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antriebstechnik 9/2016

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Anschnittstrategien beim

Anschnittstrategien beim Wälzfräsen: Herausforderungen und Lösungen G.-T. Weber, M. Krömer, D. Sari, C. Löpenhaus, F. Klocke Die Vorbearbeitung von Stirnradverzahnungen erfolgt aufgrund der hohen Produktivität des Prozesses häufig durch Wälzfräsen. Eine Einschränkung des Prozesses liegt jedoch im nötigen Arbeitsraum für Werkzeugeinlauf und -auslauf. Für Bauteile mit Störkonturen in der Nähe der Verzahnung müssen daher häufig alternative Prozesse mit geringerer Produktivität wie z. B. das Wälzstoßen eingesetzt werden [1]. 01 Mögliche Anschnittstrategien beim Wälzfräsen Durch angepasste Bearbeitungsstrategien während des Anschnitts können Verzahnungen mit verringertem axialem Freiraum dennoch durch Wälzfräsen bearbeitet werden, da während des Einlaufs keine Profilierung der Lücke stattfindet. Aufgrund dessen ist eine Variation der Prozessparameter und Bearbeitungsstrategien während des Anschnitts möglich, ohne direkten Einfluss auf die erzeugte Lückengeometrie des gefrästen Bauteils zu nehmen. In der Regel werden Stirnradverzahnungen im Axialwälzfräsprozess hergestellt. Hierbei wird der Fräser parallel zur Werkstückachse am Werkstück entlang bewegt. Eine Alternative hierzu bietet die Bearbeitung des Anschnitts unter abweichenden Vorschubrichtungen. Der benötigte Raum unterhalb der Verzahnung kann durch eine diagonale oder radiale Zustellung reduziert werden. Der Anschnitt im Axialwälzfräsprozess wird meist bei den gleichen Vorschubwerten durchgeführt, wie die Bearbeitung des restlichen Bauteils. Der radiale und diagonale Anschnitt wird heute im industriellen Umfeld nach Erfahrungswerten ausgelegt und es existieren keine wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse, die als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden können. Stand der Erkenntnisse Die Auslegung von Axialwälzfräsprozessen wurde in der Vergangenheit unter verschiedenen Gesichtspunkten untersucht. Sowohl das Wälzfräsen mit Hartmetallwerkzeugen [2, 3, 4, 5, 6, 7, 8] als auch Dipl.-Ing. G.-T. Weber war Mitarbeiter am Werkzeugmaschinenlabor (WZL) der RWTH Aachen; Dipl.-Ing. Markus Krömer ist Mitarbeiter am Werkzeugmaschinenlabor (WZL) der RWTH Aachen; Dipl.-Ing. Deniz Sari ist Gruppenleiter am Werkzeugmaschinenlabor (WZL) der RWTH Aachen; Dr.-Ing. Dipl.-Wirt.-Ing. Christoph Löpenhaus ist Oberingenieur am Werkzeugmaschinenlabor (WZL) der RWTH Aachen; Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E. h. Dr. h. c. Dr. h. c. Fritz Klocke ist Direktor des Werkzeugmaschinenlabor (WZL) an der RWTH Aachen mit Werkzeugen aus pulvermetallurgisch hergestelltem Schnellarbeitsstahl (PM-HSS) [9, 10, 11, 12, 13, 14] wurden eingehend analysiert. Für das axiale Fräsen wurden die Eintritts- und Austrittsbereiche in [7] in Bezug auf Schneidkantenausbrüche bei Hartmetallwerkzeugen untersucht. In weiteren Arbeiten wurde der Anschnittbereich im Prozess nicht gesondert betrachtet, sodass zum Einfluss des Anschnitts auf den Prozess lediglich wenige Erkenntnisse vorliegen. Die Auslegung von Axialwälzfräsprozessen erfolgt anhand verschiedener Kenngrößen. Die maximal auftretende Spanungsdicke (h cu,max ) sowie die maximale Vorschubmarkierungstiefe werden hierbei zur Auslegung des Axialvorschubs genutzt [15]. Zur Ermittlung dieser Spanungsdicke werden verschiedene Formeln eingesetzt. Die meistverbreitete Näherungsformel wurde von Hoffmeister entwickelt [2]. Diese Formel wurde für den Vollschnitt im Axialwälzfräsprozess entwickelt und ist für die Belastungen eines diagonalen oder radialen Anschnitts nicht gültig. Eine weitere Möglichkeit zur Bestimmung von Spanungskenngrößen bietet der Einsatz von geometrischen Durchdringungsrechnungen zum Wälzfräsen. Hierbei können die resultierenden Spanungsgeometrien in Abhängigkeit von der Werkstück- und Werkzeuggeometrie sowie den Prozessparametern rechnerbasiert bestimmt werden [16, 17]. Am Werkzeugmaschinenlabor der RWTH Aachen wurde hierzu die Simulationssoftware SPARTApro entwickelt [18]. In Bild 1 sind die möglichen Anschnittstrategien im Wälzfräsprozess dargestellt. Die Variante mit der größten Verbreitung ist der axiale Anschnitt. Dieser findet häufig Verwendung und die Auslegung erfolgt hier meist entsprechend dem Vollschnitt. Eine gesonderte wissenschaftliche Betrachtung des Anschnitts wurde für diesen Fall bisher nicht durchgeführt. Ein radialer oder diagonaler Anschnitt wird in der Regel nur durchgeführt, wenn das Bauteil eine axiale Bearbeitung im Wälzfräsprozess nicht zulässt. Zur Auslegung des Anschnitts bestehen, basierend auf der Vorgehensweise im axialen Anschnitt, verschiedene Auslegungsmöglichkeiten, siehe Bild 2. Die erste Variante stellt eine Auslegung dar, die eine dem axialen Anschnitt entsprechende Hauptzeit des Prozesses ergibt. Zweitens können Prozesse 86 antriebstechnik 9/2016

