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antriebstechnik 3/2019

antriebstechnik 3/2019

Steigerung der

Steigerung der Zahnfußtragfähigkeit durch Inline-Festwalzen Das Kugelstrahlen stellt oftmals den letzten Bearbeitungsschritt in der Fertigungskette hochbelasteter Zahnräder zur Gewährleistung der Tragfähigkeit dar. In vielen anderen Bereichen dynamisch beanspruchter Bauteile hat sich das Festwalzen etabliert. Um dieses Verfahren auch für die Zahnradfertigung nutzbar zu machen, wurde ein innovatives Werkzeugkonzept entwickelt. E ine der größten Herausforderungen im Maschinenbau ist heute der ressourcenschonende Einsatz von Rohstoffen bei einer gleichzeitig steigenden Erwartungshaltung an die Leistungsfähigkeit von Bauteilen. Insbesondere die Automobilindustrie sieht sich einer kontinuierlichen Erhöhung des Fahrzeuggewichts ausgesetzt, das vorrangig aus erweiterten Sicherheitsvorkehrungen, der Zunahme elektronischer Hilfstechnik und den wachsenden Komfortansprüchen der Endkunden resultiert. Als Folge steigen auch der Energieverbrauch und im Bereich der kraftstoffbasierten Antriebe die CO 2 -Emissionen an, welches der restriktiven Emissionsgesetzgebung und dem Wunsch der Konsumenten nach sparsamen Produkten gegenübersteht [1, 2]. Den zentralen Ansatz zur Lösung dieser Problemstellungen bieten verschiedene Leichtbaustrategien, zu denen auch der Fertigungsleichtbau gehört. Bei dieser Maßnahme resultieren Gewichtseinsparungspotenziale aus der Anwendung unterschiedlicher Herstellungs-, Fertigungs- und Montageprozesse, die bspw. verbesserte Werkstoffeigenschaften hervorbringen können [3]. Auch im Forschungssektor der Zahnradgetriebe, deren Fortbestand sich derzeit auch im Bereich der Elektromobilität andeutet [4], strebt die Industrie permanent nach einer Senkung des Leistungsgewichts. Dieses Ziel kann durch eine Steigerung der Zahnfußtragfähigkeit und einer damit verbundenen Verbesserung der Leistungsdichte realisiert werden. Prof. Dr.-Ing. habil. Prof. h.c. Dr. h.c. B. Karpuschewski ist Leiter des Bereichs Fertigungstechnik am Leibniz-Institut für Werkstofforientierte Technologien (IWT) in Bremen; Prof. Dr.-Ing. Tjark Lierse ist Leiter des Fachgebiets Werkzeugmaschinen, Fertigungstechnik, Montage & Qualität (WFM), M. Sc. Steffen Schulze ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet WFM und M. Eng. Timo Rouven Kaul ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet WFM, alle drei an der Hochschule Hannover Im Rahmen des Projektes „FeWaZahn – Inline-Festwalzen zur Erhöhung der Zahnfußtragfähigkeit“, gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, strebt die Abteilung WFM (Werkzeugmaschinen, Fertigungstechnik, Montage & Qualität) der Hochschule Hannover in Kooperation mit der Ecoroll AG und der SincoTec Test Systems GmbH die Umsetzung dieser Zielvorgabe an. Theoretischer Hintergrund Zahnradgetriebe verbinden die Kraftmaschine mit der Arbeitsmaschine und übernehmen die Funktion der Drehzahl- und Drehmomentwandlung bzw. des Leistungstransfers. Hierbei resultiert bei einem sich im Eingriff befindlichen Zahn ein komplexer, dreidimensionaler Spannungszustand im Zahnfuß, der im Betrieb aufgrund der entlang der Flanke schreitenden Last zeitlich variiert. Zusätzlich entsteht durch die Zahnfußrundung eine Kerbwirkung, die zu einer Spannungskonzentration in diesem Bereich führt [5, 6]. Durch numerische Simulationen, experimentelle Untersuchungen und Bruchbilder kann eine maximale Beanspruchung des Zahnfußes in der Region des Berührpunktes der 30°-Tangente an der Zahnfußrundung nachgewiesen werden. Diese Erkenntnis fließt direkt in die Zahnradnormen und somit in den Festigkeitsnachweis gegen Zahnbruch ein [6–9]. Zur Steigerung der Dauerfestigkeit wird in der industriellen Praxis ein Großteil der in Leistungsgetrieben verwendeten Zahnräder randschichtverfestigt. Neben dem Nitrieren sowie dem Induktiv- und Flammhärten besitzt das Einsatzhärten eine hohe Anwendungshäufigkeit. Als ergänzende Maßnahme bewirkt ein der Wärmebehandlung nachgeschaltetes Kugelstrahlen eine weitere Erhöhung der Zahnfußtragfähigkeit von ca. 15 bis 50 % in Abhängigkeit der Zahnfußgeometrie und den verwendeten Strahlparametern [10, 11]. Ursächlich ist eine plastische Verformung der Bauteilrandzone durch das Strahlgut, die zu einer Kaltverfestigung 46 antriebstechnik 3/2019

