Aufrufe
vor 6 Jahren

antriebstechnik 9/2017

antriebstechnik 9/2017

ANTRIEBE FÜR

ANTRIEBE FÜR WERKZEUGMASCHINEN I SPECIAL „Das Zusammenspiel aus Hardware, Mechatronik und Software ist entscheidend“ Uwe-Armin Ruttkamp über die Werkzeugmaschine 4.0 und die Herausforderungen der Digitalisierung Auf der Messe EMO zeigt Siemens unter dem Motto „Digitalization in Machine Tool Manufacturing“, wie Werkzeugmaschinenanwender und -bauer von der Digitalisierung profitieren können. Im Gespräch mit Redakteurin Alexandra Pisek erläutert Uwe-Armin Ruttkamp, Leiter des Business Segments Machine Tool Systems, welchen Nutzen die Digitalisierung bieten muss und wie Siemens diese Anforderung erfüllt. Herr Ruttkamp, wie entwickelt sich die Werkzeugmaschinenindustrie aktuell? Sie entwickelt sich digital. Ich bin davon überzeugt, dass der nächste Produktivitätsschritt nicht darin bestehen wird, noch eine Zehntelsekunde beim Fräsen zu sparen, sondern es wird in ganz anderen Dimensionen gemessen werden. Alle Prozesse werden vorab digital in einer virtuellen Welt simuliert, um Prozesse in der realen Welt zu beschleunigen und Pro­ duktivität zu steigern. Zudem gibt es Trends, die Einfluss auf die Werkzeugmaschinenindustrie haben werden. So steht z. B. die zerspanende Technik für die Herstellung von Verbrennungs motoren vor einer massiven Veränderung. Wenn die Länder, in denen Elektromobilität subventioniert wird, das Ziel haben, zu einem Zeitpunkt X einen bestimmten Prozentsatz an Elektrofahrzeugen auf die Straße zu bringen, dann werden im Vorgriff auch keine Fertigungsmittel mehr benötigt, um z. B. Kolben und Zylinderköpfe zu produzieren. Diese Entwicklung wird Einfluss auf die Werkzeugmaschinenindustrie haben, und es müssen Wege gefunden werden, um diesen Effekt zu kompensieren. Posi tive Trends kommen auf der anderen Seite von Additiv Manufacturing/3-D-Printing. Hier sind Maschinenbauer gerade dabei, sich zusätzliche Geschäftsmöglichkeiten zu erschließen. Dieser Trend wird ein Stück weit für Kompensation sorgen. Die Digitalisierung muss dem Kunden einen Nutzen bringen. Welcher Nutzen ist das? Die Produktivität! Wenn wir über die Wertschöpfungsketten für unsere beiden wichtigsten Kundengruppen – die Maschinenbauer und -betreiber – sprechen, dann ist die Produktivität aus Sicht des Betreibers eindeutig identifizierbar: Mehr Teile in weniger Zeit günstiger produzieren und

