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antriebstechnik 8/2017

Antriebstechnik 8/2017

HEAVY DUTY I SPECIAL

HEAVY DUTY I SPECIAL „Eine hohe Ausfallsicherheit ist das A und O“ Interview mit Martin Stremmel von Rodriguez zum Thema Großwälzlager Ob in der Stahlverarbeitung oder im Bergbau – Großwälzlager bewähren sich auch unter schwierigen Einsatzbedingungen. Doch Standardlager kommen in vielen Fällen von vornherein nicht infrage, weil sie unter anderem die konstruktiven oder wirtschaftlichen Anforderungen nicht erfüllen. Hier sind maßgeschneiderte Lösungen gefragt. Im Interview gibt Product-Manager Martin Stremmel einen Überblick, was Rodriguez im Bereich der Großwälzlager leisten kann. Herr Stremmel, im Sortiment von Rodriguez finden sich auch Großwälzlager. In welchen Branchen werden diese besonders robusten Komponenten nachgefragt? Großwälzlager eignen sich für schwierige Umgebungsbedingungen, besonders hohe Lastverhältnisse, spezielle Dreheigenschaften und lange Lebensdauerforderungen. Sie werden unter anderem in Baumaschinen und Kranen verbaut, kommen aber auch in der Stahlverarbeitung und Hüttentechnik zum Einsatz – hier sind natürlich Ausführungen gefragt, die besonders hohen Temperaturen trotzen. Große dreireihige Rollendrehverbindungen finden ihre Anwendung zum Beispiel als Deckelschwenker eines Elektro-Lichtbogenofens, massive Schwenktriebe sind im Bereich der Erzverarbeitung im Einsatz. Große Kugeldrehverbindungen unseres Unternehmens bewähren sich unter anderem auch in Großkläranlagen, die Teil der Prozesswassertechnik eines Stahlwerks sind. Großwälzlager erreichen, wie der Name schon sagt, teils gigantische Ausmaße. Welches war das größte Lager, das sie jemals ausgeliefert haben?

