig, so niedrig wie möglich (Axialkräfte) n ganzzahlige Gesamtüberdeckung (gut für das Geräuschverhalten) n hoher Wirkungsgrad n geringe Masse (korreliert mit den Herstellkosten) Am Beispiel des Elektrofahrzeuggetriebes haben wir uns bei der ersten Stufe für die Lösung Nummer 50 und bei der zweiten Stufe für die Lösung Nummer 18 entschieden. Die endgültigen Verzahnungsparameter sind in Tabelle 03 zusammengefasst. Tabelle 03 Erste Stufe Zahnbreite (mm) b 1 = 31 b 2 = 31 Zähnezahl z 1 =30 z 2 = 91 Profilverschiebungsfaktor x 1 = 0.484 x 2 = 0.942 Achsabstand (mm) a = 96 Eingriffswinkel 25° Modul (mm) m n = 1.5 Schrägungswinkel Literaturverzeichnis [1] ISO 6336, Tragfähigkeitsberechnung von gerad- und schrägverzahnten Stirnrädern, Teile 1, 2, 3 und 6, 2019. [2] ISO 53, Stirnräder für den allgemeinen und Schwermaschinenbau – Standard-Bezugszahnstangen – Zahnprofile, 1998. [3] Kissling, U.: Layout of the Gear Micro Geometry, Gear Solutions, 2008. [4] DIN ISO 21771: 2014-08. [5] Zahnräder - Zylinderräder und Zylinderradpaare mit Evolventenverzahnung – Begriffe und Geometrie (ISO 21771:2007), 2014. [6] B. Schlecht Maschinelemente 2, Pearson Studium, Kapitel 18, 2009. [7]Roloff/Matek Maschinenelemente, Springer Vieweg 2019. DER AUTOR β = 15° (Ritzel, rechts-steigend) Fusssicherheit (berechnet) S F1 = 2.0 S F2 = 1.9 Flankensicherheit (berechnet) S H1 = 1.18 S H2 = 1.22 Gesamtüberdeckung (berechnet) ε γ = 3.00 Zweite Stufe Zahnbreite (mm) b 1 = 25 b 2 = 25 Zähnezahl z 1 =33 z 2 = 96 Profilverschiebungsfaktor x 1 = 0.171 x 2 = 0.279 Achsabstand (mm) a = 100 Eingriffswinkel 20° Modul (mm) m n = 1.5 Schrägungswinkel β = 15° (Ritzel, rechts-steigend) Fusssicherheit (berechnet) S F1 = 3.47 S F2 = 3.30 Flankensicherheit (berechnet) S H1 = 1.30 S H2 = 1.34 Gesamtüberdeckung (berechnet) ε γ = 3.00 Fotos: KISSsoft www.kisssoft.com Der Beitrag wird in der Ausgabe antriebstechnik 04/2022 fortgesetzt. M.Sc. ETH Ilja Tsikur ist Vertriebsingenieur bei der Kisssoft AG in Bubikon, Schweiz www.antriebstechnik.de antriebstechnik 2022/03 43