WÄLZFRÄSEN angestrebt werden, die im Anschnitt die gleiche maximale Spanungsdicke erreichen wie im Vollschnitt. Eine dritte Möglichkeit besteht in einer Auslegung mit dem Ziel, bei gleichen Werkzeugkosten einen diagonalen oder radialen Anschnitt umzusetzen. Hierzu wird eine konstante Standlänge über dem Anschnittwinkel angestrebt. Wie diese Auslegungsansätze umgesetzt werden können und in welcher Weise sich die resultierenden Prozesse auf die Produktivität und den Werkzeugverschleiß auswirken, wird für die hier zugrunde liegende Zielsetzung untersucht. Untersuchung verschiedener Anschnittstrategien Das Ziel der Untersuchungen ist die Erarbeitung von Richtlinien für die Auslegung des Anschnitts beim Wälzfräsen in Abhängigkeit vom Anschnittwinkel auf Grundlage wissenschaftlicher Untersuchungen. Hierzu werden sowohl theoretische Analysen anhand des Simulationsprogramms SPARTApro als auch Standzeitversuche im Schlagzahnprozess durchgeführt. Die Basis für diese Betrachtungen bildet ein Wälzfräsprozess mit axialem Anschnitt bei konstantem Vorschub über dem Bauteil. Der Vorschub über einen Prozess wird in diesen Untersuchungen konstant gehalten. Im Anschluss an die Betrachtungen zur konstanten Hauptzeit und zur konstanten maximalen Spanungsdicke soll eine Auslegung mit dem Ziel, eine konstante Standlänge des Werkzeugs zu erreichen, erfolgen. Die für diese Untersuchungen verwendete Verzahnung sowie das Werkzeug und die Prozessgrößen sind in Bild 3 dargestellt. Das genutzte Zahnrad hat einen Modul von m n = 2,56 mm, eine Zähnezahl von z 2 = 40 und einen Eingriffswinkel von α n2 = 17,5°. Der Schrägungswinkel liegt bei β = 20°. Als Werkzeug wird ein 2-gängiger Wälzfräser mit einem Außendurchmesser von d a0 = 80 mm und einer Stollenzahl n i = 20 angenommen. Der Referenzprozess ist ein Gleichlaufwälzfräsprozess mit einem Axialvorschub von f a = 3,5 mm und einer Schnittgeschwindigkeit von v c = 125 m/min. Für die Zerspanversuche zur Untersuchung der erzielbaren Werkzeugstandzeiten wurden Werkstücke aus dem Werkstoff C45 und Werkzeuge aus PM-HSS S390 mit einer AlCrN- Beschichtung eingesetzt. Die Beschichtungsdicke der Werkzeuge für die Zerspanversuche beträgt s =1 µm auf der Spanfläche. 02 Auslegungsstrategien und Zielsetzung zum Anschnitt beim Wälzfräsen 03 Untersuchungsgegenstand Anschnitt bei konstanter Hauptzeit Die Betrachtung einer Anschnittwinkelvariation wird im Folgenden zunächst auf Basis der Annahme einer konstanten Hauptzeit durchgeführt. Um den Prozess abbilden zu können, muss zuerst der Bewegungsablauf des Fräsers im Anschnitt bestimmt werden. Dies erfolgt in drei Schritten, siehe Bild 4. Zunächst wird hierbei das Ende der Profilausbildungszone ermittelt werden, da der Fräser an diesem Punkt die volle Tauchtiefe erreicht haben muss, um die Werkstückflanke vollständig zu profilieren. Ab diesem Punkt im Prozess muss ein axialer Vorschub eingestellt sein. Das Ende der Profilausbildungszone definiert den Endpunktpunkt des Anschnitts. Auf Basis einer Betrachtung der Durchdringung im Achsschnitt der Verzahnung kann die Länge der Profilausbildungszone (l P2 ) bestimmt werden. Diese wird in einem weiteren Schritt auf die 04 Vorgehen bei der theoretischen Analyse des Anschnitts Fräsermittelachse projiziert und im Folgenden die Höhe der ersten Profilausbildung über dem Fräsermittelpunkt (z P ) ermittelt. Von diesem Punkt aus wird die Bahn des Fräsers für die definierten Anschnittwinkel bestimmt. Im nächsten Schritt wird die Höhe der Kontaktellipse zwischen antriebstechnik 9/2016 87