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antriebstechnik 9/2017

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Welligkeiten auf

Welligkeiten auf Zahnflanken und ihre Ursachen Die Geräuschentwicklung von Pkw-Getrieben stellt ein zunehmend wichtigeres Qualitätskriterium dar. Oft sind Welligkeiten auf der Zahnradoberfläche für die Geräuschemission verantwortlich. Diese können heutzutage mit genauen Messgeräten sicher erfasst werden. Für die tiefere Analyse von Ursache und Wirkung liefert der Schrägungswinkel der Welligkeit wichtige Hinweise. Simulationswerkzeuge können dabei helfen, die komplexen Zusammenhänge der abwälzenden Fertigung zu verstehen und Ursachen zu erkennen. Geringe Geräusche im Innenraum sind ein wichtiges und zunehmend stärker beachtetes Qualitätskriterium für Pkw. Bei immer leiser werdenden Motoren und insbesondere dem weiteren Einsatz der E-Antriebe geraten Geräusche verursacht durch Getriebe zunehmend in den Fokus [1], [2]. Dies gilt nicht nur für das Getriebe im Hauptantriebsstrang, sondern auch für Hilfsantriebe wie z. B. in der Sitzverstellung. Die konsequente Leichtbauoptimierung zur Kraftstoffeinsparung reduziert häufig die Dämpfungseigenschaften des Systems und fördert die Weiterleitung von Schwingungen und Körperschall. Daher ist es für den Getriebehersteller wichtig, die Geräuschentstehung und -weiterleitung als Ursache-Wirkungs- Kette zu kontrollieren. Bild 01 illustriert eine typische Vorgehensweise bei Geräuschproblemen an Verzahnungen. Ausgehend von einem lauten Getriebe, das entweder subjektiv oder durch die Messung von Luftoder Körperschall detektiert wurde, erfolgt eine Geräuschprüfung, bei der die verschiedenen Gänge unter Last hochgefahren werden und eine kontinuierliche Geräuschmessung vorgenommen wird. Die Ergebnisse sind farbcodiert in Wasserfall-Diagrammen dargestellt und erlauben dem Akustiker Rückschlüsse auf geräuschverursachende Komponenten [1]. In der Automobilindustrie ist diese Geräuschprüfung als End-Of-Line (EOL)-Prüfung üblich. Wird ein Zahnrad als Fehlerquelle vermutet, so erfolgt häufig ein Austausch und eine neuerliche Geräuschmessung. Um die Geräuschursache an dem lauten Zahnrad oder Zahnradpaar zu ermitteln, werden laute und leise Bauteile auf hochgenauen Zahnradmessgeräten vermessen. Die Ergebnisse müssen anschließend analysiert werden, um Korrekturmaßnahmen im Fertigungsprozess einzuleiten. Diese Analyse soll im Weiteren erläutert werden. Prof. Dr.-Ing. Günther Gravel ist Leiter des Instituts für Produktionstechnik und M. Sc. Thies Kahnenbley ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Produktionstechnik; beide an der Hochschule für angewandte Wissenschaften HAW Hamburg Grafische Beurteilung von Abweichungskurven Üblicherweise erfolgt zunächst der Vergleich der Kennwerte der Verzahnungsmessgrößen, wie sie in den Normen und Richtlinien 01 Analyse von Geräuschproblemen Geräuschproblem Geräuschprüfung EOL Zahnradmessung Vergleich & Welligkeitsanalyse Quelle: Klingelnberg 108 antriebstechnik 9/2017

