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antriebstechnik 12/2018

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KOMPONENTEN UND SOFTWARE

KOMPONENTEN UND SOFTWARE Mit Automation zum Superwurm Selbstentwickelte Roboter automatisieren arbeitsintensive Prozesse in der Wurmzucht Um seine Wurmzucht zu verbessern und effektiver zu machen, entwickelt Martin Langhoff seit etwa zehn Jahren eigene Maschinen, die den Familienbetrieb bei der täglichen Arbeit entlasten. Für den Einsatz bei Wasser, Erde und Schmutz sind robuste Linearführungen und Energieketten zu einem zuverlässigen Partner geworden. Vor 20 Jahren steht der kleine Marvin neugierig vor seinem Vater und fragt „Papa, wie vermehren sich eigentlich Regenwürmer?“ Martin Langhoff zögert nicht lange und nimmt das Internet zur Hilfe, um die Frage zu beantworten. Marvins Frage ist der Startschuss für ein Familienunternehmen, das den meisten etwas wundersam vorkommt: Familie Langhoff betreibt unter dem Namen Superwurm eine Wurmfarm und widmet sich voll und ganz der Züchtung des Riesen-Rotwurms, auch Dendrobena genannt. Dabei setzt die Familie auf Automatisierung. Selbstkonstruierte Maschinen mit Igus-Komponenten übernehmen Arbeitsschritte, die bislang sehr zeitaufwändig waren. Geplant ist außerdem, die Maschinen bald selbst zu vertreiben. Alexander Mühlens ist Head of Projects, Drylin Drive Technology bei der Igus GmbH in Köln Zehn Jahre ohne Wartung und Reinigung Auf Igus-Produkte ist Martin Langhoff gestoßen, als er auf der Suche nach Bauteilen für seine erste Maschine war. Der Fütterungsund Bewässerungsprozess der Würmer sollte teilautomatisiert werden. Deshalb mussten es Bauteile sein, die unter erschwerten Einsatzbedingungen bei Schmutz, Erde und Feuchtigkeit zuverlässig und dauerhaft funktionieren, da die Maschine für den 24 h Dauerbetrieb ausgelegt wurde. Außerdem sollten sie keine Schmierung benötigen, damit Würmer und Erde unbeschadet bleiben. Mittlerweile sind die Drylin R-Quattroschlitten mit Vollkunststofflagern, die auf zwei parallelen Wellen gleiten, und die E4 E-Ketten seit zehn Jahren im Dauereinsatz. Die Maschine läuft ohne Wartung und ohne Reinigung. Die Lagerhalle von Superwurm ist vollgestapelt mit Eurocontainern, die Erde und Würmer enthalten. Jeder dieser Container muss einmal pro Woche bewässert werden und es wird Futter auf die Erde gestreut. Dazu werden die Container bislang mit einem Hubwagen aus dem Lager in Langhoffs erste Fütterungs- und Bewässerungsmaschine gefahren. Diese nimmt immer zwei Container gleichzeitig mit einem Druckluftgreifer und platziert sie in der nächsten Station, wo sie mit Wasser besprüht und mit Futter bestreut werden. Die Drylin-Quattroschlitten dienen dabei als Lagerstellen der beweglichen Greifelemente. Besonders bei dieser Maschine gelangen Erde und Feuchtigkeit an die Lagerstellen. Da die Gleitelemente der Linearführungen aus Kunststoff mit inkorporierten Festschmierstoffen bestehen und somit keine zusätzliche Schmierung benötigen, kann auch kein Schmiermittel in die Erde oder zu den Würmern gelangen. Ein weiterer Vorteil der selbstschmierenden Gleitelemente ist, dass Schmutz nicht an Fett oder Öl anhaften kann. Selbst bei Sand und Staub kann Drylin eingesetzt werden, da Fremdkörper durch die Kontaktfläche zwischen Kunststoffgleitelement und Welle einfach aus der Laufbahn befördert werden. Auch den E-Ketten machen die rauen Einsatzbedingungen nichts aus. Trotz Schmutz, Feuchtigkeit und ständiger Belastung führen sie die Leitungen zuverlässig und geräuscharm. Freitragende Längen stellen kein Hindernis dar. Fütterung und Bewässerung rund um die Uhr Um die Automatisierung des Fütterungs- und Bewässerungsprozesses zu vollständigen, entwickelte Langhoff völlig neue Maschinen. Dazu gehören zwei Roboter, ein Förderband sowie ein fahrerloses Transportfahrzeug (FTF). Die monotonen Arbeitsschritte müssen so nicht mehr in Vollzeit vom Personal übernommen werden, sodass sich dies auf anspruchsvollere Aufgaben konzentrieren kann. „Mit der neuen Anlage kann die Fütterung und Bewässerung rund um die Uhr durchgeführt werden. Zudem werden Fehler auf ein absolutes Minimum reduziert.