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antriebstechnik 9/2016

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04 Analogieversuche zum

04 Analogieversuche zum Schälwälzfräsen (n 0 – Drehzahl des Werkzeugs, n w – Drehzahl des Werkstücks, f z – Axialvorschub, f y - Tangentialvorschub) Die Kenntnis des Eigenspannungstensors T s ermöglicht eine geeignete Abschätzung des lokalen Eigenspannungszustandes sowie die Identifizierung der Eigenspannungen in einem beliebigen Koordinatensystem. Problemstellung und Zielsetzung Wie sich aus dem Kapitel zur Eigenspannungsmessung auf evolventischen Zahnflanken ergibt, weist die Tensormessung die höchste Aussagekraft über die Auswirkung des resultierenden Eigenspannungszustandes auf die Dauerfestigkeit der Verzahnung auf. Da die Tensormessung jedoch mit einem hohen Zeit- und Kostenaufwand verbunden ist, werden in den meisten bisherigen Forschungsarbeiten Eigenspannungen in einer Richtung oder vereinzelt in zwei Richtungen (entsprechend den Messwerten s 0 und s 90 ) bewertet. Die Messrichtung wird oft nicht angegeben, was einen direkten Vergleich der Eigenspannungswerte aus unterschiedlichen Untersuchungen unmöglich macht. Die Messungen werden außerdem in den meisten Fällen an einem einzigen Punkt auf der Zahnflanke durchgeführt. Dadurch fehlt die Information über die lokale Variation des Eigenspannungszustandes, welche als Folge der variierenden Spanungsquerschnitte zu betrachten ist. Diese Veröffentlichung soll zur realitätsnahen Abschätzung des lokalen Eigenspannungszustandes nach dem Schälwälzfräsen beitragen. Die Schwerpunkte dieser Veröffentlichung können in folgenden Punkten zusammengefasst werden: n Identifizierung des Eigenspannungstensors auf den Zahnflankenoberflächen nach dem Schälwälzfräsen mithilfe von Analogieversuchen n Anwendung der Analogieversuche zum Schälwälzfräsen zur Untersuchung des Einflusses der Stellgrößen (Schnittgeschwindigkeit v c , Axialvorschub f z ) auf den resultierenden Eigenspannungszustand n Untersuchung der lokalen Variation des Eigenspannungszustandes auf den bearbeiteten Zahnflanken in der Profil- und in der Flankenlinienrichtung Anwendung der Analogieversuche Die Eigenspannungsmessung auf schälwälzgefrästen Zahnflanken ist mit einem hohen Präparations- und Messaufwand verbunden. Zusätzlich, wie im Kapitel 2.2 erläutert wurde, kommt es zur Überlagerung der aufeinanderfolgenden Wälzstellungen, was dazu führt, dass der Einfluss der Stellgrößen von dem Einfluss der lokal variierenden Spanungsgrößen nicht klar getrennt werden kann. Aus diesem Grund wurden zwei Analogieversuche – das Drehfräsen und das Schlagzahnfräsen nach [14] und [15] – zur isolierten Betrachtung der genannten Effekte angewendet. Beim Analogieversuch wird ein ähnlicher bzw. ein gleicher Span wie beim Schälwälzfräsprozess unter vereinfachten Bedingungen erzeugt. Das Prinzip des Drehfräsens und des Schlagzahnfräsens können dem Bild 4 entnommen werden. Bei beiden Analogieprozessen wird eine ausgewählte Wälzstellung untersucht. Beim Drehfräsen wird der Fräserzahn, welcher der hier betrachteten Wälzstellung entspricht, durch eine Wendeschneidplatte ersetzt. Das Zahnrad wird durch ein Analogiewerkstück (Zylinder) ersetzt, dessen Radius dem lokalen Krümmungsradius des Zahnprofils an der bearbeiteten Stelle entspricht. Durch eine gezielte Wahl des Verhältnisses zwischen der Werkzeugdrehzahl n 0 und der Werkstückdrehzahl n W werden die lokale Überlagerung der Zahneingriffe und die lokale Spanungsgeometrie analog zum Schälwälzfräsen erreicht. An dieser Stelle soll betont werden, dass die untersuchte Spanungsgeometrie einer einzelnen Wälzstellung beim Schälwälzfräsen entspricht. Beim