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antriebstechnik 3/2015

antriebstechnik 3/2015

MDA – MOTION, DRIVE

MDA – MOTION, DRIVE AND AUTOMATION I SPECIAL Biegen ohne zu brechen Speziallager für eine der weltweit größten Vier-Walzen-Biegemaschinen Benjamin Michael Für die Uniweld Maschinenbau GmbH & Co. KG hat SKF Pendelrollenlager entwickelt, die Schiefstellungen von bis zu 3,5 ° unter extrem hohen spezifischen Lasten ertragen: Die Lager kommen in einer der weltweit größten Vier-Walzen-Blechbiegemaschinen zum Einsatz, an deren Oberwalze Kräfte von mehr als 40 000 kN wirken. D ie Uniweld Maschinenbau GmbH & Co. KG ist ein mittelständisches Unternehmen mit Sitz in Burbach im Siegerland. Es entstand 1999 aus dem Zusammenschluss mehrerer regionaler Firmen, die sich auf Sonder maschinen für die Schweißtechnik, Unterpulver- Schweißanlagen- und Gerätebau, Standard- Schweißvorrichtungen, Rohrprüfanlagen und den allgemeinen Maschinenbau spezialisiert hatten. Durch das Zusammenfassen der jeweiligen Spezialisten aus diesen Bereichen unter einem Dach wurde das umfassende Know- How für alle Aufgabengebiete gebündelt. Benjamin Michael ist Anwendungsingenieur bei SKF in Schweinfurt Ein imposantes Beispiel für eine der Uniweld-Lösungen ist die Konstruktion einer der weltgrößten Vier-Walzen-Blechbiegemaschine. Sie ist rund 8 m hoch und breit, ca. 10 m tief und wiegt etwa 620 t. Zwei der vier Walzen (Ober- und Unterwalze) dieses Giganten dienen lediglich dazu, das Blech einzuspannen und zu führen. Über die beiden seitlichen Walzen können die notwendigen Biegekräfte aufgebracht werden. Vorteile einer Vier-Walzen-Biegemaschine Die Biegekräfte der Walzen müssen enorm hoch sein, da derartige Maschinen insbesondere zum Biegen von Rohren, Schalen und Konen mit großer Blechdicke dienen. Das gilt auch für das ebenfalls mögliche Richten von Blechen. Die Maschinen kommen vor allem im Apparate- und Kraftwerksbau sowie in der Herstellung von dickwandigen Großrohren zum Einsatz. Der Vorteil einer Vier-Walzen-Biegemaschine besteht darin, dass ein Rohr mit minimiertem geradem Ende hergestellt werden kann – das Werkstück weist nach der Bearbeitung also einen annähernd perfekten Kreisquerschnitt auf. Zu den weiteren Vorzügen der Uniweld- Lösung gehört, dass das Werkstück in der Maschine lediglich an der Seitenwalze einmal ausgerichtet werden muss. Dabei ist der Durchzug des Bleches durch die Blechklemmung zwischen Ober- und Unterwalze stets gewährleistet. Durch Schrägstellen der Walzen lässt sich das Werkstück konisch biegen. Darüber hinaus können

