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antriebstechnik 11/2015

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Pfeilschnell auf

Pfeilschnell auf Schienen Radsatz- und Fahrmotorlager für Hochgeschwindigkeitszüge Andreas Mühlbauer, Mathias Schlapp Im Bahnverkehr sind alle Antriebskomponenten hohen Belastungen ausgesetzt. Insbesondere Radsatz- und Fahrmotorlager müssen extrem robust, zuverlässig und langlebig sein. Wie aber lässt sich die Laufleistung der Lager deutlich erhöhen und damit die Anzahl der Wartungsintervalle reduzieren? H ochgeschwindigkeitszüge bringen heute Fahrgäste mit Geschwindigkeiten bis jenseits der 350 km/h an ihr Ziel und sind damit zumindest im Inland eine echte Konkurrenz zum Flugzeug. Damit die Passagiere bequem und vor allem sicher reisen, müssen die Zulieferer und Hersteller der Züge alle Komponenten sorgfältig entwickeln und auf die dauerhaft hohen Belastungen abstimmen. Insbesondere die Wälzlager, welche in den Radsätzen, aber auch in den Fahrmotoren zum Einsatz kommen, sind während der gesamten Lebensdauer hoch belastet. Dennoch sollen sie in ihrer Laufleistung an die Radsätze bzw. die Motoren angepasst sein, um eine frühzeitige Wartung zu vermeiden. Der Wälzlager-Spezialist NSK bietet Wälzlager für alle Arten von Zügen an, besonders für die Antriebskomponenten für Geschwindigkeiten über 200km/h. Das Unternehmen aus Ratingen hat u. a. Radsatz- und Fahrmotorlager in Programm, die bereits seit längerem auf dem asiatischen Markt erhältlich sind. Z. B. bewähren sich die speziellen Radsatzlager schon seit Jahren in den japanischen Shinkansen-Hochgeschwindigkeitszügen. Für europäische Hochgeschwindigkeitszüge Mit den neusten Entwicklungen hat sich der japanische Marktführer NSK nun auch auf dem europäischen Markt etabliert. So kommen die Lager u. a. bereits im britischen „Intercity-Express“-Programm zum Einsatz. Für diese Züge mussten die Radsatz lager für Laufleistungen von mehr als 1,6 Mio. km ausgelegt werden. Der Hersteller Hitachi konnte dadurch die Wartungsintervalle verlängern, da bisher die Lager häufiger gewartet oder gewechselt werden mussten als die Radsätze selbst. Die hier verwendeten doppelreihigen Kegelrollenlager haben spezielle Dichtungen, die das Eindringen von Verschmutzungen verhindern und somit die Reinheit des Schmierstoffes gewährleisten. Das in Asien aufgebaute Know-how nutzt NSK, um auch die in Europa gefragten Kom- Andreas Mühlbauer ist freier Journalist in Heidelberg, Mathias Schlapp ist Senior Project Engineer, European Industrial Business Unit bei der NSK Deutschland GmbH in Ratingen 01 Die Außenringe der Rillenkugellager können wahlweise mit Keramik oder PPS beschichtet werden 98 antriebstechnik 11/2015

