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antriebstechnik 1-2/2019

antriebstechnik 1-2/2019

herangezogen werden.

herangezogen werden. Für einen geringen Aufwand durch den Regler ist ein kleiner maximaler Singulärwert der Stellgrößenaktivität anzustreben. Wie bei der Sensitivitätsfunktion kann auch hier eine Gewichtungsfunktion w KS definiert werden, welche einen bestimmten Frequenzbereich speziell gewichtet. n Komplementäre Sensitivitätsfunktion T: Die komplementäre Sensitivitätsfunktion entspricht dem Führungsfrequenzgang des geschlossenen Lageregelkreises in der S/KS/T-Darstellung. Ist ein gutes Führungsverhalten im gesamten Frequenzbereich gewünscht, so sollten der maximale und minimale Singulärwert nahe eins angestrebt werden. w T entspricht hierbei wiederum einer Gewichtsfunktion hinsichtlich spezieller Frequenzbereiche. Im Falle eines varianten Streckenverhaltens – z. B. durch die oben beschriebene Positionsabhängigkeit der Steifigkeit der Kugelgewindetriebe – ist der jeweils größte Wert jeder Kenngröße im Arbeitsbereich heranzuziehen. Hierbei ist zu beachten, dass je nach Kenngröße an unterschiedlichen Positionen der jeweils größte Wert auftreten kann. Ist darüber hinaus ein Unsicherheitsmodell und eine nominelle Übertragungsfunktion (vergleichbar einem Mittelwert aller möglichen Übertragungsfunktionen der Regelstrecke) bekannt, kann die Robustheit linearer Regelungen durch einen strukturierten Singulärwert bewertet werden. Hierbei wird zwischen robuster Stabilität und robuster Performance unterschieden, wobei die robuste Stabilität angibt, ob der Regler für alle Variationen der Regelstrecke ein stabiles Verhalten erzeugt. Die robuste Performance bezieht zusätzlich Störgrößenspezifikationen ein, die im Allgemeinen die robuste Stabilität miteinschließt. Für beide gilt, dass die Robustheit hinsichtlich des Unsicherheitsmodells gegeben ist, falls ein strukturierter Singulärwert kleiner eins erreicht ist: Für eine tiefere Auseinandersetzung mit den Eigenschaften und der Berechnung des strukturierten Singulärwerts sei auf [SKOG05; RAIS94] verwiesen. Als Kenngröße hinsichtlich der robusten Performance kann die Funktion φ definiert werden: Die Funktion φ gibt folglich den strukturierten Singulärwert aus, falls dieser größer als eins ist und keine robuste Performance sichergestellt ist. Im umgekehrten Fall, in dem robuste Performance sichergestellt ist, wird die Funktion zu null, da von einer weiteren Bewertung bereits erfüllter Anforderungen abgesehen wird. Die Kenngrößen sollen die Anforderungen an den Lageregelkreis wiedergeben, wobei die beschriebenen Kenngrößen nur eine Basis geben können, welche für spezifische Anwendungen variiert oder ergänzt werden muss. Aus den gewählten Kenngrößen wird eine Zielfunktion J definiert, in der die verwendeten Kenngrößen addiert werden. Im Falle mehrerer miteinander interpolierter Achsen werden die Kenngrößen aller Achsen summiert. Aufgrund der Übersichtlichkeit sind in der Zielfunktion in Gleichung (8) keine Skalierungs-/Gewichtungsfaktoren einbezogen worden. Um einzelnen Kenngrößen einen größeren Einfluss in das Ergebnis der Zielfunktion und damit eine größere Relevanz im Optimierungsproblem zu geben, bietet sich eine kenngrößenspezifische Gewichtung an. So kann bspw. der Überschwingweite eine größere Gewichtung als der Störempfindlichkeit zugesprochen werden. Falls eine gleich große Gewichtung aller Kenngrößen gefordert ist, so können diese auf einen einheitlichen Zahlenwert skaliert werden. Ist z. B. eine