Schlagzahnfräsen wird ein Segment des Schälwälzfräsers (ein Fräserzahn) mit dem Zahnrad in Eingriff gebracht. Gegenüber dem Drehfräsprozess werden durch den Einsatz des Fräserzahns einige zusätzliche Merkmale des Schälwälzfräsprozesses berücksichtigt. Dazu gehört vor allem der Einfluss des variierenden effektiven Spanwinkels nach [14] sowie vergleichbares Werkzeugmaterial und vergleichbare Beschichtungen, was beim Drehfräsen durch den Ersatz des Fräserzahns durch eine Wendeschneidplatte nicht gegeben ist. Der Schlagzahnfräsprozess ermöglicht außerdem, alle Wälzstellungen und dadurch das komplette Zahnprofil zu bearbeiten, indem der Fräserzahn in der Richtung des Tangentialvorschubs verschoben wird. Dies ermöglicht eine Untersuchung der variierenden Wälzstellungen analog zu dem Schälwälzfräsprozess. Aus den Eigenschaften beider Analogieprozesse ergibt sich folgende experimentelle Vorgehensweise: n Zur getrennten Bewertung des Einflusses der Stellgrößen (v c, f z ) und der variierenden Spangeometrie bei unterschiedlichen Wälzstellungen auf die eingebrachte Eigenspannung soll der Drehfräsprozess angewendet werden. Dadurch kann jede Wälzstellung (durch die Anpassung des Werkstückradius der lokalen Krümmung des Zahnprofils) separat untersucht werden. n Die Betrachtung der lokalen Eigenspannungsveränderung entlang des Zahnprofils und entlang der Flankenlinie (infolge der variierenden Wälzstellungen) soll mithilfe des Schlagzahnfräsens durchgeführt werden. Hier werden zusätzlich die Schlussfolgerungen bezüglich der Auswirkung der Stellgrößen aus dem vorherigen Schritt (Drehfräsen) geprüft. Experimentelle Untersuchungen beim Drehfräsen Die Untersuchungen zum Drehfräsen wurden an der Wälzfräsmaschine Gleason Pfauter GP 130 durchgeführt. Zur Identifizierung 82 antriebstechnik 9/2016

WÄLZFRÄSEN 05 Untersuchung der lokalen Variation der Haupteigenspannungen entlang eines Werkzeugeingriffs Tabelle 1: Überprüfung der Reproduzierbarkeit des resultierenden Eigenspannungszustands nach dem Drehfräsen des Eigenspannungszustands nach dem Drehfräsprozess wurde das Röntgendiffraktometer Seifert 3000 PTS TT mit einer Cr-Röhre und einem Kollimatordurchmesser von 1 mm (entspricht dem Durchmesser des hier verwendeten Röntgenstrahls) eingesetzt. Zur Überprüfung der Reproduzierbarkeit der resultierenden Eigenspannungsmesswerte wurden drei gleichartige Proben unter konstanten Prozessbedingungen bearbeitet und gemessen. Die Ergebnisse können der Tabelle 1 entnommen werden. Die Messergebnisse in der Tabelle 1 ergeben sich aus der Oberflächenmessung des lokalen Eigenspannungszustands in der Mitte der Werkstückhöhe H. Aus dem Vergleich der drei gleichartig bearbeiteten Proben ergibt sich eine extrem hohe Streuung der resultierenden Eigenspannungen auf (die entsprechenden Mittelwerte sind in der Tabelle 1 rot markiert). Die nachfolgende Untersuchung möglicher Ursachen hierfür hat darauf hingewiesen, dass die lokalen Eigenspannungsverhältnisse im Rahmen eines einzelnen Werkzeugeingriffs deutlich variabel sind. Um diesen Effekt zu untersuchen, wurde das rotierende Werkzeug in der Mitte der Werkstückhöhe radial „ins volle Material“ ohne die Vorschubbewegung zugestellt. Die entsprechende Eingriffsbahn des Werkzeugs ist im Bild 5 unten dargestellt. Entlang dieser Eingriffsbahn sind die Eigenspannungen s x und s y dargestellt. Die Verläufe von s x sowie s y weisen einen signifikanten Abfall am Anfang (0 – 2 mm) sowie am Ende (12 mm) der Werkzeugeingriffsbahn auf. Dieser Abfall lässt sich auf den zunehmenden Anteil der plastischen Verformung zurückführen, welcher mit der Unterschreitung der kritischen Spanungsdicke am Rand der Werkzeugeingriffsbahn einhergeht. Die