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antriebstechnik 9/2016

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WIND, SONNE, WASSER I

WIND, SONNE, WASSER I SPECIAL Neue Lösungen für die Windenergie Wie ein Hardware-in-the-Loop-Prüfstand den Aufwand beträchtlich senkt Philipp Dauer Die Anforderungen an Hard- und Software-Lösungen – z.B. im Hinblick auf Qualität und Time-to-Market – steigen stetig. Immer komplexer werdende Systeme lassen sich nur auf Basis moderner Methoden entwickeln. Vor diesem Hintergrund bietet Phoenix Contact vom Netzschutzsystem über Software-Bibliotheken bis zu kompletten Automatisierungskonzepten Lösungen, die sowohl in einem Software- als auch Hardware-in-the-Loop-Prüfstand getestet werden. Philipp Dauer ist Mitarbeiter im Bereich Industry Solutions Wind bei der Phoenix Contact Electronics GmbH in Bad Pyrmont I nsbesondere im Bereich der Windenergie erweist es sich als aufwändig, neue Lösungen in einer realen Anlage zu erproben. Oftmals liegen nicht die richtigen Wetterbedingungen vor. Außerdem sind die Anlagen schwer zu erreichen oder lediglich mit einer geringen Bandbreite aus der Ferne diagnostizierbar. Daher müssen Möglichkeiten gefunden werden, um die Entwicklung von Software und Lösungsprodukten zu vereinfachen. Bei Windenergieanlagen (WEA) handelt es sich nicht nur um die größten rotierenden, sondern ebenfalls um die mit rund 20 Jahren am längsten betriebenen Maschinen. Das bedeutet zum einen, dass Ermüdungslasten-Nachweise geführt werden müssen, die sicherstellen, dass die An- lagen den langjährigen Belastungen standhalten. Auf der anderen Seite wirken extreme Lasten, die durch seltene, aber außergewöhnliche Ereignisse hervorgerufen werden, auf die WEA ein. Ein solcher Lastfall kann dabei statistisch betrachtet in der Realität nur einmal in 50 Jahren auftreten. Gefordert ist also ein Ansatz, der bei der Entwicklung von Software und Lösungsprodukten einen Zeitraum von mindestens 20 Jahren an Ermüdungslasten berücksichtigt. Darüber hinaus müssen besondere Lastsituationen nachstellbar sein, was im Feld unmöglich ist. Dies liegt darin begründet, dass die Störgröße entweder eine stochastische Variable darstellt oder aus technischen respektive wirtschaftlichen Gründen gar nicht beeinflussbar ist. So weht der Wind zufällig und lässt sich nicht beherrschen. Der Test eines Spannungseinbruchs im Netz gestaltet sich ebenso kompliziert und kostspielig, denn die Kombination aus speziellen Windsituationen und einem Netzfehler ist kaum nachstellbar. Trotzdem gibt es tausende geprüfte, sichere, zuverlässige und profitabel arbeitende Windenergieanlagen, sodass ein entsprechendes Konzept vorhanden sein muss. Unter kontrollierten Bedingungen Lösungen für moderne WEA werden mit einem modellbasierten Ansatz entwickelt, wobei das physikalische Verhalten der An- 72 antriebstechnik 9/2016

