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antriebstechnik 9/2015

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Härteste Schale unter

Härteste Schale unter Schalentieren Robuste, korrosionsunempfindliche Förderantriebe in der Muschelfabrik Jörg Niermann Fabriken, die Meeresfrüchte verarbeiten, bewahren den frisch angelieferten Fang meist bis zur Verarbeitung in Salzwasser auf. In solchen Anlagen sind Maschinen zwangsläufig einer seewassergeschwängerten Atmosphäre ausgesetzt. Die salzhaltige Umgebungsluft zieht herkömmliche Förderantriebe stark in Mitleidenschaft. Die Lösung: Aluminium-Systeme mit spezieller Oberflächenbehandlung machen die Antriebe unempfindlich. Jörg Niermann ist Bereichsleiter Marketing bei Nord Drivesystems in Bargteheide In Yerseke, einem niederländischen Fischer dorf, sind Schalentiere seit fast anderthalb Jahrhunderten der wichtigste Industriezweig. Das ortsansässige Familienunternehmen Krijn Verwijs Yerseke B.V., 1880 als Austernzuchtbetrieb gegründet, hat sich im Lauf der Jahre zu einem der größten Akteure im europäischen Schalenund Krustentiermarkt entwickelt. Miesmuscheln werden in Zuchtbänken in den Niederlanden, Irland, Großbritannien und Deutschland geerntet. Sobald sie die Fabrik per Schiff oder im Kühltransporter erreichen, werden sie in große Becken mit einem stetigen Zufluss von kühlem, sauberem Nordseewasser gegeben. Um sie zu entspannen und gründlich von Sand zu befreien, verbleiben die Muscheln etwa einen Tag lang in diesen Behältern. Ganz im Sinne eines frischen Endprodukts befinden sich die Container in der Fabrik gleich neben den Verarbeitungsanlagen: Dies ermöglicht einen schnellen Produktionsanlauf, indem die Muscheln direkt aus den gewaltigen Behältern auf die erste von mehreren Förderstrecken des mehrstufigen Prozesses gegeben werden. Die Muscheln werden weiter gereinigt, beschädigte und tote Exemplare werden manuell aussortiert, und sie werden entbartet, d. h. von den externen Fäden befreit, mit denen sie sich in der Natur an Oberflächen festsetzen. Schon bald danach können qualitäts geprüfte verarbeitete Produkte verpackt und an die jeweiligen Kunden verschickt werden. Von salzhaltiger Luft zerfressen Angesichts der großen Behälter voll Salzwasser und der Tatsache, dass die lebenden Muscheln durchgängig in feuchtem Zustand über die Förderbänder laufen, ist die gesamte Fabrik von einer salzhaltigen Atmosphäre durchdrungen. Die schnelle Korrosion von Metallkomponenten in zahlreichen Anlagen ist daher vorprogrammiert. Im Falle der zahlreichen 1,5-kW-Getriebemotoren, die die vielen Förderbänder antreiben, erscheinen die ersten Rostflecken binnen Wochen auf brandneuen Systemen. Die Lebensdauer eines Standardantriebs in dieser Umgebung beträgt daher nur ein bis zwei Jahre − dann muss ein neuer Getriebemotor als Ersatz installiert werden. Um Antriebe länger im Dienst zu behalten, gibt es nur wenige sinnvolle Maßnahmen. Bei gusseisernen Systemen werden selbst Schutzbeschichtungen oder -lackierungen letztendlich z. B. durch Kratzer beschädigt, sodass der Beginn der Korrosion nur unwesentlich verzögert wird. Edelstahlantriebe eignen sich leider nicht für diese Anwendung, und das nicht nur, weil diese Modelle mit beträchtlich höheren Anschaffungskosten verbunden wären. Auch Routine-Reinigungsarbeiten wären mit Edelstahlantrieben nicht mehr möglich, denn sie würden vor dem Abstrahlen stets eine beträchtliche Zeit zum Abkühlen brauchen, um Verspannungen im Material zu vermeiden. Viele Jahre lang musste Krijn Verwijs sich daher dem scheinbar Unvermeidlichen 72 antriebstechnik 9/2015

