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antriebstechnik 10/2016

antriebstechnik 10/2016

Effizienzorientierte

Effizienzorientierte Optimierung der Baustruktur von MMDS-Sammelgetrieben Uwe Brückner, Malte Strop, Detmar Zimmer Der Einsatz von Mehrmotorenantriebssystemen ermöglicht es, die wirtschaftlichen Vorteile ganzheitlich modularer Antriebssysteme zu nutzen und kundenindividuelle Lösungen auf Basis einer großen externen Variantenvielfalt bei gleichzeitig minimaler interner Variantenvielfalt anzubieten. Die Struktur dieser Antriebssysteme erfordert allerdings Getriebekonzepte, die die Nutzung der gegenüber konventionellen Einzelmotorantriebssystemen erweiterten Systemfreiheitsgrade unterstützen und die Forderung nach einem hohen Wirkungsgrad erfüllen. 01 CAD-Modell des KAt-(Forschungs-)Sammelgetriebes mit integrierter Schaltaktorik Mehrmotorenantriebssysteme (MMDS) bieten aufgrund ihrer ganzheitlich modularen Struktur wirtschaftliche Vorteile sowohl während der Konzeptions- als auch während der Betriebsphase. Darüber hinaus verfügen sie gegenüber konventionellen Einzelmotorantriebssystemen (SMDS) über erweiterte, systeminhärente Freiheitsgrade, deren gezielte Nutzung die Energieeffizienz und die Lebenszykluskosten des Antriebssystems positiv beeinflussen kann. Während sich der erste Artikel dieser Reihe auf die Darstellung der allgemeinen Eigenschaften und der wirtschaftlichen Vorteile eines MMDS konzentrierte, liegt der Fokus dieses zweiten Beitrags auf der technischen Realisierung eines MMDS- Sammelgetriebes. Ziele des Getriebeentwurfs sind die Steigerung des Getriebewirkungsgrads durch Ausnutzung struktureller Vorteile des MMDS-Konzeptes sowie die Eröffnung der Freiheitsgradnutzung für die mechanische Rekonfigurierbarkeit. Uwe Brückner, M.Sc. und Malte Strop, M.Sc. sind Wissenschaftliche Mitarbeiter am Lehrstuhl für Konstruktions- und Antriebstechnik (KAt) der Universität Paderborn Prof. Dr.-Ing. Detmar Zimmer ist Inhaber des Lehrstuhls für Konstruktions- und Antriebstechnik (KAt) der Universität Paderborn Die wirtschaftlichen Vorteile eines modularen Antriebssystems für den Antriebstechnikhersteller sind abhängig von den Randbedingungen unter denen das Unternehmen agiert und nur schwer in allgemeiner Form zu beschreiben. Im Regelfall muss zur Quantifizierung dieser Vorteile eine Einzelfalluntersuchung unter Berücksichtigung der spezifischen Randbedingungen wie Zulieferersituation, Marktumfeld und Technologieerfahrung vorgenommen werden. Die sich während des Betriebs eines MMDS ergebenden Vorteile auf der Seite des Anwenders lassen sich hingegen quantitativ erfassen, da sie vorwiegend von der technischen Ausprägung des Antriebssystems und weniger von äußeren Markteinflüssen definiert werden. Folglich wird in diesem Beitrag der effizienzorientierte Entwurf eines MMDS-Sammelgetriebes unter alleiniger Betrachtung der technischen Aspekte vorgestellt und mit einem konventionellen SMDS-Getriebe verglichen. Aufbauend auf der Betrachtung üblicher Getriebeverluste werden die sich aus der Struktur eines MMDS ergebenden Möglichkeiten zur Beeinflussung des Getriebewirkungsgrads vorgestellt. Im Anschluss daran werden der Entwurf eines konventionellen SMDS-Getriebes und eines leistungsäquivalenten MMDS-Sammelgetriebes vergleichend beschrieben. Hauptziel des MMDS- Sammelgetriebeentwurfs ist dabei die Maximierung des Getriebewirkungsgrades durch die gezielte Ausnutzung strukturbedingter 106 antriebstechnik 10/2016