GETRIEBETECHNIK definiert sind [3], [4]. Lassen sich hier keine eindeutigen Differenzen erkennen, so erfolgt oft ein grafischer Vergleich der Abweichungskurven. Früher wurde dies durch das Übereinanderlegen der Messblätter erreicht, wie Bild 02 links oben zeigt. Heute können die Messkurven viel einfacher und besser in digitaler Weise gemeinsam dargestellt und verglichen werden. Die übereinandergelegten Abweichungskurven aller Zähne einer lauten und einer leisen geschliffenen Verzahnung für das Evolventenprofil und die Flankenlinie der rechten Flanken sind in Bild 02 Mitte dargestellt. Im Profil sind Differenzen zwischen laut und leise erkennbar, allerdings erlauben der Sollwert der Balligkeit und die Schwankung der Ist-Modifikationen der Flanke in Form von Balligkeit und Winkelabweichung keine weitere Vergrößerung der Kurven. Werden diese Ist-Modifikationen jeder Kurve eliminiert, so wird im rechten Teil des Bildes bei erhöhter Vergrößerung deutlich, dass das leise Bauteil eine große systematische Formabweichung im Profil aufweist, die Kurven der lauten Verzahnung dagegen in Profil und Flankenlinie etwas stärker streuen. Die laute Verzahnung mit einer Zähnezahl von 47 weist auf dem EOL-Prüfstand eine deutliche Geräuschauffälligkeit in der Geisterordnung 57 auf. Ein Zusammenhang zu diesem realen Geräuschverhalten der Verzahnungen ist in den Abweichungskurven nicht erkennbar. Welligkeitsanalyse Da Geräusche durch Schwingungen erzeugt werden und die laute Verzahnung eindeutig als Geräuschursache identifiziert wurde, ist es naheliegend, nach periodischen Oberflächenstrukturen zu suchen, die beim Abwälzen solche Schwingungen erzeugen können. Es ist nun nicht sinnvoll, für jeden Zahn ein eigenes Spektrum von Welligkeiten zu berechnen. Günstig ist es, alle gemessenen Kurven zu einer Kurve über dem Umfang zu verdichten und daraus dann das Spektrum einer umlaufenden Welligkeit zu berechnen [5]. Bild 03 verdeutlicht diese Vorgehensweise. Für jeden Messpunkt auf der Verzahnung lässt sich ein Drehwinkel bestimmen, wie er beim Abrollen mit einem Gegenrad wirksam ist. Dieser berechnet sich aus dem Wälzwinkel, dem Teilungswinkel und der Steigung in Achsrichtung. Werden nun alle Abweichungen über dem Drehwinkel aufgetragen so ergibt sich eine geschlossene Kurve aller Zähne auf einer Umdrehung. Im Bild links ist zu erkennen, dass sich die Kurven entsprechend der Überdeckung und dem Auswertebereich mehr oder weniger überlappen können. Zur Beschreibung von periodischen Signalen haben sich Ausgleichs-Sinusfunktionen bewährt [5]. Gegenüber einer in der Signalverarbeitung häufig benutzten FFT haben sie den Vorteil, auch offene Kurven und solche mit Überlappungen und Lücken zu beschreiben. Aus den gemessenen Kurven über dem Drehwinkel werden nun Schritt für Schritt die Sinusfunktionen mit der größten Amplitude berechnet und zu einem Spektrum verdichtet. Die Ordnungen dieses Spektrums können direkt mit den Geräuschordnungen verglichen werden, wenn die Geräuschordnungen auf die Drehung des betrachteten Zahnrades bezogen werden. Werden nicht alle Zähne der Verzahnung gemessen, sondern die üblichen vier gleichmäßig verteilten Zähne, so weist die Abweichungskurve über dem Umfang erhebliche Lücken auf. Ein daraus berechnetes Spektrum reagiert stark auf Formabweichungen und weist z. B. die Ordnung 4 und Vielfache davon auf. Dieses Verfahren ist bei den vier Zähnen einer Standardmessung nicht brauchbar. Eine gute Lösung für die Welligkeitsberechnung an wenigen Zähnen stellt Bild 03 rechts dar. Für jede Einzelkurve wird ein Spektrum berechnet und diese Spektren werden zu einem mittleren Spektrum verdichtet und auf den Umfang hochgerechnet. Damit lassen sich die Spektren aus Einzelkurven zusammenfassen. Diese Art der Auswertung kann durch die Einzelauswertung allerdings nicht die Phasenlage der Abweichungskurven zueinander berücksichtigen. Weist das reale Bauteil eine Welligkeit auf, die z. B. von Zahn zu Zahn genau gegenphasig verläuft, wird in der gemeinsamen Auswertung keine wirksame Ordnung berechnet, da die Kurven sich auslöschen. In der Einzelauswertung erscheint dagegen die Ordnung der Einzelkurven. In Bild 04 sind links die Ergebnisse der Welligkeitsauswertung der Verzahnung aus Bild 02 als Spektren dargestellt. Die laute Verzahnung weist sowohl im Profil als auch in der Flankenlinie die gesuchte Geräuschordnung 57 als dominante Welligkeit auf. Rechts im Bild zeigt ein Ausschnitt aus dem Verlauf der Kurven, wie gut die 02 Vergleich von Messungen gemeinsame Darstellung Profil rechts gemeinsame Darstellung ohne Modifikatoren Profil rechts 2.0 µm 1.0 µm von Hand Flankenlinie rechts Flankenlinie rechts digital leise laut leise laut antriebstechnik 9/2017 109