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antriebstechnik 8/2021

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antriebstechnik 8/2021

SOFTSTARTER Kutlu

SOFTSTARTER Kutlu Karavelioğlu, Präsident Turkish Machinery INTERNATIONALE KOOPERATIONEN GEMEINSAM STARK: WIE DER TÜRKISCHE MASCHINENBAU DIE KRISE ALS CHANCE NUTZT Der türkische Maschinenbau hat technisch ein hohes Niveau erreicht und ist in der Lage, sich schnell an internationale Standards anzupassen. Er zählt daher mit einer Exportquote von rund 55 % zu Europas sechstgrößtem Maschinen- und Zubehörhersteller der EU. Es liegt also nahe, mit einem starken Partner an der Seite Synergien zu nutzen und gemeinsam das Potenzial auszuschöpfen. Welche Vorteile sich dadurch für den deutschen Maschinenbau ergeben, darüber sprechen wir mit Kutlu Karavelioğlu. Die Türkei ist der sechstgrößte Maschinenhersteller in Europa und belegt im internationalen Maschinenhandel Rang 27 (2020). 55 % der Exporte gehen an die EU. Mehr als 200 Länder in aller Welt setzen Maschinen und Anlagen aus der Türkei ein. Dennoch hinterlassen die Auswirkungen der Corona-Pandemie ihre Spuren. „Wir lassen ein turbulentes Jahr hinter uns und das aktuelle Jahr hält viele Herausforderungen für uns bereit. Zum einen befinden wir uns weiterhin in der Impfphase und es wird noch eine Weile dauern, bis wir zur Normalität zurückkehren können. Zum anderen ist es gerade jetzt wichtiger denn je, die Ziele für 2021 und 2022 abzustecken. Denn die sich stark verändernden Rahmenbedingungen, die wir gerade in vielerlei Hinsicht spüren, wirken sich auf Weltwirtschaft, Welthandel und die türkische Maschinenbauindustrie aus. Hinzu kommen weiter steigende protektionistische Maßnahmen einiger Länder. Für uns Maschinenbauer heißt es deshalb, jetzt die richtigen Strategien, Konzepte und Geschäftsmodelle auszuarbeiten, um die Negativbilanz aus 2020 zu glätten und uns für die Zukunft wettbewerbsfähig aufzustellen“, sagt Kutlu Karavelioğlu, Präsident Turkish Machinery (Vereinigung der Maschinenexporteure türkischer Maschinenbau). Doch wie lässt sich diese Herausforderung gemeinsam und partnerschaftlich meistern? 10 antriebstechnik 2021/08 www.antriebstechnik.de

