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antriebstechnik 12/2019

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FORSCHUNG UND

FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG Nachgiebigkeit 10 1 µm N 10 -1 10 -2 10 -3 10 -4 03 Vergleich der dynamischen Nachgiebigkeit des MPS mit der von Werkstücktischen anderer Magnetachsen Drehschwenktisch Beschleunigungssensor MPS Beschleunigungssensor 10 -5 10 1 10 2 Hz Uhrzeigersinn (CW) F CW, min F CW, max 0 Frequenz f 04 Kreisformtest in der X-Z Ebene des MPS Z GCW DCW F CCW, max Messwerte nach ISO 230-4: Messgerät (intern): Rad. Abw. FCW, max = 1,2 µm FCCW, max = 1,2 µm Typ: LIK-2D Rad. Abw. F CW, min = – 1,2 µm FCCW, min = – 1,2 µm Genauigkeit: ± 5 µm Kreisabw. G CW = 2,4 µm GCCW = 2,4 µm Teilung: 20 µm Rad. Fehl. D CW = – 0,1 µm DCCW = – 0,1 µm Auflösung: 5 nm Sollwerte r soll = 10,0 mm vsoll = 0,2 m/min mit 50 µm direkt aus der maximalen Dickenänderung der Führungsflächen. Um zusätzlich auch Feinpositionieren zu können, wurde ein Luftspalt von 300 µm für das MPS gewählt. Mit zusätzlicher Berücksichtigung der Fanglager ergibt sich ein Stellweg des Y-FHG von 150 µm. Zusammen mit dem Luftspaltsensorabstand von 334 mm in der X-Achse und 502 mm in der Z-Achse beträgt die maximal mögliche Verkippung um die X-Achse 450 µm/m und um die Z-Achse 300 µm/m. POSITIONIERVERHALTEN DES MPS X UPHPC X A Fu/82132 © IFW C Z Z Y 0 B X 10 3 gegen Uhrzeigersinn (CCW) GCCW F CCW, min DCCW Fu/82127 © IFW Die Positioniergenauigkeit der magnetisch geführten FHG (Y, A, C) wurde nach ISO 230-2 mithilfe eines Renishaw Laserinterferometers ML10 bestimmt. Dazu wurden elf Messpunkte im Verfahrbereich je fünf Mal von zwei Richtungen angefahren. Die absolute Positioniergenauigkeit A des Y-FHG beträgt A Y = 0,52 µm, des A-FHG A A = 6,0 µm/m und des C-FHG A C = 4,9 µm/m. Die Wiederholpräzision R liegt für den Y-FHG bei R Y = 0,41 µm, für den A-FHG bei R A = 5,5 µm/m und für den C-FHG bei R C = 4,7 µm/m. Die Wiederholpräzision beschreibt die maximale Abweichung, die beim Anfahren des gleichen Messpunktes auftritt. Nach der Kompensation der systematischen Fehler liegt die absolute Positioniergenauigkeit des MPS daher trotz der Formabweichungen der Führungsflächen unter 1 µm. Entscheidend für eine hohe Bauteilqualität ist neben der statischen Positioniergenauigkeit auch eine geringe dynamische Nachgiebigkeit. Dies ist, bedingt durch die dynamische Anregung aufgrund der Zahneingriffsfrequenz, insbesondere beim Fräsen von hoher Relevanz. Die Bewertung des MPS erfolgte dabei auf Basis des Nachgiebigkeitsfrequenzgangs des Y-FHG. Dazu wurde der Schlitten mit einem Beschleunigungssensor ausgestattet und in unmittelbarer Nähe mit einem Impulshammer in Richtung des negativen Y-FHG angeregt. Der ermittelte Nachgiebigkeitsfrequenzgang ist in Bild 03 illustriert. Im Frequenzbereich zwischen 10 und 100 Hz liegt die Nachgiebigkeit nahezu konstant bei 50 µm/kN. Ab einer Frequenz von 100 Hz reduziert sich die Nachgiebigkeit um 40 dB/Dekade. Bei 750 Hz folgt mit einem maximalen Wert von 38 µm/kN die erste relevante Eigenfrequenz des Schlittens. Bei dieser Eigenfrequenz schwingt der obere Teil des Schlittens entgegen des unteren Teils. Zum Vergleich wurde