“ erklärt Martin Langhoff. Das FTF holt die mit Erde und Würmern gefüllten Eurocontainer stapelweise vom Lager zur neuen Fütterungs- und Bewässerungsanlage. Dazu sind zwei parallel synchron angetriebene Drylin ZLW-Zahnriemenachsen inklusive Portalmittenantrieb verbaut, welche die Containerstapel auf einem Rollwagen in das Transportfahrzeug ziehen. Dafür waren Zahnriemenachsen mit 32 antriebstechnik 12/2018

KOMPONENTEN UND SOFTWARE Schrittmotoren (Nema 23) notwendig, die 120 kg schwere Container ziehen können. Dieses Komplettsystem ist besonders leicht, erfordert für den Betrieb nur eine geringe Leistung und ist stoß- und schmutzunempfindlich. Für die Bewegung der Zahnriemenachsen werden die Leitungen mithilfe einer E6 E-Kette geführt. So wird ihre Lebensdauer erhöht und sie sind vor äußeren Einflüssen geschützt. Sind die Container vollständig ins FTF eingezogen, wird durch einen Igus Schrittmotor (Nema 23) eine Schranke geschlossen, um beim Transport für zusätzliche Sicherheit zu sorgen. Nur dadurch sind eine CE-Kennzeichnung und eine Zulassung für die Nutzung im Betrieb möglich. An der neuen Fütterungs- und Bewässerungsanlage angekommen, fährt das FTF die Container zum ersten Roboter, der diese nacheinander vom Rollwagen-Stapel auf ein Förderband stellt. Dabei arbeitet er mit einem intelligenten Greifer, der die Position der Container erkennt, korrigiert und diese erst dann anhebt, wenn ein sicherer Griff garantiert ist. „Dafür brauchten wir kostengünstige, kompakte und leichte Bauteile“, erklärt Langhoff. Zum Auf- und Zufahren des Greifers werden deshalb Wellen in ‚Igubal ESTM‘-Stehlagern gelagert. Sie halten dank speziellen Tribopolymeren hohen radialen Belastungen stand, sind selbstschmierend und somit wartungsfrei. Für die Bewegung des Roboters förderlich sind außerdem ihr schwingungsdämpfendes Material sowie das geringe Gewicht. Um die Leitungen bei den schnellen Bewegungen des Roboters sicher zu führen und für lang haltende Leitungen zu sorgen, wird eine Energiekette der Baureihe E4 eingesetzt. Zusätzlich kommen Igus Schrittmotoren (Nema 23) mit Getriebe zum Einsatz, damit der Greifer die Container auf dem Förderband positionieren kann. 01 Auf dem Band werden die Container dann automatisch bewässert und es wird Futter auf die Erde gestreut. Am anderen Ende des Förderbandes hebt ein zweiter Roboter die fertigen Container vom Fließband zurück auf einen Rollwagen, das FTF holt sie ab und transportiert sie zurück ins Lager. Fällt der Akkustand unter einen Grenzwert, dann fährt das Fahrzeug selbstständig zur Ladestation und ist nach 30 min wieder einsatzbereit. Nach der Optimierungsphase plant der Familienbetrieb ein zweites baugleiches FTF einzusetzen, um den Prozess zusätzlich zu beschleunigen. Akkordarbeit automatisiert Um die Würmer Hältern zu können, bietet Superwurm einen speziellen Eimer an. Bislang mussten in jeden Eimer große Belüftungslöcher gebohrt werden, die mit maßgefertigten Kunststoffsieben verklebt wurden. Das Bearbeiten der Eimer und Einkleben der Siebe bedeuteten für die Langhoffs einen hohen