Miles Meier, ChefredakteurDAS THEMA:FORSCHUNG AN HOCHSCHULENDIGITALISIERUNG MITPRAXISBEZUGEin Blick auf Forschungsprojekte der letzten Wochen undMonate zeigt, dass an Hochschulen und Universitäten derPraxisbezug auch bei Digitalisierungsthemen nicht zu kurzkommt. In den hier gesammelten Beispielen strebenForschende mithilfe von KI oder Digitalen ZwillingenVerbesserungen in der Produktion von Komponenten sowiedem Management von Bestands maschinen an.KI IN DER PROZESSÜBER WACHUNGFÜR ALTE MASCHINENMASTERARBEIT ZU E-MOTORENGEWINNT KULTURPREISJens Blienert beschäftigt sich in seiner Masterarbeitim Studiengang Elektro- und Informationstechnikan der Hochschule Coburg mit roboterbasierterTechnologie für die Produktion von Elektro -motoren. Dafür wurde er Mitte November mit demBayerischen Kulturpreis in der Sparte Wissenschaftausgezeichnet. Seine Arbeit liefert neue Erkenntnissefür die serielle Herstellung von Elektromotoren.Blienert beschäftigt sich dabei mit roboterbasierterTechnologie für die Produktion von Elektromotoren.Er untersucht beispielsweise durch klassischeBildverarbeitung und Tests, wie bestimmte Objektebei der Produktion von Elektromotoren erkannt,lokalisiert und gehandhabt werden können.Das trägt dazu bei, auch kleinere Serien optimiertherstellen zu können.www.hs-coburg.deKünstliche Intelligenz (KI) in der Prozessüberwachungkann Ausschuss reduzieren, die Bauteilqualitätsteigern und das Personal entlasten. Teure Investitionenin neue Maschinen sind dafür nicht unbedingtnotwendig. Das zeigt das kürzlich abgeschlosseneForschungsprojekt „AutoPress“ des IPH – Institut fürIntegrierte Produktion Hannover GmbH und derJobotec GmbH. Die Forschenden haben ein Systemaus Sensoren und KI entwickelt, mit dem sich alteMaschinen im Rahmen eines Retrofits nachrüstenlassen. Entwickelt wurde das System am Beispiel einerSpindelpresse, es lässt sich aber auch auf andereMaschinen und Anlagen übertragen. Die Prozessüberwachungerkennt Parameterabweichungen mit einerErfolgsquote von 95 bis 98 Prozent. Das zeigt:Um modernste Sensoren und KI nutzen zu können,müssen produzierende Unternehmen nicht unbedingtteure Maschinen neu anschaffen.In dem genannten Forschungsprojekt wurde eine indie Jahre gekommene Spindelpresse mit modernenSensoren ausgestattet. Dabei wurde darauf geachtet,mit kostengünstigen Komponenten und bestehendenIndustriestandards zu arbeiten. Ausgerüstet wurde dieSpindelpresse unter anderem mit Laserdistanzsensoren,Sensoren zur Spannungsmessung und Temperatursensoren.Verschiedene KI-Modelle werten dieMessergebnisse aus und gleichen sie mit den idealenParametern ab. Werden Abweichungen erkannt, gibtdas System Handlungsempfehlungen aus. So erkenntdas System beispielsweise Abweichungen von deridealen Halbzeughöhe sowie Abweichungen von deridealen Werkzeugposition. Die KI weist auch auf Werkstoff-Verwechslungenhin.www.iph-hannover.de38 antriebstechnik 2025/01 www.antriebstechnik.de
