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antriebstechnik 11/2017

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Elektrohydraulischer

Elektrohydraulischer Bremsaktuator zur Nachbildung von Fahrzeug-Bremssystemen In diesem Artikel wird ein elektrohydraulischer Bremsaktuator als Teilsystem eines Hardware- In-The-Loop-Prüfstandes vorgestellt. Dieser ermöglicht die Nachbildung unterschiedlicher Fahrzeug-Bremssysteme. Mithilfe eines Hydraulikzylinders wird die Position eines Linearmotorläufers in den hydraulischen Bremsdruck eines Fahrzeug-Radbremssystems umgesetzt. Das System erfasst realitätsnah die Effekte der Hydraulikstrecke sowie der Reibung. Dipl.-Ing. Andreas Koch und Gabrielius Jakstas, M. Sc. sind wissenschaftliche Mitarbeiter und Prof. Dr. Jens-Werner Falkenstein ist Inhaber; alle am Lehrstuhl für Getriebe- und Antriebstechnik (GAT) an der Universität Rostock Die Verschärfung der Abgasgrenzwerte stellt eine prägende Randbedingung für die heutige Entwicklung des Antriebsstranges von Kraftfahrzeugen dar. Neben den konventionellen Verbrennungskraftmaschinen werden daher zunehmend Fahrzeug-Elektromaschinen im Antriebsstrang eingesetzt. Diese bieten den Vorteil, dass sie während des Betriebes keine Abgase produzieren. Die Elektrifizierung des Antriebsstranges führt zur Entstehung neuer Antriebstopologien. Dies betrifft neben den Hybrid-Fahrzeugen, die sowohl über eine Verbrennungskraftmaschine als auch über eine oder mehrere Fahrzeug-Elektromaschinen verfügen, in den vergangenen Jahren zunehmend reine Elektrofahrzeuge. Im Zuge dieser Entwicklung entsteht eine Vielzahl neuer Antriebskonzepte. Die Verwendung von Fahrzeug-Elektromaschinen 136 antriebstechnik 11/2017

AKTUATORIK 01 Bremsaktuator und Abtriebseinheit des HIL-Prüfstandes 1) Umrichter, 2) Elektrischer, tubularer Linearmotor, 3) Hydraulikzylinder, 4) Bremsscheibe und Bremssattel der Fahrzeug-Radbremse, 5) Abtriebsmaschine des HIL-Prüfstandes bietet aus technischer Sicht eine Reihe von Vorteilen. Hier ist z. B. der Verzicht auf ein Schaltgetriebe sowie eine Trennkupplung im Antriebsstrang zu nennen, bedingt durch die vorteilhafte Drehmoment-Drehzahl-Kennlinie von Elektromaschinen. Hierdurch entfällt jedoch die Möglichkeit, die träge Masse der Elektromaschine vom restlichen Antriebsstrang zu trennen. Dies führt häufig zu starken Torsionsschwingungen, insbesondere in kritischen Situationen, wie z. B. beim Eingriff eines Elektronischen Stabilitäts-Programmes (ESP) oder eines Antiblockiersystems (ABS). Unter bestimmten Voraussetzungen können diese zu einer Beeinträchtigung der ABS- Regelung sowie einer großen Belastung von z. B. Getriebe- und Antriebswellen führen [16]. Für eine realitätsnahe Untersuchung dieses Themengebietes ist eine Nachbildung von ABS-Systemen auf einem Hardware-In-The- Loop (HIL)-Prüfstand erforderlich. Entsprechendes gilt für die Entwicklung von Steuerungsalgorithmen zur Koordination von Bremssystem und Antrieb. HIL-Prüfstände bieten vor allem im Hinblick auf eine hohe Reproduzierbarkeit von Testzyklen viele Vorteile. Die Ergebnisse der Untersuchungen auf dem Prüfstand ermöglichen eine Validierung der System-Simulationen. Ebenso erleichtern sie durch den Einsatz von systematischen Testverfahren die Absicherung neuer Systeme. Zur Untersuchung der funktionalen Sicherheit von Elektrofahrzeugantrieben lassen sich z. B. Fehler gezielt nachbilden, um geeignete Diagnoseverfahren bzw. Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Bei der Verwendung eines Prüfstandes wird die Gefährdung eines Fahrers in solchen kritischen Situationen ausgeschlossen. Somit können z. B. auch neue Algorithmen von elektronischen Stabilitäts- Programmen und Antiblockiersystemen entworfen und ohne großes Gefahrenpotenzial getestet werden. Anforderungen Zum Aufbringen des Bremsmomentes am HIL-Prüfstand wird ein geeigneter Bremsaktuator benötigt. Für weitreichende Untersuchungen sollte mit diesem eine Nachbildung unterschiedlicher Bremssystem-Hardware möglich sein. Hierfür sind z. B. verschiedene Konfigurationen der eingesetzten Steuerungsventile bzw. unterschiedliche Aktuatorkonzepte zu nennen [3, 5, 15]. Ebenso ist eine realitätsnahe Erfassung der Effekte der Hydraulikstrecke und der Reibung notwendig. Daher wird der Einsatz eines elektrohydraulischen Bremsaktuators in Kombination mit einem handelsüblichen Fahrzeug-Radbremssystem bevorzugt. Für Fahrzeug-Radbremssysteme, bestehend aus Bremsscheibe und Bremssattel, ergibt sich folgender Zusammenhang zwischen dem hydraulischen Druck p BrSa und dem wirkenden Bremsmoment M Br [3]: Der Reibwert µ Br der Bremsbeläge zur Bremsscheibe, die Bremskolbenfläche A Br und der wirksame Reibradius der Bremsbeläge r Br treten als nicht regelbare Kenngrößen auf. Folglich steht für die Regelung des Bremsmomentes M Br lediglich der hydraulische Druck p BrSa in der Fahrzeug-Radbremse als Stellgröße zur Verfügung. Bei Pkw liegt der relevante Bereich des Systemdrucks zwischen 0 und 150 bar. Eingestellt wird dieser durch den Bremspedaldruck des Fahrers. Bei modernen Systemen werden hierfür auch elektrohydraulische Regeleinheiten verwendet [3]. Im Falle eines Bremsvorganges mit ABS-Eingriff wird der Bremsdruck an den Bremssätteln modifiziert. Dabei kommen aktuell meist Regelventile zum Einsatz [15]. Diese weisen ohne besondere Maßnahmen ein digitales Schaltverhalten auf [10]. Üblicherweise erfolgt die Ansteuerung mittels Pulsweitenmodulation [12], die Ventile werden dadurch nicht immer vollständig geöffnet oder geschlossen. Eine ausreichend gute Stellgenauigkeit in großen Teilen des relevanten Bereichs des Systemdruckes ist somit gewährleistet. Bei kleineren Drücken zwischen 1 und 10 bar gelingt die Dosierbarkeit des Druckaufbaus jedoch nur relativ un genau [10]. Ursache dafür sind die widersprüchlichen Anforderungen an die Drosselwirkung der antriebstechnik 11/2017 137