zusätzlich die dynamische Nachgiebigkeit der Werkstücktische von zwei weiteren im IFW umgesetzten Magnetführungen experimentell bestimmt – siehe Bild 03. Zum einen wurde ein Drehschwenktisch aufgebaut und erforscht [DEN17]. Der zusammen mit Siemens und MAG IAS umgesetzte Prototyp arbeitet mit Siemens Leistungshardware und kann als Drehschwenktisch in Fräsmaschinen eingesetzt werden. Das dritte im IFW realisierte System wird im Rahmen der Forschergruppe FOR 1845 „Ultra-Precision High Performance Cutting“ (UP-HPC) mit dem Fokus der Ultrapräzisionszerspanung erforscht [DEN18]. Durch die Verwendung hochgenauer Sensoren ist bei diesem System unmittelbar nach der Inbetriebnahme bereits eine absolute Positioniergenauigkeit von 330 nm möglich. Es ist zu erkennen, dass die Nachgiebigkeiten des MPS im Frequenzbereich zwischen 10 und 50 Hz im Vergleich zu den anderen Systemen um 90 % niedriger sind. Diese geringe Nachgiebigkeit wird durch Bandstoppfilter im Bereich der Eigenfrequenzen des MPS ermöglicht. Durch diese Filter ist es möglich, deutlich größere Regelverstärkungen zu verwenden, was zu geringeren Nachgiebigkeiten führt. Ein vergleichbares Vorgehen ist für den Drehschwenktisch geplant, sodass in Zukunft zum MPS vergleichbare Nachgiebigkeiten zu erwarten sind. Im Bereich zwischen 100 und 500 Hz dominiert die träge Masse der bewegten Schlitten die dynamische Nachgiebigkeit. Mit einer Schlittenmasse von 40 kg ist der Schlitten der UP-HPC-Magnetführung 100 kg leichter als der des MPS bzw. des Drehschwenktisches. Dadurch ergibt sich in diesem Frequenzbereich für das MPS und den Drehschwenktisch eine um 60 % niedrigere Nachgiebigkeit. Im Gegensatz zum MPS liegen die ersten Eigenfrequenzen der verglichenen Systeme oberhalb von 1 kHz. Neben der Positioniergenauigkeit der Y-, A- und C-FHG ist zusätzlich die Positioniergenauigkeit der X- und Z-Achse von Bedeutung. Wegen der ausgeglichenen Masse des Schlittens, der Reibungsfreiheit der Magnetführung und der identischen Dynamik der beiden Achsen ist eine hohe Genauigkeit des MPS zu erwarten. Zur Ermittlung dieser Positioniergenauigkeit eignet sich der Kreisformtest nach ISO 230-4. Im ersten Schritt wurde dieser anhand des integrierten Kreuzgittermesssystems durchgeführt. In Bild 04 ist das Ergebnis einer Kreisfahrt mit einem Radius von 10 mm und einer Bahngeschwindigkeit von 200 mm/min dargestellt. Durch die Reibungsfreiheit der Magnetführung sind im Gegensatz zur klassisch geführten Vorschubachsen keine Abweichungen an den Quadrantenübergängen zu erkennen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass bei der Magnetführung kein Vorzeichenwechsel der Reibkraft auftritt. Bei klassisch geführten Vorschubachsen führt dieser Vorzeichenwechsel zu Positionierfehlern im 42 antriebstechnik 2019/12 www.antriebstechnik.de

FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG Umkehrpunkt. Diese zeichnen sich im Kreisformtest an den Quadrantenübergängen ab. Die maximale radiale Abweichung vom Sollradius liegt mit F max = 1,2 µm im niedrigen einstelligen Bereich. Einziger Nachteil besteht zurzeit noch in dem relativ hohen Rauschpegel von ± 1 µm im Positionssignal. Dieses Rauschen ist nach [WEC06] auf Schwingungen der Maschine zurückzuführen. Im Fall des MPS resultiert dieses Positionsrauschen am Sensorkopf des Kreuzgittermesssystems aus minimalen Verkippungen, dem sogenannten Führungsrauschen der aktiv geregelten A- und C-FHG. Aktuelle Arbeiten beschäftigen sich mit der Optimierung der Regelungsparameter in Hinblick auf das Führungsrauschen. FAZIT UND AUSBLICK In diesem Artikel wurde ein magnetisch geführtes und direkt angetriebenes Mehrkoordinaten-Positioniersystem vorgestellt. Durch die Verbindung des direkten planaren Antriebs mit der magnetischen Flächenführung können die positiven Eigenschaften beider Systeme erstmalig vereint werden. Hierdurch verfügt das System über Verschleißfreiheit, Reibungs- und Geräuscharmut, eine sehr hohe statische Lagersteifigkeit, eine kompakte Bauweise und eine identisch hohe Dynamik in beiden Vorschubachsen. Aufgrund der Feinpositionierung der Magnetführungen können Führungsflächen mit deutlich niedrigeren Fertigungsgenauigkeiten als bei anderen Führungssystemen eingesetzt werden. Resultierende Verkippungen werden anhand einer Kompensationstabelle kompensiert. Aktuell wird diese Kompensationsmatrix mithilfe eines 6D-Interferometers bestimmt. Aus der ermittelten Wiederholpräzision von unter 0,5 µm wird eine Positioniergenauigkeit von unter 1 µm erwartet. Weiterhin wurde gezeigt, dass durch die Verwendung von Bandstoppfiltern die Nachgiebigkeit der Magnetführung im Vergleich zu anderen Magnetführungssystemen deutlich reduziert werden konnte. In einem beantragten Folgeprojekt soll auch der B-FHG aktiv geregelt werden, wodurch die mechanische Verdrehsperre entfällt. DIE AUTOREN Prof. Dr.-Ing. Berend Denkena, Leiter des Instituts für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW) der Leibniz Universität Hannover Dr.-Ing. Benjamin Bergmann, Leiter des Bereiches Maschinen und Steuerungen des IFW der Leibniz Universität Hannover Fotos: Leibniz Universität Hannover Literaturverzeichnis: [DEN17] Denkena B, Brühne T (2017) Magnetlager für Werkzeugmaschinenrundtische. antriebstechnik 2017(10):108–111 [DEN18] Denkena B, Bergmann B, Krüger R (2018) Elektromagnetische Linearführung für die hochpräzise Zerspanung. ZWF Zeitschrift für wirtschaftlichen Fabrikbetrieb 2018(7-8):2–6 [VDM19] VDMA (2019) Produktion von Präzisionswerkzeugen in Deutschland in den Jahren 2005 bis 2019. https://de.statista.com/ statistik/daten/studie/476895/umfrage/produktion-von-praezisionswerkzeugen-in-deutschland/ (aufgerufen am 12.09.2019) [WEC06] Weck M, Brecher C (2006) Werkzeugmaschinen 5: Messtechnische Untersuchung und Beurteilung, dynamische Stabilität. 7. Aufl. Springer- Verlag, Berlin, Heidelberg. Dipl.-Ing. Jonathan Fuchs, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Maschinen und Steuerungen am IFW der Leibniz Universität Hannover VIDEO DANKSAGUNG Das Forschungsprojekt mit dem Titel „Grundlagen eines Mehrkoordinaten-Positioniersystems für spanende Werkzeugmaschinen“ wurde gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) – Projektnummer 259798414. Das IFW bedankt sich für die finanzielle Unterstützung in diesem Projekt. Sehen Sie hier ein Video vom magnetisch gelagerten Mehrkoordinaten-Positioniersystem: www.antriebstechnik.de/ifw19 www.antriebstechnik.de antriebstechnik 2019/12 43