MEHRMOTORANTRIEBSSYSTEME konstruktiver Freiheitsgrade. Die Zielerreichung dieses Entwurfs wird schließlich modellbasiert untersucht, wobei das verwendete Berechnungsmodell zuvor mittels Prüfstandmessungen validiert wird. Abschließend wird ein modellbasierter Vergleich zwischen MMDS-Sammelgetriebe und leistungsäquivalentem SMDS-Getriebe anhand des aus dem ersten Beitrag bekannten Arbeitsprozesses des Kautschukinnenmischers vorgenommen. Getriebeverlustleistung Die Hauptfunktion eines Getriebes ist die Wandlung von Bewegung und Energie von einer Leistungsquelle hin zu einer für den anzutreibenden Arbeitsprozess funktionsgerechten Bewegungsund Energieform [Fra58]. Dabei ist die Struktur und Geometrie der an der Wandlung beteiligten Funktionselemente nicht festgelegt. Im Umfeld der industriellen Antriebstechnik werden Getriebe zumeist als Zahnradgetriebe mit rotationssymmetrischen Rädern ausgeführt. Aus diesem Grund beschränken sich die Forschungsarbeiten des Lehrstuhls für Konstruktions- und Antriebstechnik (KAt) im Rahmen der MMDS gegenwärtig auf geradverzahnte Stirnradgetriebe. Die Leistungstransformation innerhalb eines Getriebes ist verlustbehaftet. Im Fall von Zahnradgetrieben setzt sich die Gesamtverlustleistung P V aus den Einzelverlustleistungen der Verzahnungen P VZ , der Lager P VL und der Dichtungen P VD zusammen. Die Verzahnungsverlustleistung und die Lagerverlustleistung können weiterhin in die lastunabhängigen Anteile P VZ,0 und P VL,0 sowie in die lastabhängigen Anteile P VZ,P und P VL,P unterteilt werden [Sch10]. Bild 2a stellt diese Aufteilung der Gesamtverlustleistung schematisch für einen einzelnen Antriebsstrang dar. Im Folgenden werden die einzelnen Verlustanteile und die sie maßgeblich dominierenden Einflussparameter kurz erläutert. n Lastabhängige Verzahnungsverlustleistung P VZ,P : Dieser Anteil der Verlustleistung beschreibt die durch Zahnflankenreibung dissipierte Leistung im Getriebe. Die physikalisch exakte Berechnung dieses Anteils ist aufgrund der komplexen tribologischen Verhältnisse im Kontaktbereich der Zahnflanken nicht praktikabel. In der Literatur sind daher empirisch ermittelte Gleichungen zur Beschreibung bekannt. Nach [Ohl58] wird dieser Verlustanteil maßgeblich durch einen Verzahnungsgeometriefaktor H V sowie einen von der Antriebswinkelgeschwindigkeit abhängigen, mittleren Verzahnungsreibbeiwert μ mz beschrieben. Unter Berücksichtigung der Antriebsleistung P An des treibenden Rades kann dieser Verlustleistungsanteil nach Gleichung (1) ermittelt werden. 02 Schematische Darstellung der Verlustleistung einstufiger Getriebe a) SMDS mit einem Antriebsstrang b) MMDS mit zwei Antriebssträngen und einer Sammelstufe 03 Schematische Darstellung a) der Kraftkompensation innerhalb der Sammelstufe eines MMDS-Sammelgetriebes; b) unterschiedlicher Realisierungen der mechanischen Rekonfigurierbarkeit n Lastunabhängige Verzahnungsverlustleistung P VZ,0 : Dieser Verlustleistungsanteil berücksichtigt die durch die Verzahnteile hervorgerufenen hydraulischen Verluste eines Getriebes. Diese entstehen infolge des Planschens der im Ölbad einer Tauchschmierung befindlichen Zähne und infolge der Ölverdrängung aus den Zahnzwischenräumen im Eingriffsbereich. Aufgrund der komplexen hydrodynamischen Verhältnisse sind zur mathematischen Beschreibung ebenfalls empirisch ermittelte Gleichungen bekannt (Gleichung (2)) [Mau87]. 04 Schematische Darstellung des Schieberadkonzeptes zur vollständigen mechanischen Entkopplung eines Einzelantriebsstrangs antriebstechnik 10/2016 107