eine höhere Qualität bieten. Dies lässt sich durch das Vermeiden von Stillstandzeiten und schnellere Inbetriebnahme erzielen. Hinzu kommen Analysewerkzeuge, die es ermöglichen, die Maßhaltigkeit von Teilen und deren Oberflächengüte frühzeitig im Prozess auf das vom Maschinenbetreiber gewünschte Niveau zu bringen – idealerweise bereits vorab in der virtuellen Welt. Hier bietet Siemens ein integriertes und durchgängiges Portfolio von digitalen D ie Werkzeugmaschine 4.0 spiegelt sich völlig in der digitalen Welt wider Plattformen und einer Fülle von Applikationen. Dem Maschinenbetreiber hilft die Palette an Digitalisierungslösungen, seine gesamte Wertschöpfungskette von der Produktentwicklung und Produktionsplanung bis hin zur eigentlichen Produktion und zum digitalen Service zu optimieren. Die Produktivität aus Sicht des Maschinenbauers äußert sich in etwas anderer Form. Hier steht die Time-to-Market im Mittelpunkt, denn um Innovationen am Markt zu platzieren, braucht der Maschinenbauer den schnellen Zugang zu seinen Kunden. Auch hier bieten wir Digitalisierungslösungen, die – beginnend beim Maschinendesign über die Automatisierung bis hin zur Inbetriebnahme und zum Service – die Prozesskette voll digital unterstützen und so Prozesse massiv beschleunigen. Wie sieht denn die Werkzeugmaschine 4.0 in der Vision von Siemens aus? Die Werkzeugmaschine 4.0 spiegelt sich völlig in der digitalen Welt wider. Wir sprechen hier vom Digital Twin, dem digitalen Zwilling. Es gibt den digitalen Zwilling des Produkts, den digitalen Zwilling der Produktion und den digitalen Zwilling der Performance. Auch eine Werkzeugmaschine ist ein Produkt, denn auch sie muss in der virtuellen Welt mit Softwaremitteln erstellt, gestaltet, entwickelt und konzipiert werden. Dies setzt sich dann fort bis hin zur virtuellen Inbetriebnahme. Hierdurch erhält man den digitalen Zwilling der Produktion. Wenn alle Maschinen in der Anlage arbeiten und alle Daten wie Auslastungskennzahlen, Qualitätskennzahlen und Analytikinformationen über die Teile, die gefertigt werden, in der Siemens Mindsphere, dem offenen IoT-Betriebssystem, abgebildet sind, dann ist das der digitale Zwilling der Performance. Dann kann die komplette Performance einer Anlage digital erfasst werden und die Daten, die in der Mindsphere zur Verfügung stehen, können ausgewertet werden. Kann die Mechanik das, was die Software heute verlangt, noch leisten? Auch die Mechanik unterliegt immer weiteren Veränderungen. Ich glaube nicht daran, dass das große Ziel darin besteht, nochmal eine Zehntelsekunde im Prozess herauszuholen. Wichtig ist beispielsweise eine weitere Optimierung von Schaltschränken. Wir zeigen auf der Messe EMO z. B. eine neue Version unseres S120 Motormoduls in kleinerer Baugröße. Die technischen Möglichkeiten, die sich durch weitere Miniaturisierung u. a. von Schaltkreisen ergibt, setzen wir zum Nutzen des Kunden ein. In unserer Abteilung „Mechatronik Support“ arbeiten zudem ausgewiesene Spezialisten für die Analyse von mechatronischen Einflussgrößen. Auf der EMO werden wir beispielsweise das Produkt Nodding Compensation (NoCo) zeigen. Es wurde entwickelt, weil bestimmte Einflüsse der Maschine sich letzten Endes in der Mechanik niederschlagen, in dem Fall dynamische Positionsabweichungen in einer oder mehreren linearen Maschinenachsen. Dies lässt sich aber durch intelligente Algorithmen verhindern, die die Schwingung dämpfen und kompensieren, sodass ein intelligentes Zusammenspiel aus Hardware, Mechatronik und Software den eigentlichen Nutzen bringt. Welche Anforderungen stellt die Werkzeugmaschine 4.0 an die Antriebstechnik? Mit Manage My Machines stellt Siemens seine erste Mindsphere-Applikation für die Werkzeugmaschine vor Die Werkzeugmaschine 4.0 ist aufgrund ihres digitalen Zwillings flexibel, hocheffizient, transparent und optimal vernetzt. Die Verbindung von der Software zur Mechanik sind die Steuerung und der Antrieb. Das heißt, auch die Antriebstechnik muss sich nahtlos in die Digitalisierungsprozesse einfügen können. Antriebe müssen leicht konfigurierbar sein und alle Anforderungen, wie zum Beispiel das vorhin erwähnte NoCo, umsetzen können. Idealerweise werden auch die Ergebnisse aus Data Analytics in den Parametern der Antriebe umgesetzt. Zudem müssen die Antriebe kommunikativ sein, also eine Schnittstelle Die Antriebstechnik muss sich nahtlos in die Digitalisierungsprozesse einfügen haben, über die sie Zustandsdaten senden können, um mögliche Veränderungen frühzeitig zu melden. Das kann beispielsweise über unsere Siemens Mindsphere passieren. Hinzu kommt, dass Antriebe mit leistungsfähigen, datendurchgängigen Tools wie unserem TIA-Portal in einem durchgängigen Engineering-Prozess konfiguriert werden können und auch im Betrieb durchgängig mit leistungsfähigen, echtzeitfähigen Bussystemen wie Profinet vernetzbar sind. Unseren Kunden liefern wir grundsätzlich ein komplettes System aus Steuerung und Antrieb und bilden auch hierfür einen digitalen Zwilling ab. Das hilft uns beispielsweise gerade beim virtuellen Comissioning. www.siemens.de antriebstechnik 9/2017 103