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antriebstechnik 11/2018

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Planbarer Stillstand So

Planbarer Stillstand So lassen sich Kosten durch Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben sparen Der Ausfall eines Kugelgewindetriebes in der Vorschubachse einer Werkzeugmaschine bedeutet normalerweise ungeplante Stillstandzeiten verbunden mit teils hohen Kosten für Monteureinsätze und Ersatzteile. Um dem vorzubeugen, entwickelte Steinmeyer ein Konzept, bei dem das System permanent überwacht wird. So lassen sich drohende Probleme frühzeitig erkennen und eventuell erforderliche Maßnahmen rechtzeitig einleiten. Durch unerwartete Ausfälle von Kugelgewindetrieben entstehen vor allem in der Serienproduktion schnell hohe Kosten. Als eines der häufigsten Ausfallkriterien gelten der Verlust der Vorspannung und damit das Auftreten von Spiel zwischen Spindel und Mutter aufgrund von adhäsivem bzw. abrasivem Verschleiß der Laufbahnen und Kugeln. Um dem vorzubeugen, startete die August Steinmeyer GmbH & Co. KG ein Entwicklungsprojekt zur permanenten Überwachung des Zustands des Kugelgewindetriebes. Eine wesentliche Kenngröße für die Qualität eines solchen Bauteils stellt die Vorspannung der Mutter auf der Spindelwelle dar: Sie ist eine notwendige Voraussetzung für die Leistungsfähigkeit des Kugelgewindetriebs, z. B. für die Spielfreiheit, Positioniergenauigkeit oder Steifigkeit. „Ohne die Vorspannung schwingt die Achse auf und es werden weder eine ausreichende Positioniergenauigkeit noch gute Oberflächen bei der Bearbeitung erreicht“, erklärte Wolfgang Klöblen, Entwicklungsleiter bei Steinmeyer. Elisabeth Schweiger ist Marketingleiterin bei der August Steinmeyer GmbH & Co. KG in Albstadt Vorspannung permanent überwachen Die von Steinmeyer entwickelte Technik der Zustandsüber wachung eines Kugelgewindetriebs zielt darauf ab, die Vorspannung der Mutter auf der Spindelwelle durchgehend kontrollieren zu können. Dazu wird das Niveau der Vorspannung im Neuzustand gemessen und anschließend die Abnahme über die Lebensdauer permanent aufgezeichnet und ausgewertet. Durch die Definition individueller Grenzwerte lassen sich Warnmeldungen generieren, die ausgegeben werden, wenn die Vorspannung unter einen vorgegebenen Grenzwert sinkt. „Dies eröffnet die Möglichkeit, einen geplanten Austausch in Ruhe vorzubereiten und durchzuführen. Gleichzeitig lassen sich damit Kosten aufgrund von Stillstandzeiten, Ersatzteilbeschaffung und Monteureinsätzen minimieren“, erläutert Klöblen die Vorteile. Neuer Ansatz zur Bewertung Bisher existierte jedoch noch kein zuverlässiges System für die direkte Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben in der Vorschubachse einer Werkzeugmaschine während des Betriebes. Zwar sei man bereits in der Lage gewesen, indirekte Signale auszu­ 64 antriebstechnik 11/2018

