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antriebstechnik 12/2015

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Mehr Ruhe an Bord

Mehr Ruhe an Bord Prognosewerkzeug ermöglicht sichere Hervorsage akustischer Eigenschaften von Schiffen Passagiere, Schiffspersonal sowie Anwohner an Flüssen und Häfen sind häufig einer hohen Lärmbelastung ausgesetzt, die durch Vibrationen der Schiffsmotoren entsteht. Auf Grundlage neuer gesetzlicher Grenzwerte und gestiegener Anforderungen der Schifffahrtbetreiber soll in Zukunft ein Vorhersage-Tool Werften dabei unterstützen, in jeder Phase des Entwicklungsprozesses effiziente und sichere Vorhersagen über die akustischen Eigenschaften eines Schiffsneubaus treffen zu können. Das Thema Komfort ist in den letzten Jahren für Schiffspassagiere als Qualitätskriterium immer wichtiger geworden. Eigentümer und Werften folgen dem Trend und setzen niedrige Grenzwerte für Lärm und Vibrationen an, die während des Schiffsbetriebes zu beachteten sind. Gleichzeitig führt der forcierte Leichtbau in Kombination mit den hohen Leistungen der Hauptantriebsmotoren zu Schwingungen mit negativen Auswirkungen auf die Sicherheit und den Komfort an Bord. In dieser Situation kann die effiziente Vorhersage des vibro-akustischen Verhaltens von Schiffen helfen, Auffälligkeiten zu identifizieren, das Schiffsdesign zu optimieren und kostspielige Nacharbeit im Anschluss an Probefahrten zu vermeiden. Für Werften sind ihre schwimmenden Produkte wie etwa Yachten überwiegend Unikate, andere wie Container- und Kreuzfahrtschiffe laufen mitunter auch baugleich in geringen Stückzahlen vom Stapel. Daher fehlt ihnen die Möglichkeit, Planungen anhand von Proto typen zu verfeinern. Zudem sind die Entwicklungszyklen vergleichsweise kurz. Soll ein geplantes Schiff über möglichst gute akustische Eigenschaften verfügen, d. h. eine Lärmbelästigung durch die Vielzahl infrage kommender Lärmquellen effizient vermieden werden, benötigen die Entwickler möglichst frühzeitig akustische Prognosen. Heute genutzte Methoden sind recht genau, ihre Ergebnisse liegen aber erst spät vor. Übertragung von Geräuschen simulieren Im Rahmen des Projektes EPES „Effiziente Prognose der vibro-akustischen Eigenschaften in der Schiffsentwurfsphase“, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wird, hat das Fraunhofer LBF mit seinen Partnern die Quellen der Anregung, z. B. den Hauptmotor oder Pumpen, numerisch modelliert, um die Übertragung von Geräuschen und Vibrationen in die Schiffsstrukturen zu simulieren. An Bord eines Schiffes sind Verbrennungsmotoren relevante Quellen des Körperschalls, die Schwingungen als Folge des Verbrennungsprozesses in den Rumpf einleiten. Die 44 antriebstechnik 12/2015

SPECIAL I SIMULATION Der Drehschwingungsprüfstand dient der Überprüfung des Simulationsansatzes Hauptmaschine leitet Anregungskräfte in das Fundament und Drehmomente in den Antriebsstrang ein. Die daraus resultierenden Drehschwingungen wiederum induzieren Körperschall in Getriebe, Kupplung und anderen Teilen des Antriebsstrangs. Um den vorgeschlagenen Simulationsansatz zu überprüfen, nutzten die Wissenschaftler einen Drehschwingungsprüfstand. Sie entwickelten ein numerisches Modell für einen Zweizylinder-V-Motor und simulierten stationäre Betriebsbedingungen sowie transiente Ereignisse wie Zündaussetzer und Hochläufe des Motors auf Systemebene mit Matlab/Simulink. Abschließend evaluierten die Forscher die Genauigkeit des Modells durch den Vergleich numerischer und experimenteller Versuchsdaten. Das Ergebnis zeigt, dass die vorgeschlagenen Methoden verwendet werden können, um die Anregungskräfte und Beschleunigungen in das Motorfundament vorherzusagen. In der Zukunft wird sich das entwickelte Modell für akustische Optimierungen von Schiffen eignen. Vibo-akustisches Verhalten vorhersagen Das von den Darmstädter Wissenschaftlern vorgestellte numerische Modell ist Teil eines aktuell entwickelten Software-Werkzeugkastens, um das vibro-akustische Verhalten eines Schiffes effizient vorherzusagen. Eines „Schwingungen messen, überwachen und beeinflussen“ der Ziele ist die Identifikation der akustischen Anregungsmechanismen in einer frühen Entwurfsphase und auch parallel im Entwicklungsprozess. Das Projekt EPES ist für das Fraunhofer LBF ein weiterer Schritt zur ganzheitlichen Analyse und Bewertung von mechanischen Systemen. Zum vibro-akustischen Leistungsangebot des Instituts gehören experimentelle und numerische Analysen sowie die Auslegung schwingungstechnischer Maßnahmen. Die Systemanalyse beginnt mit experimentellen strukturdynamischen Methoden vor Ort oder im Labor unter definierten Umgebungsbedingungen. Ergänzend werden ganzheitliche numerische Ansätze zur Modellbildung, Simulation, Analyse und Optimierung passiver und aktiver Strukturen verfolgt. Daraus leiten die Wissenschaftler Maßnahmen für die pas sive, semiaktive oder aktive Verbesserung bezüglich des vibroakustischen Strukturverhaltens ab, verifizieren und bewerten diese durch Nachweisversuche. Projektpartner bei EPES sind neben dem Fraunhofer LBF das assoziierte Fachgebiet Systemzuverlässigkeit und Maschinen akustik SzM der Technischen Universität Darmstadt, Flensburger Schiffbau-Gesellschaft mbH & Co. KG, Fr. Lürssen Werft GmbH & Co., Novicos GmbH, Technische Universität Berlin, Technische Universität Hamburg- Harburg, Howaldts werke-Deutsche- Werft GmbH und TKMS Blohm + Voss Nordseewerke GmbH. www.lbf.fraunhofer.de antriebstechnik 12/2015 45