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antriebstechnik 8/2018

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Simulation von

Simulation von Industriegetrieben Schwingungsoptimierung eines Antriebspakets im oberen Leistungsbereich Bei der Entwicklung schwerer Antriebspakete ist es sinnvoll, konstruktive Auslegungen während des Entwicklungsprozesses durch Simulationen und Rechnungen zu verifizieren. Die genaue Kenntnis der Anregungen und Resonanzen bildet eine wichtige Grundlage für Optimierungen. Auf der Basis dieser Informationen lassen sich Antriebe mit einem Maßnahmenpaket aus den Bereichen Schwingungsanregung, -übertragung und -ausbreitung optimieren. Die akustischen und schwingungstechnischen Anforderungen an moderne Antriebe werden immer höher. Bei gleichzeitig steigenden Leistungen und Leistungsdichten sollen die Antriebe schwingungsarm ausgeführt sein. Ein besonderer Zielkonflikt ergibt sich dabei für die Verzahnung, weil die Auslegung auf eine maximale Lebensdauer häufig mit der Optimierung der Anregung kollidiert. Genaue Kenntnis des Schwingungsverhaltens ist von daher bei Antrieben im oberen Leistungsbereich von großer Bedeutung. Antriebspakete aus einer Hand Antriebe mit großen mechanischen Leistungen werden i. d. R. so konzipiert, dass die Komponenten auf geeigneten Unterkonstruktionen fertig montiert werden. Die Komponenten selbst sind dabei Serienteile oder zumindest von Serienteilen abgeleitet, während die umgebenden Teile auf die Bedürfnisse des Kunden hin Dr.-Ing. Konstantin Völker und Dipl.-Ing. Markus Lutz sind Mitarbeiter des Technologiekreises „Technische Akustik“ in Bruchsal; Dr.-Ing. Jörg Hermes ist Leiter Entwicklung Getriebe bei der SEW-Eurodrive GmbH & Co KG in Bruchsal konstruiert werden. Der Anwender bekommt ein auf ihn zugeschnittenes Antriebspaket aus einer Hand. Gegenstand dieser Untersuchungen war ein etwa 11 t schweres Antriebspaket, bestehend aus einem Industrieplanetengetriebe P092ADR180 mit einer Stirnradvorstufe und einer Gesamtübersetzung von i = 45,7. Angetrieben wurde das Paket von einem Asynchronmotor mit 1 000 min -1 und einer Betriebsleistung von 440 kW (192 kNm am Getriebeabtrieb). Das Planetengetriebe in Flanschausführung war auf einem Planetenfuß befestigt. Die Stirnradstufe wurde über einen Support auf dem Fundamentrahmen abgestützt. Modalanalyse mit der FE-Methode Zur Bewertung der Bewegungsformen und Eigenresonanzen wurde der Antrieb mit dem Finite-Elemente-Programm Ansys modelliert. Zur Reduzierung der Rechenzeit wurde der Motor durch ein massives Ersatzmodel dargestellt, das Getriebe ohne drehende Teile (Verzahnung, Welle) modelliert und die Schweißnähte des Fundamentrahmens sowie des Planetenfußes und des Supports als durchgängig geklebt angenommen. Der Fundamentrahmen wurde an den für die Kundenmontage vorgesehenen Schraubstellen mit einer ideal steifen Umgebung verbunden. Die Einleitung des Betriebsmoments erfolgte querkraftfrei an der Abtriebswelle. Das 18 antriebstechnik 8/2018