Drehmoment [Nm] GETRIEBE UND GETRIEBEMOTOREN 01 Die Zustandsüberwachung zielt darauf ab, die Vorspannung der Mutter auf der Spindelwelle durchgehend zu überwachen 03 Gemeinsam mit ifm wurde das Technologiekonzept „Guard Plus“ zur Überwachung des Zustands von Kugelgewindetrieben entwickelt 02 Die Auswerteelektronik von ifm wandelt und analysiert das Messsignal und kommuniziert mit der Steuerung Technologiekonzept Systemprinzip ➂ ➀ 04 werten, daraus dann jedoch objektive Vorhersagen über den Zeitpunkt des Ausfalls oder über die Restlaufzeit des Kugelgewindetriebs zu treffen, sei äußerst schwierig und unzuverlässig, ergänzte der Entwicklungsleiter. Die Idee der Steinmeyer-Ingenieure war es nun, eine Messung der Vorspannung im Betrieb nahe an der Kontaktzone zwischen Kugel und Mutter durchzuführen, da direkt in diesem Bereich der Verschleiß des Kugelgewindetriebs stattfindet. Reproduzierbare Ergebnisse ➁ Drehmoment gemittelt 2 1,5 1 0,5 0 –0,5 –1 –1,5 –2 Versuch mit einer in drei Stufen unterschiedlich tief geschliffenen Spindel zur Auswertung des Signalhubs –75 125,0 325,0 525,0 725,0 925,0 1.125,0 Weg [mm] 1.325,0 1.525,0 1.725,0 1.925,0 2.125,0 2.325,0 Mehrere Grundlagenversuche konnten diesen Ansatz verifizieren. Dafür fertigte Steinmeyer spezielle Spindelwellen, bei denen das Spindelgewinde in drei unterschiedlichen Tiefen eingebracht wurde. Anschließend wurde das Leerlauf-Drehmoment der Mutter zur Erfassung der Vorspannung gemessen. Es ergaben sich dabei drei deutlich abgegrenzte Stufen. Die Erkenntnisse aus diesen Vergleichsmessungen waren eindeutig und reproduzierbar: „Die Auswertung des Sensorsignals korreliert eindeutig mit den Vorspannungsstufen aus der Messung des Leerlauf-Drehmoments“, sagt Entwicklungsleiter Klöblen. Erfolgreiche Zusammenarbeit Aus diesen Erkenntnissen entwickelten die Steinmeyer-Ingenieure anschließend gemeinsam mit der Firma ifm Electronic ein entsprechendes Technologiekonzept. Dabei überwachen Sensoren des Messtechnik-Spezialisten im Kugelgewindetrieb von Steinmeyer die Vorspannung und Temperatur direkt an der Wälzkontaktzone. Somit erfassen sie die aktuell wirkende Kraft, mit der die Kugel in der Laufbahn anliegt. Änderungen der Vorspannung im Betrieb sind bis nahezu in den spielbehafteten Bereich messbar. Die Auswerteelektronik von ifm wandelt und analysiert dieses Messsignal und kommuniziert mit der Steuerung. Die Grenzwerte für die Warnmeldungen hängen von dem jeweiligen Anwendungsgebiet – wie z. B. die Hochpräzisionsbearbeitung oder die Schwerzerspanung – sowie dem Belastungskollektiv der Werkzeugmaschine ab. Die Maschinensteuerung verfügt über eine Ampelanzeige und die Möglichkeit, Warnmeldung auszugeben. Sie empfiehlt dem Bediener bzw. über eine Serververbindung direkt dem Maschinenhersteller einen anstehenden Austausch des Kugelgewindetriebes und macht diesen somit planbar. „Mit dieser Lösung ist die Messung sogar von überlagerten oder außergewöhnlichen Betriebskräften, beispielsweise bei einer Überlastfahrt oder einem Crash, problemlos möglich“, sagt Klöblen. Eine Historienaufzeichnung ermöglicht es, Rückschlüsse auf eine Überlastung der Maschine zu ziehen. Und schließlich hilft das Zustandsüberwachungssystem, die Schmierung auf die speziellen Erfordernisse durch anwendungsspezi fische Belastungskollektive zu optimieren. Mit dem neuen Zustandsüberwachungssystem lässt sich in der Praxis dank der Planbarkeit von Serviceeinsätzen eine hohe Kostenersparnis erreichen – besonders in der Serienfertigung. Die Mehrkosten eines Kugelgewindetriebes sind im Vergleich zum Einsparpotenzial dabei gering. Fotos: 03: ifm Electronic; sonst.: Steinmeyer www.steinmeyer.com antriebstechnik 11/2018 65