Überschwingweite von 10 µm und eine Positionierzeit von 0,1 s zu erwarten, kann die Überschwingweite mit 100 und die Positionierzeit mit 10 multipliziert auf einen Zahlenwert von eins skaliert werden. Eine Zielfunktion mit allen eingeführten Kenngrößen wie in Gleichung (8) ist meist nicht zielführend, da oft wenige Kenngrößen genügen, um die Anforderungen an das Maschinenverhalten zu beschreiben. Ebenso ist zu prüfen, ob Kenngrößen sich widersprechen, wie bei einer möglichst geringen Stellgrößenaktivität aber gutem Führungsverhalten. Die Zielfunktion ist somit immer hinsichtlich des spezifischen Anwendungsfalls zu betrachten. Parameteroptimierung mittels Genetischer Algorithmen Für die Parameteroptimierung wird ein Genetischer Algorithmus verwendet, der dem biologischen Mechanismus des Überlebens des Stärksten und den natürlichen Mechanismen der Fortpflanzung nachempfunden ist [KRAM09], siehe Bild 04. Der Algorithmus betrachtet dabei Individuen, welche jeweils eine mögliche Lösung des Optimierungsproblems darstellen. Die Gesamtheit der in jedem Optimierungsschritt betrachteten Individuen wird als Population bezeichnet. Die einzelnen Optimierungsschritte können – übertragen auf die Biologie – als Generationen interpretiert werden. Jedes Individuum innerhalb der Population einer Generation hat als Eigenschaft eine Variablenkombination. Diese Variablen entsprechen den Variablen der Zielfunktion des Optimierungsproblems, wobei sich die Fitness des jeweiligen Individuums über den Wert der Zielfunktion bestimmt. Gemäß der natürlichen Selektion überleben nur die Individuen mit den besten Fitnesswerten, was bezogen auf den Algorithmus ein Überleben der Individuen mit den besten Werten der Zielfunktion entspricht. Diese Individuen werden direkt in die nächste Generation und damit in den nächsten Optimierungsschritt übertragen. Alle anderen Individuen werden in der nächsten Generation nicht berücksichtigt und „sterben“ nach einem Optimierungsschritt. Zusätzlich zu den stärksten Individuen wird mittels Mutation und Rekombination eine neue Generation mit möglichen Lösungskandidaten des Optimierungsproblems bestimmt. Sowohl für die Mutation wie auch für die Rekombination werden Individuen anhand der Fitnesswerte ausgewählt, welche die Grundlage der Individuen der nächsten Generation bilden. Im Rahmen der Mutation werden Variablenkombination einzelner Individuen zufällig verändert, sodass ein mutiertes Individuum in die nächste Generation übergeht. Bei der Rekombination werden die Variablenkombinationen zweier Individuen kombiniert, wodurch wiederum ein neues Individuum für die nächste Generation entsteht. 40 antriebstechnik 1-2/2019

„Eltern“ „Nachkommen“ REGELUNGSTECHNIK Der schrittweise Ablauf eines Algorithmuses nach [MATH17] ist in der Tabelle dargestellt. Zur Initialisierung des Algorithmus wird zuerst eine Population mit einer Anzahl von α Individuen mit zufälligen Variablenkombinationen erzeugt. Ausgehend dieser ersten Population werden zu Beginn eines jeden Optimierungsschrittes die Fitnesswerte der einzelnen Individuen der aktuellen Population bestimmt. Anhand der Fitnesswerte werden eine Anzahl von β Individuen ausgewählt, die als fortpflanzende Individuen zur Rekombination und Mutation verwendet werden. Ebenfalls anhand der Fitnesswerte werden γ Individuen mit den besten Fitnesswerten ausgewählt (sog. Eliten), um direkt in die Population der nächsten Generation überzugehen. Zu beachten ist dabei, dass die Anzahl γ der Eliten deutlich kleiner als die Anzahl β der fortpflanzenden