WÄLZ- UND GLEITLAGER 02 Die NSK-Kegelrollenlager sind für hohe Drehzahlen sowie eine hohe Lebensdauer optimiert 03 Durch die geringen Reibflächen entwickeln Zylinderrollenlager im Betrieb wenig Wärme 04 Mit Sensoren ausgestattete Wälzlager bilden mit Condition-Monitoring ein System zur Überwachung der Radsatzlager ponenten zu entwickeln. So wurden auch Radsatzlager für französische Hochgeschwindigkeitszüge vorgestellt. Diese sind für Geschwindigkeiten bis zu 250 km/h ausgelegt und werden derzeit in Feldtests erfolgreich erprobt. Spezielle Lager für Radsätze Die Entwicklung der jeweiligen Lager nimmt der Spezialist nach den Wünschen und Vorgaben der Kunden vor. Allen diesen Spezial-Lagern ist gemein, dass es sich um sicherheitsrelevante Komponenten handelt. Gleichzeitig sollen sie kompakt und leicht sein, um den Einbau zu erleichtern und Energie zu sparen. Dabei müssen sie höchste Qualitätsanforderungen bezüglich Robustheit, Lebensdauer und Effizienz erfüllen. Als Wälzlager für Radsätze kommen Zylinderrollenlager oder auch Kegelrollenlager in Frage. Die neuen Sealed-Clean-Kegelrollenlager zeichnen sich durch ihre kompakte Bauform und die Optimierung für hohe Drehzahlen sowie eine hohe Lebensdauer aus, die jener des Rades selbst entspricht. Insbesondere verfügt dieser Lagertyp über ein spezielles Dichtungssystem, das das Eindringen von Verschmutzungen verhindert. Auch die Wärmeentwicklung wird durch die spezielle Bauform auf ein Minimum reduziert. Ebenso trägt das Material selbst zur Qualität und Lebensdauer der Wälzlager bei. So hat NSK den für die Laufflächen eingesetzten Stahl selbst entwickelt, um genau die gewünschten Eigenschaften zu erreichen. Der Einsatz von Zylinderrollenlagern in den Radsätzen hat den Vorteil, dass diese weniger Reibflächen aufweisen als vergleichbare Kegelrollenlager und daher im Betrieb weniger Wärme entsteht. Dies ist ein wichtiger Faktor beim Einsatz in Hoch- geschwindigkeitszügen, da die geringere Wärmeentwicklung den Verschleiß minimiert und zudem Energie spart. Die Axialführung ist durch die Bauform mit vier Borden auch beim Zylinderrollenlager gegeben. Welche Lagertypen zum Einsatz kommen und wie diese ausgestaltet sind, ist u. a von den Umweltbedingungen abhängig, in denen sie eingesetzt werden. In trockenen, staubigen und heißen Umgebungen müssen die Radsatz- und Fahrmotorlager anders ausgelegt sein als z. B. in extrem kalten Ländern. Dies gilt auch für die verwendeten Schmierstoffe und Dichtungen. Letztere spielen etwa in staubigen Wüstenregionen eine entscheidende Rolle, da eindringender Sand die Lebensdauer eines Wälzlagers erheblich verkürzen kann. Um die Sicherheit und Zuverlässigkeit weiter zu erhöhen, wurde zudem ein Condition- Monitoring-System (CMS) zur Überwachung von Drehzahl, Temperatur und Vibration der Radsatzlager entwickelt, mittels dessen sich in Verbindung mit speziellen Sensorlagern mögliche Schäden frühzeitig erkennen und Ausfälle verhindern lassen. In Verbindung mit der Zuverlässigkeit der Lager erhöht das Überwachungssystem die Sicherheit und Verfügbarkeit der Züge beträchtlich. Isolierte Lager für Fahrmotoren Die Anforderungen an Fahrmotorlager sind noch spezieller. Sie müssen in punkto Haltbarkeit und Drehzahlen ähnliche Voraussetzungen erfüllen wie die Radsatzlager. Hinzu kommt, dass in diesem Einsatzbereich eine elektrische Isolierung gefragt ist, um den Effekt des „Elektropitting“ zu verhindern – also der Beschädigung des Lagers durch überspringende elektrische Funken. Dafür bietet NSK zwei verschiedene Ausführungen von Rillen- oder Zylinderrollenlagern an: Sie sind entweder mit Keramik oder mit PPS-Harz (Polyphenylensulfid) beschichtet. Beide Beschichtungsvarianten sind für Temperaturen bis zu 110 °C ausgelegt und bieten eine sehr gute elektrische Isolierung. Ein verstärkter Käfig sorgt für „Das Interesse der Eisenbahnhersteller an unseren Wälzlagern ist groß“ Mathias Schlapp Präzision und lange Standzeit auch bei hoher Dauerbelastung. Neben Radsatz- und Fahrmotorlagern stehen weitere Komponenten für die Bahntechnik zur Verfügung. Dazu zählen Kegelrollenlager für Getriebe, Linearführungen sowie Kugelumlaufspindeln. Diese finden sich in unterschiedlichsten Bereichen der Züge, auch abseits des Antriebsstrangs – z. B. in Türantrieben, Klimaanlagen und weiteren sekundären Systemen. „Das Interesse der europäischen Eisenbahnhersteller an NSK-Wälzlagern ist groß und die Nachfrage steigt zusehends“, sagt Mathias Schlapp, Projektingenieur bei NSK Deutschland in Ratingen. „Die bekannte Qualität unserer Komponenten sowie unsere langjährige Erfahrung in der Bahntechnik in Asien sind eine erstklassige Referenz und prädestinieren uns als Zulieferer auch europäischer Unternehmen.“ www.nskeurope.de antriebstechnik 11/2015 99