SOFTSTARTER Mr. Karavelioğlu, wie ist die aktuelle Lage des Maschinenbaus in der Türkei? Die Produktion läuft erfreulicherweise kontinuierlich weiter, sodass wir in der Lage sind, unsere Maschinen und Anlagen weiterhin ohne Einschnitte zu exportieren. Und das trotz der Corona-Pandemie. Denn die Auswirkungen sind nicht unbeachtlich: Strenge hygienische Maßnahmen in der Produktion und deutlich höhere Rohmaterialkosten wirken sich eher belastend aus. Wir freuen uns also, dass der türkische Maschinenbau wirtschaftlich gut dasteht. Auch im Bereich der Investitionen haben wir Positives zu berichten. Während die Investitionen im Maschinenbau im Jahr 2020 weltweit um 8 % zurückgegangen sind, verzeichnet die Türkei einen Anstieg von über 21 %. Ein Grund dafür ist der erhöhte Bedarf der Europäischen Union, den wir mit 55 % unserer Maschinenexporte decken. Maschinen bauer in der Türkei mussten also investieren, um ihre Produktionskapazitäten zu erhöhen. Auch die ausländischen Direktinvestitionen (FDI) in der Türkei wurden im Rahmen von Modernisierungsmaßnahmen erhöht. Während die EU im Jahr 2020 einen Rückgang von 12 bis 14 % verzeichnete, steigerte die Türkei ihr Produktionsvolumen im gleichen Zeitraum um starke 9 %. Was zeichnet den türkischen Maschinenbau aus? Wo liegen seine Stärken? Die Maschinenbauindustrie in der Türkei ist geprägt von überwiegend kleinen, aber auch mittelständischen Unternehmen (KMU). Das liegt daran, dass unsere Industrie beispielsweise im Vergleich zu Deutschland noch recht jung ist. Bis zur Corona- Pandemie war dies zu unserem Nachteil. Denn um ein Global Player zu sein, ist es häufig Voraussetzung, auf eine lange Unternehmenshistorie zurückblicken zu können. Mittlerweile sieht die Lage anders aus. Denn junge Unternehmen sind in der Regel flexibler und können schneller auf sich ändernde Marktbedingungen und Bedürfnisse ihrer Kunden reagieren. Maschinenbauunternehmer in der Türkei sind offen gegenüber neuen Technologien. Ich möchte sogar behaupten, dass viele ungeduldig darauf warten, ihre neuen Technologien in ihren Unternehmen zum Einsatz bringen zu können. Und genau das ist ein Vorteil im weltweiten Wettbewerb: Neugier, Interesse und Motivation. Die Dynamik in der jungen Branche ermöglicht es ihnen sich international beweisen zu können. Türkische Maschinenbauer produzieren in 23 Branchensegmenten, können auf ein hervorragendes Zulieferer-Netzwerk zurückgreifen und leisten branchenübergreifenden Support. Damit bedienen sie ein breites Spektrum im Ökosystem der Fertigungsindustrie weltweit. Wie sieht die Entwicklung auf dem türkischen Maschinenmarkt im Vergleich zu den weltweiten Entwicklungen anderer Länder wie China, USA und Europa aus? Hierzu kann ich keine pauschale Antwort geben, versuche aber gerne auf die einzelnen Länder und Ländergruppen einzugehen. In China beispielsweise gibt es enorme staatliche Unterstützungen und es herrscht großer Protektionismus. Bei Produkten im Low-Technology-Segment ist China daher unschlagbar. Die Türkei exportiert wenig nach China. Denn würden wir den Zielmarkt Asien mit Low-Technology-Produkten bei gleichbleibenden Rahmenbedingungen erschließen wollen, so würden wir stets auf unsere chinesischen Mitbewerber stoßen. Wenn der chinesische Markt liberalisiert werden würde, könnte ein fairer Wettbewerb für die Türkei und Europa stattfinden. Betrachten wir die USA, konnten wir bis zur Corona-Pandemie mit unserer Exportquote zufrieden sein. Mit der Pandemie ist der Bedarf an Maschinen und Anlagen für den US-Luftfahrtsektor jedoch zurückgegangen und die Arbeitslosigkeit stark angestiegen. Der US-Markt spielt für die Türkei eine wichtige Rolle. Denn die in die USA exportierten Maschinen haben einen hohen Wertschöpfungsanteil und unsere Exportpreise pro Einheit sind auf einem guten Niveau. Zudem werden gegenseitige Investitionen getätigt. Europa müssen wir detaillierter betrachten. Der für uns wichtigste Markt in Europa ist Deutschland, und zwar nicht nur als Absatzmarkt, sondern auch als wichtiger Partner und Leistungsträger. Die Maschinenexporte nach Deutschland sind in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Gleichzeitig sind unsere Importe aus Deutschland relativ hoch. Wir erwarten, dass sich die Handelsbilanz in naher Zukunft einpendeln wird. Denn das ist nicht nur für nachhaltige Beziehungen wichtig, sondern auch für die bilaterale Partizipation der gegenseitigen Stärken. Länder wie Italien, Frankreich und die Niederlande sind ebenfalls wichtige Handelspartner für uns. Zusammenfassend würde ich sagen, dass China im fairen Wettbewerb nicht als Gefahr eingestuft werden sollte; Deutschland ist und bleibt in Sachen Technologie unser Vorbild, von dem wir viel lernen können. www.antriebstechnik.de antriebstechnik 2021/08 11