für die Anlagenautomatisierung zu verzichten, stellt Phoenix Contact ein zweistufiges Verfahren zur Verfügung. Zunächst wird der Regelalgorithmus durch eine automatische Code-Generierung direkt aus Matlab für die Steuerung kompiliert und in die Entwicklungsumgebung PC Worx eingebunden. Dort verbindet der Entwickler dann den Regler, der durch SIL verifiziert worden ist, mit der restlichen Software, beispielsweise der Netzbetreiber- Ankopplung, den Sensorik-Treibern oder der Daten-Logging-Software. Diese Software, bei der es sich um ein vollständiges Betriebsführungs-Tool inklusive Ein-/Ausgangsmodulen zur Sensor-/Aktor-Ebene sowie Schnittstellen nach außen handelt, wird anschließend auf die Steuerung überspielt. In einem zweiten Schritt eröffnet Phoenix Contact die Möglichkeit, das Anlagenmodell auf eine Linux-RT-basierte SPS zu kopieren und hier mit den Ein-/Ausgangsmodulen zu verbinden. Diese bilden jeweils das exakte Gegenstück zu den Modulen, welche die Anlagensteuerung verwendet, und imitieren mit den Informationen aus dem Modell das entsprechende Systemverhalten. Die Anlagensteuerung wird nun mit der Simulationssteuerung gekoppelt und es entsteht ein geschlossener Regelkreis – Hardware versus Hardware – mit allen Totzeiten, dem Systemverhalten, Programmaufrufen et cetera in Echtzeit. Die Anlagensteuerung bemerkt dabei nicht, dass sie ein Modell und keine reale WEA regelt. Der Vorgang erfolgt, ohne zu Testzwecken Veränderungen an der Betriebsführungs-Software vornehmen zu müssen. Der praktikable und wirtschaftliche Ansatz schafft Prozesslagen mit einem modalen Ansatz abgebildet wird und die daraus abgeleiteten Differenzialgleichungen im Zeitbereich numerisch gelöst werden. Auf diese Weise lässt sich ein komplexes, nicht lineares System, das erhebliche Kopplungen insbesondere der Aerodynamik und Elastik aufweist, handhabbar beschreiben. Neben der Bewegung der Körper im Raum erhält der Entwickler die simulierten Lasten, die an den einzelnen Subsystemen und Schnittstellen wirken – und zwar im Zeitraffer und unter frei veränderlichen, kontrollierten Bedingungen. So können 20 Jahre Laufzeit in wenigen Tagen im virtuellen Zeitraffer sowie extreme Situationen anhand eines speziellen Satzes von Parametern nachgestellt werden. Vor dem Hintergrund des Designs der Automatisierungs-Software lassen sich mit den gängigen Modellen Ergebnisse erreichen, die die Wirklichkeit sehr gut abbilden. Dabei kommen je nach Zielsetzung Tools wie Bladed, Fast oder HAWK2, aber auch selbst erstellte Modelle zum Einsatz. Phoenix Contact nutzt bei der Entwicklung der Modelle Software von morewind, die auf der langjährigen Erfahrung des Unternehmens im Bereich der Modellierung und Lastrechnung für Windenergieanlagen basiert. Nach der Modellierung wird in der Regel die Betriebsführungs- und Regler- Software mit industrieüblichen Tools wie Matlab in einem iterativen Verfahren entwickelt. Hier findet stets ein Test von Algorithmus gegen Modell statt, der auf einem Entwicklungs-PC erfolgt – Regler versus Model, also Software versus Software. Der so genannte Software-in-the-Loop-Test (SIL) ist in der Windindustrie gängige Praxis. Zweistufiges Verfahren Neben der Komplexität des physikalischen Systems sieht sich die Betriebsführungs- Software moderner WEA mit einem zunehmenden Schwierigkeitsgrad bei den einzelnen Gewerken – vom Sensor über das Bussystem bis zum Aktor – konfrontiert. Aufgrund der sich im Kontext von Industrie 4.0 abzeichnenden Entwicklung wird sich dieser Effekt in Zukunft weiter verstärken. Das hat unmittelbaren Einfluss auf die Kommunikations-Infrastruktur, die sich ebenfalls als komplizierter darstellt. An dieser Stelle kommt der Hardware-in-the- Loop-Test (HIL) ins Spiel. Um auf eine aufwändige Modellierung des physikalischen Verhaltens spezifischer Hardware-Module zur Analogwert-Verarbeitung oder des Betriebssystem-Verhaltens der Zielplattform 01 Im Hardware-in-the-Loop-Prüfstand für Windenergieanlagen kommt die Linuxbasierte Steuerung AXC 3051 zum Einsatz GESCHWINDIGKEIT