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antriebstechnik 10/2015

antriebstechnik 10/2015

GETRIEBE UND

GETRIEBE UND GETRIEBEMOTOREN Erfolgreich durchstarten Studenten konstruieren und fertigen Rennboliden mit eigens entwickelten Komponenten Silke Schäfer, Lambert Spallek An der Universität Bremen realisierte das Formula Student Electric Team „Bremergy“ einen elektrisch angetriebenen Formelrennwagen für den Konstruktionswettbewerb Formula Student Germany. Unterstützt wurden die Studenten von einem Hersteller für Getriebe und Verzahnungsteile. Ziel der Zusammenarbeit war es u. a., mit eigens entwickelten Antriebskomponenten ein leichtes und leistungsstarkes Fahrzeug zu entwickeln. Über 50 Studierende der verschiedensten Fachbereiche sind an dem Projekt „Bremo15“ für den internationalen Konstruktionswettbewerb Formula Student Germany (FSG) beteiligt. Neben bspw. dynamischen Disziplinen wie Autocross, Langstrecke und Kurvenfahrten werden die Teams und Rennwagen auch statischen Disziplinen wie der Erstellung von Business- und Kostenplänen und eines Designreports unterzogen. So gelang den Bremern 2014 die Teilnahme am Rennen in Hockenheim, bei dem von den rund 530 registrierten Teams weltweit nur 115 zugelassen wurden. „Es war atemberaubend, dass wir in den Boxen stehen durften, wo sonst nur die ganz Großen des Rennsports unterwegs sind“, so Lambert Spallek, der bei Bremergy an der Pedalbox und im Management mitwirkt. Rund 3 600 Studenten aus der ganzen Welt hatten an dem deutschen Formula Dipl.-Ing. Silke Schäfer ist im Marketing bei der TANDLER Zahnrad- und Getriebefabrik GmbH & CO. KG in Bremen und Lambert Spallek ist Student im Bereich Produktionstechnik an der Universität in Bremen Student Event 2014 in Hockenheim teilgenommen. Auch 2015 unterstützt die Firma Tandler Zahnrad- und Getriebefabrik das Bremergy Racing Team bei der Konstruktion und Fertigung der Getriebe für den Bremo15. Neues Team – neues Konzept Für die Studenten ist es eine große Herausforderung, alle Teile für das Fahrzeug zusammen zu bekommen. Das Team, dessen Zusammensetzung sich zum Vorjahr nahezu komplett verändert hatte, ist in einen wirtschaftlichen und einen technischen Bereich aufgeteilt, mit jeweils einzelnen Abteilungen. Somit ist es aufgebaut wie ein Unternehmen und vereint innerhalb dieses Projekts die unterschiedlichsten Fachbereiche. Ob Informatiker, Maschinenbauer, Wirtschaftsingenieure, Elektrotechniker, Produktionstechniker oder Betriebswirtschaftler − bei Bremergy ziehen alle an einem Strang. Beim Bremo15 entschieden sich die Studenten dazu, das bisherige Konzept mit bekannten Grenzwerten zu verwerfen und auf ein völlig neues zu bauen, das Chancen bietet, gleichzeitig aber auch Risiken birgt. Als der Bremo15 von Teamleiter Jonas Fromme am 26. Juni beim Rollout zur Enthüllung freigegeben wurde, waren alle Gäste im Hörsaal beindruckt. Eigenentwicklung statt Fertiglösung Das oberste Ziel dieses Low-Budget-Fahrzeugkonzepts war es, das Gewicht zu reduzieren und die Teamarbeit zu professionalisieren. So wurden Baugruppenteams gebildet, getreu dem Leitsatz: Work Smart − Race Hard. Auch sollte das neue Konzept ein nachhaltiges sein, d. h. es sollte eine langfristige Entscheidung gefällt werden. Somit fiel der Fokus auf das Leistungsgewicht. Die Reifen wurden auf 10 Zoll verkleinert, für das Monocoque wurde eine Konzeptstudie mit den Entscheidungskriterien „optisch hübsch“ bzw. „technisch sinnvoll“ erarbeitet. Viele Komponenten wurden in Eigenbau selbst entwickelt und nicht zugekauft, um auf diese Weise eine maximale Leistungssteigerung zu erreichen. So konnten beim Selbstbau des Wechselrichters 5 kg gegenüber einer zugekauften Fertiglösung eingespart werden. Auch der Akkumulator wurde selbst entwickelt. Ein eingebautes Kontrollsystem überwacht die Zellen, das Dashboard ist aus Carbon und ein Crash-Sensor trennt in 26 antriebstechnik 10/2015