SPECIAL I HEAVY DUTY Das war eine 2 900 kg schwere Doppel- Axial-Kugeldrehverbindung mit den Durchmessern von 3 990 × 3 600 × 15 mm. Es handelte sich um eine Maßanfertigung für einen sogenannten Absetzer, mit dem in der Braunkohleförderung Schüttgut abtransportiert wird. Im vorliegenden Anwendungsfall war die ursprünglich in der Maschine verbaute Komponente nicht mehr als Standardprodukt auf dem Markt verfügbar, an einer maßgeschneiderten Lösung führte entsprechend kein Weg vorbei. Generell werden individuell gefertigte Lager häufig nachgefragt, wenn auch eher selten in diesen Dimensionen. Realisierbar sind bei uns übrigens Außendurchmesser von bis zu 6 100 mm. Was sind die Beweggründe der Kunden, die maßgeschneiderte Lösungen bei Ihnen beauftragen? In vielen Anwendungen kommen Standardlager von vornherein nicht infrage – sei es aus konstruktiven oder wirtschaftlichen Erwägungen. Zudem wird oft nicht nur Ob tiefste Temperaturen in arktischen Gewässern, eine korrosive Salzwasserumgebung oder enorme Kippmomente bei ausgefahrener Gangway – unsere Großwälzlager müssen hohe Anforderungen erfüllen Martin Stremmel, Product-Manager, Rodriguez GmbH eine außergewöhnliche Baugröße benötigt, sondern die Lager müssen auch spezielle Anforderungen erfüllen. Das war zum Beispiel bei kundenspezifischen Kugeldrehverbindungen aus einem zähen CrMolegierten Vergütungsstahl (42CrMO4V) der Fall, die wir für einen Hersteller von Offshore-Gangways konzipiert und realisiert haben. Hier wurden ein Außendurchmesser von 3 600 mm, ein Innendurchmesser von 3 180 mm und eine Gesamthöhe von 185 mm benötigt. Gleichzeitig mussten die Kugeldrehverbindungen enormen Anforderungen standhalten: Tiefste Temperaturen durch den Einsatz in arktischen Gewässern, eine korrosive Salzwasserumgebung und enorme Kippmomente bei ausgefahrener Gangway fordern alles von den Komponenten. Bei solchen hochbelasteten Großwälzlagern arbeiten wir übrigens mit Ringwalzwerken zusammen, die für den Offshore-Bereich zugelassen sind. Wie gehen Sie bei der Umsetzung von kundenspezifischen Lagern vor? Bei einer kompletten Neuauslegung durchleuchten wir zunächst gemeinsam mit unserem Kunden seine Anwendung. Welche Lasten sollen übertragen werden? Gibt es Beschränkungen im Bauraum oder Besonderheiten in der Umgebung der Lagerung? Welche Ansprüche werden an die Lebensdauer des Großwälzlagers gestellt? Sobald alle nötigen Informationen zusammengetragen sind, berechnen wir Laufbahnen, Verzahnungen sowie Schraubverbindungen und erstellen eine erste Hauptzeichnung sowie das dazugehörige Angebot. Bei einem Re-Design oder einem Ersatzteil betrachten wir neben der Anwendung und den vorhandenen Anschlusskonstruktionen natürlich auch das bereits im Einsatz befindliche Großwälzlager. Warum muss die Komponente ersetzt werden? Welche Kräfte wirken auf die Lagerung ein? Falls nötig, findet eine Begutachtung und Demontage des vorhandenen Großwälzlagers statt. Auch der Ein- und Ausbau kann zum Problem werden: Eventuell muss bei beschränktem Bauraum ein geteiltes Lager vor Ort eingebaut werden. In jedem Fall finden wir in enger Abstimmung mit dem jeweiligen Kunden die passende Lösung. Was gilt es bei der Herstellung von großen Wälzlagern zu beachten? Es versteht sich von selbst, dass eine Komponente mit einem Außendurchmesser von bis zu 6 100 mm und einem Gewicht von mehr als 20 t eine besonders hohe Ausfallsicherheit gewährleisten muss. Deshalb ist es wichtig, mit zuverlässigen und zertifizierten Vormaterialherstellern zusammenzuarbeiten, denn unter den Ringwalzwerken gibt es große qualitative Unterschiede. Auch die Prozesse der weiteren Zulieferer wie Wälzkörperhersteller sowie Lagerkäfig- und Dichtungsproduzenten sollte man genau kennen. Die Fertigung sollte technologisch auf die Der Außendurchmesser der Großwälzlager kann bis zu 6 100 mm betragen; regulär verfügbar sind Lösungen mit Innen- oder Außenverzahnung bis Modul 30, geschliffene Verzahnungen sowie Zahnriemen Großteilebearbeitung ausgerichtet sein, dazu gehören vor allem präzise sowie hochleistende Induktivhärteanlagen. Nicht zuletzt ist die Logistik anspruchsvoll: Je nach Größe sind Sondertransporte mit speziellen Tiefladern und hydraulischer Hebevorrichtung sowie Polizeibegleitung notwendig. Sie sprachen die Ausfallsicherheit an – wie sieht es mit der Lebensdauer von Großwälzlagern aus? Natürlich legen unsere Kunden gerade im Bereich dieser speziellen Lager auch großen Wert auf eine hohe Lebensdauer der Komponenten. Fertigungsseitig erreichen wir dies durch eine entsprechend leistungsstarke und präzise Bearbeitung der Laufbahnen und Verzahnungen sowie eine genaue Steuerung des induktiven Härteprozesses. Das größere Potenzial steckt jedoch im Engineering: Durch die individuelle Berechnung von Laufbahnen und Verzahnungen sowie die dynamische Lastsimulation mittels Finite-Elemente- Methodik (FEM), die wir in Kooperation anbieten können, ist ein Optimum an Leistungsfähigkeit gewährleistet. Lebensdauerverlängernd ist natürlich auch unsere individuelle Schmierstoffberatung, entsprechend ausgelegte Wartungsintervalle sowie unser technischer Support auch nach Auslieferung und während des Betriebes der Lagerkomponente. www.rodriguez.de antriebstechnik 8/2017 53