Individuen ist. Nach der Wahl der Eliten werden δ Individuen durch Rekombination aus den fortpflanzenden Individuen erzeugt und der Population der nächsten Generation hinzugefügt. Anschließend wird die kommende Generation durch Mutation weiterer Individuen aufgefüllt, sodass diese wieder eine Anzahl von α Individuen beinhaltet. Jeder Optimierungsschritt wird durch das Ersetzen der aktuellen Population durch die Population der kommenden Generation abgeschlossen. Die Optimierungsschritte werden solange ausgeführt bis eine Abbruchbedingung erfüllt ist. Eine sinnvolle Abbruchbedingung ist z. B. eine bestimmte Anzahl an Individuen mit Fitnesswerten innerhalb eines Bereichs und/oder eine gegen null strebende Änderungsrate des Fitnesswerts des stärksten Individuums. Der Vorteil des beschriebenen Genetischen Algorithmuses ist die universelle Einsatzfähigkeit, da der Algorithmus nicht auf stetige oder differenzierbare Funktionen angewiesen ist. Ein weiterer Vorteil liegt in der einfachen Parallelisierbarkeit des Algorithmuses, da die meist zeitaufwändige Berechnung der Zielfunktion/Fitnesswerte parallel auf mehrere CPU-Kerne verteilt werden kann. Nicht unerwähnt bleibt jedoch auch der Nachteil, dass besonders bei wenig rechenintensiven Zielfunktionen der Algorithmus aufgrund der Populationsgröße und dem damit verbundenen Rechenaufwand langsamer konvergiert als andere Optimierungsverfahren wie bspw. das klassische Newton-Verfahren. 03 r d 04 S/KS/T-Darstellung des Lageregelkreises K Funktionsweise von Genetischen Algorithmen Fitness Parameterkombination Überleben der Besten Rekombination Mutation w P w KS G m w T w P Sr w KS KSr w T Tr Beispielhafte Auslegung eines Lagereglers Im Folgenden wird eine beispielhafte Auslegung der Lageregelung einer Werkzeugmaschine mittels Genetischem Algorithmus vorgestellt. Zur Auslegung wird das Verhalten von zwei Achsen (x- und y-Achse) betrachtet, wobei ein Modell der Streckendynamik durch eine frühere Modellbildung bekannt ist [BERN17]. Das Modell der Streckendynamik wurde durch Systemidentifikation auf der Grundlage von gemessenen Führungsfrequenzgängen an verschiedenen Positionen erstellt. Hierzu wurde aus den Führungsfrequenzgängen jeweils eine Übertragungsfunktion ermittelt und anschließend eine nominelle Übertragungsfunktion berechnet, die einen gemittelten Führungsfrequenzgang wiedergibt. Die Abweichungen zwischen nomineller Übertragungsfunktion und den Übertragungsfunktionen an den Messpunkten der Führungsfrequenzgänge bilden die Grundlage eines Unsicherheitsmodells. Das Unsicherheitsmodell gibt in Kombination mit der nominellen Übertragungsfunktion das mögliche Streckenverhalten auch zwischen den Messpunkten wieder. Auf dieser Grundlage soll im Folgenden die Auslegung der P-Regler hinsichtlich der Konturabweichung zwischen den beiden Achsen, der Überschwingweiten und der robusten Performance der Regler veranschaulicht werden. Die sich für das Beispiel ergebende Kostenfunktion ist somit: Start Initialisiere die Population P mit α zufälligen Individuen x; Repeat Bestimme die Fitness der einzelnen Individuen J(x i ); Selektiere β Eltern aus P anhand der Fitness; Füge γ Individuen mit der besten Fitness zur Population P‘ hinzu; For i = 1 To δ Erzeuge Individuum x i durch Rekombination; Füge x i zur Population P‘ hinzu; Next For j = 1 To α – γ – δ Erzeuge x j durch Mutation; Füge x j zur Population P‘ hinzu; Next Ersetze P durch P‘; Until Abbruchbedingung End Schrittweiser Ablauf eines Algorithmuses nach [MATH17] antriebstechnik 1-2/2019 41