und zur Ausbildung von Druckeigenspannungen in einem engen Bereich unmittelbar unterhalb der Werkstückoberfläche führt [12]. Hierdurch können sowohl die effektiv wirkenden Lastspannungen als auch die Risswachstumsgeschwindigkeit signifikant reduziert werden [13]. Gegenüber dem Kugelstrahlen kristallisieren sich beim Festwalzen zwei wesentliche Vorteile heraus, die einen positiven Einfluss auf die Zahnfußtragfähigkeit haben können. Neben der Einbringung wesentlich größerer und zugleich tiefreichenderer Druckeigenspannungen stellt sich ein höherer Grad an Kaltverfestigung ein, der ebenfalls weiter in das Bauteilinnere hineinreicht [14–16]. Bereits im Jahr 1990 führte das Unternehmen Liebisch die ersten Untersuchungen durch, um diese Vorzüge mithilfe eines einrolligen Werkzeugs auf das Festwalzen von Zahnfußbereichen zu projizieren. Die Rolle verfügte über die Negativform einer Zahnflanke und deckte die Hüllkurve des Zahnes ungefähr vom Zahngrund bis zum Teilkreisdurchmesser des Zahnrads ab. Zur Komplettbearbeitung einer Zahnlücke musste somit in zwei Durchfahrten jede Zahnflanke separat gewalzt werden. Auf diese Weise erzielte Liebisch eine maximale Steigerung der Dauerfestigkeit um 10 % gegenüber dem geschliffenen Oberflächenzustand. Als Hauptursache für diese unerwartet niedrige Optimierung der Lebensdauer wird auf parallel zum Zahnfuß verlaufende Schlackezeilen verwiesen, die eine rissauslösende Wirkung besitzen und einem höheren Verbesserungspotenzial entgegenwirken. Ungeklärt bleibt jedoch die Fragestellung, warum trotz der Schlackezeilen mit Anwendung des Kugelstrahlens eine achtzehnprozentige Dauerfestigkeitssteigerung gegenüber dem geschliffenen Zahnfußzustand festgestellt werden konnte. Auch der Sachverhalt eines unerwarteten Rissverlaufs in radialer Richtung, der oftmals bei den festgewalzten Proben auftrat und die Folge eines fehlerhaften Prozessablaufs, bspw. beim Ein führen der Rolle in die Zahnlücke, sein könnte, wird nicht näher beleuchtet [17]. Grundidee und Zielsetzung Zahnräder unterliegen im Berührpunkt der 30°-Tangente einer besonders hohen Bruchgefahr. Durch das Festwalzen des Zahnfußes in diesem versagenskritischen Bereich wird infolge der Kaltverfestigung und der Induktion von Druckeigenspannungen in der oberflächennahen Randzone eine Steigerung der Zahnfußtragfähigkeit gegenüber dem kugelgestrahlten Zahnradzustand erwartet, da die Verfestigungsmechanismen beim Festwalzen über eine größere Tiefenwirkung verfügen. Bild 01 zeigt den schematischen Aufbau und die prognostizierte Wirkungsweise des entwickelten Werkzeugs. Einzelne, hintereinander angeordnete Festwalzrollen sind an einem Rollenhalter „in line“ montiert. Über unterschiedliche Rollenbreiten, die entsprechend der Zahnfußhüllkurve aufeinander abgestimmt sind, kann durch horizontales Verfahren eine geeignete Überlappung der Walzbahnen in der bruchgefährdeten Region des Zahnfußes realisiert werden. Auf der Basis beliebig wählbarer Kontaktradien r k an den Umfangskonturen der einzelnen Walzrollen ist die effektiv wirksame Hertz´sche Pressung zwischen der jeweiligen Rolle und dem entsprechenden Berührpunkt im Zahngrund regulierbar und somit auch der Betrag und die Tiefe der einzubringenden Druckeigenspannungen, die den beim Schleifen eventuell induzierten Zugeigenspannungen entgegenwirken. Da die Rollen beidseitig den Walzvorgang ausführen, wird die Komplettbearbeitung einer Zahnlücke mit nur einer Durchfahrt des Inline-Werkzeugs umgesetzt. Zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit und zur Einhaltung der vom Schleifprozess vorgegebenen Taktzeiten können theoretisch mehrere Zahnräder hintereinander aufgespannt und „Zahnlücke für Zahnlücke“ festgewalzt werden. Die Aufbringung der Festwalzkräfte kann dabei mechanisch über Federpakete oder hydraulisch erfolgen. Insbesondere mittelständischen Verzahnungsherstellern, die oftmals das abschließende Kugelstrahlen von spezialisierten Unternehmen durchführen lassen, wird mit dem Inline-Festwalzen die antriebstechnik 3/2019 47