SPECIAL I MDA – MOTION, DRIVE AND AUTOMATION eventuell überbogene oder schlecht angebogene Rohrformen kalibriert werden. Durch die Möglichkeit, die angetriebenen Walzen beim Anbiegen zu blockieren, ergeben sich kurze Anbiegelängen bei maximaler Prozesssicherheit. Nicht zuletzt sorgt eine wegund druckgeregelte Gleichlaufsteuerung für eine hohe Biegepräzision. Gigantische Kräfte Um der Neukonstruktion der Vier-Walzen- Biegemaschine derartige Fähigkeiten zu verleihen, hat Uniweld SKF mit der Lagerauslegung beauftragt. Eine anspruchsvolle Aufgabe: Die Maschine biegt Stahlplatten mit einem Gewicht von bis zu 120 t zu Rohren. Da dies vornehmlich bei Raumtemperatur geschieht, entstehen enorme Kräfte – bei einer Drehzahl von nur einer Umdrehung pro Minute bis zu 23 365 kN an der Unterwalze und bis zu 40 443 kN an der Oberwalze. Damit die Maschine konisch biegen kann, werden die Walzen schiefgestellt. So lassen sich konisch zulaufende Rohrschüsse realisieren, wie man sie z. B. für Turmsegmente von Windenergieanlagen benötigt. Das bedeutet für die Lager dieser Walzen, dass sie winkelbeweglich sein müssen. Außerdem müssen die Lager bei der Herstellung solcher Turmelemente Kräfte von bis zu 40 000 Kilonewton aufnehmen. Das entspricht einem Gewicht von etwa 4 000 Kleinwagen. Verbreiterter Außenring für hohe Schiefstellung Aufgrund der hohen spezifischen Last sowie der Forderung nach Winkelbeweglichkeit kamen für den Einsatz an diesen Walzen im Prinzip nur Pendelrollenlager in Frage. Allerdings hätte die für Wälzlager sehr hohe Schiefstellung zwischen Innen- und Außenring von bis zu 3,5 ° bei „konventionellen“ Pendelrollenlagern für das Ausschwenken des Rollensatzes gesorgt. Das Problem dabei: Die Verringerung der Kontaktfläche zwischen Wälzkörpern und Laufbahnen hat eine deutliche Erhöhung der Kontaktspannungen zur Folge. Und die in der Anwendung zu erwartenden Kantenspannungen hätten deutlich die maximal zulässigen Werte „gewöhnlicher“ Pendelrollenlager überschritten. Deren maximale Verkippung zwischen Innen- und Außenring darf 1 ° meist nicht übersteigen, um unzulässig hohe Kontaktspannungen zu vermeiden. Aus diesem Grund haben die Ingenieure von SKF in enger Abstimmung mit den 01 An der Oberwalze wirken Kräfte von mehr als 40 000 kN Spezialisten von Uniweld ein Lager mit verbreitertem Außenring entwickelt. Dieser Lösungsansatz ermöglicht es, „Spannungsspitzen“ zu vermeiden: Der breitere Außenring sorgt für eine höhere Winkelbeweglichkeit, was größere Schiefstellungen erlaubt, ohne dass der Rollensatz in der Lastzone aus dem Lager ausschwenkt. Zwar ließ sich aus fertigungstechnischen Gründen nur eine Seite des Außenrings verbreitern, sodass bei der Montage darauf geachtet werden muss, dass die Schiefstellung in der Lastzone aufgenommen wird. Auch schwenkt der Rollensatz auf der lastfreien Seite des Lagers weiterhin aus. Allerdings hat das aufgrund der geringen Belastungen auf dieser Seite keinerlei negativen Einfluss auf die Funktionstüchtigkeit des maßgeschneiderten Pendelrollenlagers. Mit anderen Worten: Dank der neu entwickelten Lager ist es nun möglich, Schiefstellungen von bis zu 3,5 ° auszugleichen. Optimierte Schmierung 02 Zwei Mehrleistungsschmiersysteme gewährleisten die Schmierung der Biegemaschine Neben dem eigentlichen Lager-Design haben die Experten von SKF auch die Schmierung überarbeitet. Wegen der sehr niedrigen Drehzahlen und extrem hohen Lasten kann kein elasto-hydrodynamischer Schmierfilm (EHD) entstehen. SKF empfahl das hauseigene Fett LGEV2 als Schmierstoff. Durch den hohen Anteil an Festschmierstoffen und das hochviskose Grundöl ist dieses Fett für Anwendungen mit niedrigen Drehzahlen und hohen Belastungen sehr gut geeignet. Allerdings muss im Fall der Vier-Walzen-Biegemaschine und ihren außergewöhnlichen Betriebsbedingungen damit gerechnet werden, dass ein relativ hoher Verschleiß entsteht. Die Lager wer den deshalb sehr häufig nachgeschmiert, um mögliche Partikel aus dem Lager heraus zu transportieren. Für die Schmierstoff-Zufuhr sorgen zwei Mehrleitungs-Schmiersysteme von SKF: Eines kümmert sich ausschließlich um die Schmierung der Lager, das andere setzt Uniweld für die übrigen Schmierpunkte der Maschine ein. Anders als die anwendungsspezifischen Pendelrollenlager erfordern die übrigen Schmierpunkte der Vier-Walzen- Biegemaschine kein besonderes Schmiermittel, sodass Uniweld durch das Setup mit zwei Schmiersystemen unter dem Strich Kosten spart. Projekte wie die Vier-Walzen-Biegemaschine von Uniweld veranschaulichen, was das „knowledge engineering“ von SKF in der Praxis bedeutet: kompetente Beratung schon in der Projektplanungsphase, partnerschaftliche Entwicklung maßgeschneiderter Lösungen für die Neukonstruktion und effektive Minimierung von Gesamtbetriebskosten. www.skf.com antriebstechnik 3/2015 69