SPECIAL I HEAVY DUTY fügen und dem schnellen Rostangriff stets neue Ersatzantriebe entgegensetzen. Schließlich aber stellte der niederländische Antriebslieferant Drive & Flow bei Krijn Verwijs einen neuen Ansatz vor, um Antriebe für den Einsatz in aggressiven Umgebungen zu ertüchtigen − eine neu entwickelte Lösung von Nord Drivesystems. Integrierter Schutz Nord hatte sein Portfolio um eine breite Auswahl an Antriebssystemen mit einer speziell behandelten Aluminiumoberfläche erweitert: Genau solchen widrigen Umgebungsbedingungen wie bei Krijn Verwijs sollten die so behandelten Antriebe auf Dauer standhalten. Dem höheren Anschaffungspreis dieser Getriebemotoren im Vergleich zu herkömmlichen Ausführungen aus Gusseisen steht gegenüber, dass die Leichtmetall-Systeme mit sogenannten nsd tupH-Oberflächen in der Regel den gesamten Lebenszyklus der von ihnen angetriebenen Förderbänder überdauern. Die sonst üblichen Folgekosten für die Beschaffung mehrerer Ersatzantriebe hintereinander fallen also weg. Dasselbe gilt für den damit verbundenen Installationsaufwand. Prüflabor-Ergebnisse bestätigten bereits, dass die behandelten Antriebe z. B. nach 1000 h Salzsprühtests keinerlei sichtbare Korrosionsspuren davontrugen. Bei Krijn Verwijs entschloss man sich trotzdem zunächst zu eigenen Erprobungen, um sich der Praxistauglichkeit selbst zu vergewissern. Der erste nsd tupH-Getriebemotor wurde im Frühjahr 2013 in der Muschelfabrik installiert. Seine kratzfeste Oberfläche erwies sich als extrem widerstandsfähig und zeigte nach mehreren Monaten Betrieb tatsächlich kaum Verschleißerscheinungen. „Mit Standard-Getriebemotoren aus Gusseisen hatten wir keine Wahl: Wir mussten wieder und wieder zahlreiche Geräte austauschen − bis zu zehn Mal während der Lebensdauer eines Förderbands. Da es derart viele Antrie be in unserer Fabrik gibt, nahmen diese Auswechslungen quasi nie ein Ende. Dass wir mit der neuen Nord- Lösung nicht mehr ununterbrochen an die Antriebe denken müssen, ist eine große Erleichterung. Wir erwarten, dass die Systeme in unserer Fabrik mindestens fünfmal so lange durchhalten wie die alten Getriebemotoren“, erklärt Bram de Visser, bei Krijn Verwijs zuständig für den Technischen Service. Widerstandsfähig aus sich selbst heraus Bei der nsd tupH-Behandlung wird keine Beschichtung aufgetragen. Sie ist vielmehr eine Oberflächenveredlung, die eine permanent mit dem Substrat verbundene Basisschicht erzeugt. Auf Basis eines elektrolytischen Prozesses macht diese Behandlung Aluminiumgehäuse ähnlich korrosionsfest wie Edelstahlprodukte. Die behandelte Oberfläche wird zudem mehr als sechsmal so hart wie unbehandelte Aluminiumlegierungen und tausendmal so hart wie ein Lack. Dank einer leichten, kompakten und selbstentleerenden Konstruktion ohne Hinterschneidungen oder Kammern lassen sich Antriebssysteme mit nsd tupH-Oberflächen einfach reinigen. Gegenüber chemischen Reinigungsmitteln, wie sie in vielen Indus trie branchen eingesetzt werden, sind diese Systeme unempfindlich. Abplatzen stellt auch kein Problem dar: Anders als Lackierungen erfordert die nsd tupH-Behandlung im letzten Arbeits schritt keinerlei Bearbeitung, sodass die Aluminiumoberflächen nicht bloß gelegt werden. Bei Schutzschichten muss hingegen stets damit gerechnet werden, dass die aufgetragenen Stoffe − egal ob Lacke oder etwa Nickel oder Nickel-Teflon-Kombinationen − sich zum Beispiel bei Beschä digungen ablösen können. Darüber hinaus ist eine nsd tupH-Behandlung für alle Nord-Produkte aus Aluminium uni versell verfügbar − ganz im Gegensatz zu Edelstahlvarianten, die bei den meisten Herstellern nur für einige wenige Antriebstypen bereitstehen. „Das einzige, was ich an der Technologie auszusetzen habe, ist, dass es sie nicht schon viel früher gab“, scherzt Bram de Visser. „Das hätte uns enorm viel Zeit und Geld erspart.“ In Yerseke steht nun ein kompletter Umstieg an: Nach und nach wird jeder Antrieb, der bei Krijn Verwijs in den kommenden Monaten und Jahren ersetzt werden muss, gegen ein nsd tupH- Modell von Nord getauscht. Bis dieser Prozess ab geschlossen ist, wird es noch eine Weile dauern, denn die weitläufigen Fördersysteme der Anlage sind mit vielen hundert Antrieben ausgestattet. Foto: Aufmacher: Fotolia www.nord.com 01 02 03 01 Während herkömmliche Getriebemotoren in dieser Umgebung rapide korrodieren (rechts nach etwa einem Jahr Betrieb), zeigen sich Nord-Systeme mit nsd tupH-Oberflächen kaum beeinträchtigt 02 Die Produkte verlassen die Anlage entweder in Großhandelsverpackungen oder in Schalen für den Einzelhandel 03 Hunderte von Getriebemotoren in der Anlage plant Krijn Verwijs nach und nach durch widerstandsfähige nsd tupH-Antriebe von Nord zu ersetzen antriebstechnik 9/2015 73