FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG STEIGERUNG DER DYNAMIK DURCH SLIDING-MODE-REGELUNG Mit dem Ziel der Genauigkeitssteigerung von Antrieben – besonders bei hochdynamischen Bewegungen – wird ein vielversprechendes, einfach zu parametrierendes Regelungskonzept vorgestellt. Aufbauend auf der klassischen Kaskadenregelung wird ein Sliding- Mode-Regler als Lageregler verwendet. Ein Experiment am Kugelgewindetrieb zeigt das Potenzial der Methode mit simulierten Störkräften aus einem HSC-Prozess. 56 antriebstechnik 2021/10 www.antriebstechnik.de
FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG 01 Aufbau der vorherrschenden Kaskadenregelung für Vorschubantriebe Durch steigende Anforderungen an die Dynamik und Genauigkeit von Vorschubantrieben wachsen auch die Anforderungen an die Regelung. Für Vorschubantriebe werden bis heute fast ausschließlich Kaskadenregelungen eingesetzt, siehe Bild 01. Dabei werden üblicherweise Strom und Drehzahl PI-geregelt und die Lage P-geregelt. Obwohl mittlerweile performantere Regelverfahren existieren, die die Kaskadenstruktur auflösen, gelingt der Schritt weg von der Kaskadenregelung aus folgenden Gründen nicht: Die Inbetriebnahme der Kaskadenregelung ist darüber sehr einfach, die einzelnen Regelkreise können nacheinander von innen nach außen eingestellt werden. Fortgeschrittenere Regelverfahren benötigen in der Regel ein tieferes systemtheoretisches Verständnis und erfordern häufig die Modellierung des Antriebssystems sowie die Kompensation von Reibung, oder Übersetzungsfehlern im Antrieb. Durch die tiefere Modellierung werden die Verfahren jedoch auch sensitiver gegenüber Änderungen im Betrieb, z. B. der Ausdehnung von Materialien infolge von Temperaturschwankungen, oder Verschleißeffekten. Das hier vorgestellte Regelverfahren behält die etablierte Kaskadenstruktur bei und tauscht lediglich den Lageregler gegen einen robusten Sliding-Mode-Regler aus. Die Motivation hierfür findet sich im Aufbau der Kaskadenstruktur: Für den Drehzahlregler wird die Motorgeschwindigkeit verwendet, dynamische Fahrten regen aber Elastizitäten der Mechanik an, die zu Vibrationen im Antriebssystem führen. Ein einfacher P-Regler hat nicht genügend Freiheitsgrade um diese Vibrationen auszuregeln, ein Regler höherer Ordnung jedoch schon. Das Prinzip des eingesetzten Sliding-Mode-Lagereglers ist in Bild 02 dargestellt. Ausgehend vom Startzustand wird der Regler so parametriert, dass er in Phase 1 immer auf die blaue Schaltebene zwingt, in Phase 2 läuft das System dann entlang der Schaltebene in den Koordinatenursprung, wo der Regelfehler verschwindet. Für den Regler wird ein einfaches Modell des Antriebs verwendet, welches das Systemverhalten grob vorhersagt und beim Einstellen des Geschwindigkeitsreglers schon bekannt ist, sodass kein Mehraufwand durch die Ermittlung der Modellparameter entsteht. Der Sliding-Mode-Regler ist sehr robust gegenüber Modellfehlern und kommt mit den Vernachlässigungen durch das einfache Modell gut zurecht. Für die Zwangsbewegung auf die Schaltebene wird üblicherweise eine Art Zweipunktregler verwendet. Da dieser sich durch hartes Umschalten im Betrieb negativ auf die Lebensdauer des Antriebs und den Energieverbrauch auswirkt, wurde für den Einsatz als Lageregler ein weicheres Umschalten umgesetzt. In den neuen Lageregler werden nun nicht mehr nur die Tischposition, sondern auch die Tischgeschwindigkeit und die -beschleunigung zurückgeführt, deren 02 Prinzip der verwendeten Sliding-Mode-Lageregelung. (1) Die Trajektorie (rot) wird auf die Schaltebene (blau) gedrückt. (2) Die Trajektorie wandert einem verschwindenden Fehler entgegen Sollgrößen in marktüblichen CNC bereits berechnet werden. Darüber kann auf Abweichungen und Störungen schneller reagiert werden. Der Problematik der üblicherweise schwierigeren Inbetriebnahme höherer Regelverfahren wird wie folgt begegnet: 1. Durch Beibehalten der Kaskadenregelung können Strom- und Drehzahlregelkreis mit den etablierten Methoden nacheinander eingestellt werden. 2. Das einfache Modell des Antriebssystems wird beim Einstellen des Drehzahlregelkreises ermittelt und kann für den Lageregler weiterverwendet werden. 3. Die Einstellung des Sliding-Mode-Lagereglers konnte auf einen Einstellparameter K SMC reduziert werden. Damit wird ein Einstellaufwand vergleichbar zum P-Lageregler erreicht. Durch Einstellen eines höheren K SMC -Werts lässt sich eine bessere Regelqualität erreichen, gleichzeitig reagiert der Regler aber – wie der P-Lageregler auch – aggressiver auf Störungen und führt für zu große Einstellungen zu oszillierenden Bewegungen. Durch die FÖRDERUNG Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) – Projektnummer: 438835664 www.antriebstechnik.de antriebstechnik 2021/10 57
19174 10 Oktober 2021 € 15,50 Org
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