AUSGEWÄHLTEINSATZ VON KÜNSTLICHER INTELLIGENZ IN DER REGELUNGSTECHNIKDie Nachwuchsgruppe „Datengetriebene Methoden in der Regelungstechnik“ (DART) am Heinz Nixdorf Institut derUniversität Paderborn hat vier Jahre dazu geforscht, wie sich künstliche Intelligenz (KI) gewinnbringend im Bereichder Regelungstechnik einsetzen lässt. Dabei konzentrierte man sich auf die Entwicklung von hybriden Methoden,die traditionelle Regelungsansätze mit künstlicher Intelligenz verbinden. „In allen Stufen des regelungstechnischenEntwurfsprozesses zeigten unsere Forschungen, dass durch die Nutzung von maschinellem Lernen, also durch KI,fehlerhafte Modelle verbessert und Ungenauigkeiten korrigiert werden konnten. Folglich profitierte auch die Regelungdes Systems“, erklärt Dr.-Ing. Julia Timmermann, Leiterin der Nachwuchsgruppe DART (2. v. r.). Das Projektentstand im Rahmen der Förderung von KI-Nachwuchswissenschaftlerinnen. Das Bundesministerium für Bildung undForschung (BMBF) förderte das Vorhaben mit rund1,6 Millionen Euro.Die Mitarbeitenden und Doktorand*innen des DART-Projekts entwickelten zwei praktische Anwendungen:einen autonomen Golfroboter und einen selbstbalancierendenWürfel. Der Golfroboter arbeitet mit hybridenMethoden beispielsweise im Bereich der Bilderkennungund der Vorhersage von Schlaggeschwindigkeiten.„Außerdem bietet der Schlagmechanismus guteMöglichkeiten, die neuen Methoden unter realenBedingungen zu evaluieren“, so Timmermann.Der selbstbalancierende Würfel bringt wiederum vieleregelungstechnische Herausforderungen mit sich.Durch die Beschleunigung und das starke Abbremsenvon Schwungscheiben innerhalb des Würfels kanndieser sich auf eine Kante und zukünftig auch auf eineEcke bewegen und dort stabilisiert werden.www.hni.uni-paderborn.deDIGITALE ZWILLINGE FÜRS BROWNFIELD AUTOMATISCH ERSTELLENDas Projekt „TwinSim4Brownfield“ untersucht, wie Digitale Zwillinge wirtschaftlich in bereitsbestehende Produktionsanlagen integriert werden können. Das Bundesministerium für Bildungund Forschung (BMBF) fördert das Verbundprojekt an der Hochschule Kempten über drei Jahremit insgesamt rund 660.000 Euro.Bei Anlagen, die von Grund auf neu konzipiert werden („Greenfield“), können die Konzepte derIndustrie 4.0 direkt integriert werden. Allerdings werden bei weitem nicht alle Neuanlagen mitDigitalen Zwillingen, also digitalem Abbild der realen Anlage, ausgeliefert. Bestehende Anlagen(„Brownfield“) machen fast 80 Prozent der Produktionsstätten in Deutschland aus. „EineEinbindung in Industrie 4.0, aber auch ein Retrofit für diese Anlagen ohne Digitalen Zwilling, istbisher wirtschaftlich schwer möglich“, erläutert Projektleiter Professor Bernd Lüdemann-Ravitvom IPI – Institut für Produktion und Informatik. Für die Erstellung eines Digitalen Zwillingssind Geometrie-, Kinematik- und Verhaltensinformationen erforderlich, die bei Brownfield-Anlagenbisher oft aufwendig manuell zusammengetragen werden müssen.Das Verbundprojekt TwinSim4Brownfield entwickelt daher eine Methode,um Digitale Zwillinge (halb-)automatisch zu erzeugen. Dafür werden sowohldie Geometrie als auch das Verhalten von Brownfield-Anlagen möglichstautomatisiert erfasst und in einem Digitalen Zwilling zusammengeführt.Mit dieser Lösung müssen Anwender weder selbst Daten von altenAnlagen erstellen noch deren Verhalten in Modellkomponenten übersetzen.Dabei werden im Teilvorhaben der Hochschule Kempten auchMethoden zur Detektion von Kinematik und Dynamik von Produktionsanlagenmittels 3D-Laserscanner erforscht.Zum Forschungskonsortium gehören neben dem IPI der HochschuleKempten am Standort Sonthofen auch der Softwareentwickler ISG GmbHsowie die Maschinenbauunternehmen SG-Engineering GmbH und dieSchnaithmann Maschinenbau GmbH.www.hs-kempten.dewww.antriebstechnik.de antriebstechnik 2025/01 39
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