GETRIEBE UND GETRIEBEMOTOREN 01 FEM-Modell der Ausgangskonstruktion, Schwingungsform mit Relativbewegung zwischen Stirnradvorstufe und Planetengetriebe bei ca. 220 Hz 03 Antriebspaket in der Ausgangskonstruktion mit seinen Komponenten auf dem Fundamentrahmen sowie der charakteristische Messpunkt HSS an der Antriebswelle Stirnradvorstufe Industrieplanetengetriebe Motor 02 FEM-Modell der Ausgangskonstruktion, Schwingungsform mit Nickbewegung des Getriebes im Getriebefuß Fundamentrahmen Support Planetenfuß Messpunkt HSS vertikal axial horizontal Ergebnis der numerischen Modalanalyse ergab zuerst eine Vielzahl von möglichen Resonanzfrequenzen und Moden. Als anregende Frequenzen kamen hauptsächlich die Antriebsdrehzahl und die Zahneingriffsfrequenzen in Frage, wobei die höchsten Schwingwerte und stärksten Auslenkungen im Bereich der eintreibenden Welle des Getriebes erwartet wurden. Besonders kritisch wurde eine Relativbewegung zwischen Planetengetriebe und Stirnradvorstufe eingeschätzt. Die zugeordnete Frequenz (228 Hz) lag in der gleichen Größenordnung wie die Zahneingriffsfrequenz der Planetenvorstufe (215 Hz). Für die spätere Optimierung war es wichtig, diese Bewegungsform weitgehend zu unterbinden oder zu beseitigen. Bei den weiteren Bewegungsformen handelte es sich um Bewegungen des gesamten Getriebes im Getriebefuß (Nick- und Schwenkbewegungen). Die Reduzierung der Amplituden dieser Bewegungsform war folglich ein Ziel der Optimierung. Schwingungstechnisches Optimierungspotenzial ergab sich auch bei der Anbindung zwischen der Stirnradvorstufe und dem Support. Quantitativer Vergleich durch harmonische Analyse In einem ersten Schritt wurde der Planetenfuß derart umkonstruiert, dass er das Planetengetriebe auch an der eintreibenden Seite abstützt. Damit wurden Nick- und Schwenkbewegungen des Antriebs unterbunden. Die Stirnradvorstufe wiederum wurde direkt an den Planetenfuß befestigt, sodass keine Bewegung zwischen Planetengetriebe und Stirnradvorstufe möglich ist. Bei der Simulation des optimierten Antriebspakets wurde dieser Freiheitsgrad nicht mehr festgestellt. Gleichzeitig entfiel damit der Support, dessen Funktion direkt von dem Planetenfuß übernommen wurde. Weiterhin wurde der Fundamentrahmen im Bereich des Planetenfußes durch zusätzliche Rippen verstärkt. Als zusätzliche Versteifung wurde das Gehäuse der Stirnradvorstufe von Grauguss auf eine Stahl-Schweiß-Konstruktion umgestellt. Durch den höheren E-Modul ergab sich somit bei vorgegebener Belastung eine geringere Verformung. 04 Optimiertes Getriebe mit Fundamentrahmen Stahl-Schweiß-Gehäuse statt Guss Verzahnung Vorstufe mit kleinerem Modul und geringerer Anregung Anbindung zwischen Planet und Vorschaltstufe ohne Einschnürung Verstärkter Fundamentrahmen Verstärkter Fuß mit Integration des Supports Bauteil Antrieb Stirnradstufe Planetenvorstufe Planetenendstufe [Hz] [Hz] [Hz] [Hz] 1. Ordnung 16,67 366,67 214,49 25,16 2. Ordnung 33,33 733,33 428,98 50,32 3. Ordnung 50,00 1 100,00 643,47 75,48 Tabelle 01: Antriebsfrequenz und Zahneingriffsfrequenzen im Ausgangszustand Aufgrund des großen Aufwands wurde das zentrale Planetengetriebe nicht modifiziert. Dafür wurde die Stirnradvorstufe neu und damit anregungsarm ausgelegt. Zum einen wurde der Modul von 9 auf 7 mm heruntergesetzt, also die Anzahl der Zähne erhöht. Dies führte zu einer Erhöhung der Zahneingriffsfrequenz und zu einer höheren Gesamtüberdeckung. Gleichzeitig nahmen die antriebstechnik 8/2018 19