Notsituationen das Fahrzeug vom Stromkreis. Ein GPS- System dient als Logbuch, späterer Fehlerfindung und zum Fahrertraining. Die Telemetrie ermöglicht eine Live- Übertragung während des Fahrens auf den überwachenden Monitor. Auch wenn das Leistungs gewicht noch nicht ganz dem magischen Verhältnis von 1:1 entspricht, ist das Studententeam mit seinem Ergebnis sehr zufrieden. Bei einem Vorentscheid zur Teilnahme am Hockenheimring erreichten die Bremer bei der Registrierung den 3. Platz. Punktgenaue Kraftverteilung Der Wagen wird von zwei wassergekühlten Elektromotoren mit jeweils 70 kW Spitzenleistung angetrieben. Umgerechnet sind das knapp 190 PS bei einem Gesamtgewicht von nur 220 kg. Die Power dafür bekommen sie von dem eigens für den Wagen konzipierten Akkumulator. Jeder der beiden Motoren treibt jeweils ein Hinterrad an, damit gibt es keine durchgehende Antriebswelle, die die Nutzung eines elektronischen Differentials erlaubt. Die Kraftverteilung wird über eine eigens entwickelte Leistungselektronik punktgenau auf die Motoren verteilt, der Fachbegriff hierzu heißt „Torque-Vectoring“. Der Effekt ist schnell erklärt: Fährt der Wagen durch eine Linkskurve, wird der rechte Hinterreifen mehr angetrieben als der kurveninnere. Genau dieser Effekt ist auch beim Skifahren für die Kurven notwendig. Somit kann die Kurvengeschwindigkeit des Fahrzeugs erhöht werden, ohne dass es groß an Stabilität verliert. Die Motoren übertragen ihre Kraft an die selbstgebaute Antriebswelle, erst dann folgt im Radträger integriert das Planetengetriebe. Demnach wird das Drehmoment der Motoren erst nach der Welle umgewandelt. Dies entlastet zum einen die Antriebswelle, zum anderen wird Bauraum im Inneren des Fahrzeugs eingespart. Darüber hinaus führt diese integrative Bauweise zu einer Gewichtsreduktion und genau darum geht es ja im Motorsport. In 3 Sekunden auf Tempo 100 Da das Planetengetriebe im Radträger integriert ist, zählt es zu den ungefederten Massen des Fahrzeugs. Bei einem Gewicht von ca. 3 kg lässt sich dieser Punkt ausblenden und die Vorteile überwiegen. Das Planetengetriebe besteht aus zwei Materialien: Die Antriebskomponenten wie die Zahnräder sind aus gehärtetem Stahl, während weniger tragende Bauteile wie der Radträger und das Getriebegehäuse aus Aluminium gefertigt wurden. Das Planetenradgetriebe wurde von den Studenten zusammen mit dem Familienunternehmen Tandler entwickelt. Die vorderen Radnaben sind aus Titan und im Radträger befestigt. Die maximale Drehmomentwandlung von 528 Nm ermöglicht dem Bremo15 eine Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h. Diese Geschwindigkeit wird aus Sicherheitsgründen für die Veranstaltungen auf den Events maximal ausgefahren. Hier geht es in erster 01 Da die Umwandlung des Motorendrehmoments nach der Antriebswelle stattfindet, wird die Antriebswelle entlastet und Bauraum im Fahrzeuginneren eingespart Linie um den Schutz der teilnehmenden Studenten. Viel spannender ist natürlich die Beschleunigung des Boliden auf Tempo 100: Den Sprint legt er in knapp 3 Sekunden hin und liegt damit vor den Formel 3-Fahrzeugen und nur knapp hinter der Zeit eines Formel 1-Boliden. Neben der Formel 1 gibt es nur noch die Formula Student, die es ermöglicht, so kreativ mit innovativen Materialen und Verfahren zu arbeiten. Material und Gewicht reduzieren Der Hersteller von Getrieben und Verzahnungsteilen hat die Studenten bei der Konstruktion und Entwicklung der Planetengetriebe im Antriebsstrang des Bremo15 unterstützt. Auch hier galt die Devise, Material und Gewicht einzusparen. So erhielten die Planetenträger ein neues Design. Das Hohlrad wurde, um das Gewicht weiterhin zu minimieren, sehr dünnwandig konstruiert, sodass es nach dem Härten zu einem Härteverzug kam, der wiederum zu Qualitätseinbußen bzgl. des Rundlaufs führte. Wie im Sondermaschinenbau üblich, 02 Die hinteren Radnaben des Planetengetriebes sind im Radträger befestigt antriebstechnik 10/2015 27