Zeit- und Kostenfaktor. Allein die selbstklebenden Siebe kosteten etwa 2 500 EUR/Jahr. „Das war für uns immer eine sehr nervige Arbeit. Niemand mochte es gerne“, sagt Langhoff. Also machte er sich Gedanken, wie auch dieser Prozess verbessert werden könnte. Herausgekommen ist ein Rahmen, in den 40 Eimer gleichzeitig eingespannt werden können. „Nun sind nur noch zehn Minuten Umrüstzeit notwendig, um die Eimer in die Maschine einzusetzen“, merkt Langhoff an. Ein Multifunktionswerkzeug von Dremel wird mithilfe eines ‚Drylin‘-Portals bewegt und bohrt die Lüftungslöcher automatisiert in die Eimer. Gestützt werden die Wellen des Portals dabei von ‚Igubal KSTM‘-Stehlagern, damit sie parallel synchronisiert werden können. Siebe für die Löcher werden nicht mehr benötigt, da die kleine Bohrmaschine mit 01 In der ersten Futterstation sind die Energieketten und Linearführungen bereits seit zehn Jahren ohne Wartung und Reinigung im Einsatz 02 Greifer des Roboterarms im Detail: Zum Auf- und Zufahren sind die Wellen in Stehlager gelagert. So ist der Greifarm wartungsfrei und selbstschmierend 02 winzigen Löchern jetzt auch gleich das Firmenlogo in die Eimer bohrt. Es kann nichts aus den Löchern fallen und gleichzeitig ist eine Verpackung entstanden, die heraussticht. Bei der Konstruktion des Eimerbohrers stieß Martin Langhoff jedoch auf einige Schwierigkeiten. Für das Portal nutze er ‚Drylin‘-Zahnriemenachsen mit Schrittmotoren. Initiatoren und Achsenhalter wurden für die Anwendung passend zu den Konstruktionsprofilen ausgewählt. Der anfangs verwendete Schrittmotor für die vertikale Achse war zu schwach und konnte das Multifunktionswerkzeug nicht wie gewünscht bewegen. Mit dem Einbau eines größeren Motors war dieses Problem behoben. Auch bei dieser Maschine nutzen die Langhoffs die Vorteile der E-Ketten Baureihe E4, die große Hübe ermöglicht. Durch ihre stabile Bauweise eignen sich diese Energieführungsketten ideal zum Leitungsschutz für die Bewegungen des Portals und ermöglichen große Hübe. Beim Bohren der Belüftungslöcher fallen viele sehr feine Plastikspäne an. Da die eingesetzten Produkte schmutzunempfindlich sind, sind sie für den Einsatz bei Spänen geeignet. Darüber hinaus verzichten sie auf zusätzliche Schmiermittel, so sind die Komponenten leicht zu reinigen und Späne können nicht anhaften. Zukunftspläne Weltweit gibt es bereits Unternehmen, die die gleiche Marktlücke erkannt haben wie Familie Langhoff. Jedoch ist die arbeitsintensive Wurmzucht dort so gut wie gar nicht automatisiert. „Kleine Unternehmen müssen bezahlbare und einfache Automatisierungslösungen für Produktion und Lager nutzen, um mit den Großen mithalten zu können“, erklärt Martin Langhoff. Ein Grund mehr, die eigenen Entwicklungen auch anderen Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Die Langhoffs planen, ihre Automatisierungslösungen zu vertreiben und haben dafür die Firma ‚RobCoTec‘ gegründet. Dass in den Maschinen Igus-Produkte eingesetzt werden, kommt nicht von ungefähr. Die Komponenten sind besonders verschleißfest und wartungsfrei. So könne man sichergehen, dass die Maschinen beim Kunden lange und zuverlässig laufen, sagt Langhoff. Die Produkte sind im Notfall überall schnell verfügbar. Zahlreiche Niederlassungen ermöglichen Kunden weltweit eine schnelle Verfügbarkeit von Bauteilen. „Außerdem schätzen wir den schnellen und unkomplizierten Service. Das findet man nicht überall“, fügt Langhoff hinzu. Für die Zukunft sieht er weiteren Automatisierungsbedarf in seinem Betrieb und verspricht: „Die ersten Ideen habe ich schon im Kopf.“ Fotos: Igus www.igus.de antriebstechnik 12/2018 33