Ergebnisse in Bild 5 sind als Annäherung der lokalen Eigenspannungsverhältnisse beim Drehfräsen zu betrachten, da sie die lokale Überlagerung der Werkzeugeingriffe beim Drehfräsen nicht berücksichtigen. Die Simulation des Drehfräsprozesses in [16] hat gezeigt, dass die resultierende drehgefräste Oberfläche aus vergleichsweise kleinen periodisch verteilten Segmenten der Werkzeugeingriffsbahn besteht (schematisch in Bild 5 rechts dargestellt). Innerhalb des hier verwendeten Röntgenstrahldurchmessers von 1 mm werden während der Eigenspannungsmessung zwei oder mehrere Abschnitte einschließlich der plastisch verformten Übergangszonen, welche aus dem Bild 5 hervorgehen, erfasst. Diese plastisch verformten Übergangszonen können durch die deutlich unterschiedlichen lokalen Eigenspannungen einen signifikanten Einfluss auf den resultierenden Messwert der Eigenspannung haben. Dadurch, dass eine genaue Position des Röntgenstrahls in Bezug auf die plastisch verformten Übergangszonen nicht definiert werden kann, entsteht eine erhöhte Streuung der Messwerte, welche aus den Ergebnissen in der Tabelle 1 hervorgeht. Um diesen Effekt während der folgenden Untersuchungen vom Einfluss der Stellgrößen zu isolieren, werden zusätzliche Messpunkte in der nächsten Umgebung (± 1 mm in der Schnittrichtung) erfasst. Aufgrund der Messwerte wird nachfolgend ein lokaler Mittelwert der Eigenspannung gebildet. Zur Untersuchung des Einflusses der Schnittgeschwindigkeit v c , des Axialvorschubs f z sowie des Werkstückdurchmessers D beim Drehfräsen wurde ein statistischer Versuchsplan nach [17] erstellt. Ausgewählte Ergebnisse, welche während der Durchführung dieses Versuchsplans ermittelt wurden, können der Tabelle 2 entnommen werden. Die Eigenspannung s x weist eine Abhängigkeit von der ersten sowie von der zweiten Ordnung der Schnittgeschwindigkeit v c auf. Wird das negative Vorzeichen bei der zweiten Ordnung der Schnittgeschwindigkeit berücksichtigt, ist in dem untersuchten Parameterraum ein lokales Maximum von s x zu erwarten. Dies weist auf ein „verbotenes“ Intervall der Schnittgeschwindigkeiten v c hin, welche zu einem unerwünschten Anstieg der Hauptspannung s x führen. Die Eigenspannung s y weist gegenüber s x eine Abhängigkeit von dem Werkstückdurchmesser D. Mit einem größeren Werkstückdurchmesser sind geringere Werte von s y zu erwarten. Dies weist darauf hin, dass die Eigenspannungen s y auf einer schälwälzgefrästen Zahnflanke in der Profilrichtung zum Zahnkopf (entsprechend einem wachsenden lokalen Krümmungsradius) abnehmen. Experimentelle Untersuchungen beim Schlagzahnfräsen Zur Durchführung der Schlagzahnfräsversuche wurde die Wälzfräsmaschine Liebherr LC 180 genutzt. Die resultieren den Oberflächeneigenspannungen nach dem Schlagzahnfräsen wurden auf einem Röntgendiffraktometer Seiffert XRD 3003 TT mit einer Cr-Röhre und einem Kollimatordurchmesser von 1 mm vorgenommen. Zur Überprüfung der Reproduzierbarkeit der ermittelten Eigenspannungswerte wurden an einem bearbeiteten Zahnrad Eigenspannungen s 0, s 45 und s 90 auf 3 jeweils linken und rechten Zahnflanken gemessen. Die Messposition lag dabei in der Mitte der Zahnflanke. Die Werte von s 0, s 45 und s 90 sowie die daraus abgeleiteten Eigenspannungstensoren T s sind in der Tabelle 3 aufgeführt. Die gemessenen Eigenspannungen s 0, s 45 und s 90 erreichen überwiegend vergleichbare Werte. Dies konnte mithilfe mehrerer nah beieinanderliegenden Messpunkte in Anlehnung an die erarbeitete Methodik aus dem Kapitel 5 erreicht werden. Die resultierenden Eigenspannungstensoren T s weisen jedoch weiterhin eine hohe Streuung auf. Ein ähnlicher Effekt wurde in [9] als Auswirkung der antriebstechnik 9/2016 83