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antriebstechnik 7/2016

antriebstechnik 7/2016

FVA AKTUELL

FVA AKTUELL Stillstehende fettgeschmierte Wälzlager Wälzlagerungen in Maschinen, Windenergieanlagen, Fahrzeugen etc., die während des Transportes, bei Instandhaltungsarbeiten oder während anderer betriebsbedingter Ruhezeiten stillstehen, können während dieser Phasen dynamischen Lasten und/ oder Schwenkbewegungen mit sehr kleinen Amplituden ausgesetzt sein. Dadurch kommt es in den Kontakten zwischen den Wälzkörpern und Lagerringen zu oszillierenden Mikrogleitbewegungen, die Verschleißschäden an Laufbahnen und Wälzkörpern hervorrufen. Dieser Mechanismus wird als False- Brinelling bezeichnet. False-Brinelling-Schäden können im rotierenden Lagerbetrieb zu Frühausfällen führen. Um zu verstehen, welche kinematischen Forschungsvorhaben Verhältnisse und mechanischen Beanspruchungen in den Kontakten zwischen FVA 540 II Wälzkörper und Lagerlaufbahn bei False- IGF-Nr. 17448 BR Brinelling-Bedingungen vorherrschen, wurde ein dreidimensionales transientes FE-Modell aufgebaut. Mit den Ergebnissen der Simulationen mit diesem Modell konnte gezeigt werden, dass sich in den Wälzkontakten von Schrägkugellagern Bohr-, Differential- und Kraftschlussschlupf sowie Schlupf infolge dynamischer Kontaktnormalkräfte überlagern und zu Mikrorelativbewegungen zwischen Laufbahn und Kugel in den Randbereichen der Kontaktzone führen. Der Vergleich der FE-Ergebnisse mit realen Schadensbildern an Schrägkugellagern, welche mit gleichen Beanspruchungsparametern gefahren wurden, offenbarte, dass insbesondere in den Bereichen des Kontaktes, in denen hohe Gleitwege und hohe spezifische Reibleistungen entstehen, die Oberflächen durch Risse, kleine Ausbrüche und Tribokorrosion stark geschädigt werden. Im Vorgängervorhaben FVA 540 I wurde ein Prüfstand entwickelt, mit welchem die in der Praxis auftretenden Belastungsund Bewegungsverhältnisse beim False-Brinelling realitätsnah simuliert werden können. Auf diesem Prüfstand wurden mit realen Wälzlagern verschiedene Modellschmierfette unter False- Brinelling-Bedingungen untersucht, wobei in diesem Vorhaben der Fokus auf der Variation von Additiven und Festschmierstoffen lag. Es wurde festgestellt, dass die Wirkung der Additive und Festschmierstoffe sehr stark von der Umgebungstemperatur und vom Basisfett abhängt. Die geringsten False-Brinelling- Schäden konnten nach Versuchen bei Raumtemperatur mit einem Lithium komplexfett mit PAO-Grundöl in Kombination mit einem AK- und einem AW-Additiv beobachten werden. Um herauszufinden, welche Schmierstoffeigenschaften und welche Schmierstoffkomponenten das False-Brinelling- Schadens ausmaß beeinflussen, wurden für alle untersuchten Modellschmierfette die Ölabscheidung und die rheologischen Eigenschaften bestimmt. Ferner wurden an ausgewählten geschädigten Lagern Oberflächenanalysen durchgeführt. Dabei stellte sich heraus, dass sich unter False-Brinelling-Bedingungen Triboschichten nur im Anfangsstadium oder gar nicht aufbauen. Außerdem zeigte sich, dass False-Brinelling-Schäden möglicherweise durch den Einsatz von Fetten mit einer hohen Ölabscheidung reduziert werden können. Schließlich wurden auf einem FE8-Prüfstand mit modifiziertem Prüfkopf Lebensdauerversuche durchgeführt, wobei neue ungeschädigte Lager als Referenz sowie moderat und stark vorgeschädigte Lager hinsichtlich ihrer Ermüdungslebensdauer geprüft wurden. Die Lebensdauerprüfungen mit ungeschädigten Lagern wurden nach 1 000 h Prüfzeit ohne Pittingschäden beendet. Mit moderat und stark durch False-Brinelling vor geschädigten Lagern wurden experimentelle nominelle Lager lebensdauern von L 10h,exp = 722 h bzw. L 10h,exp = 154 h erreicht. Dies zeigt, dass das False-Brinelling-Schadensausmaß einen deutlichen Einfluss auf die Lagerlebensdauer hat. Das IGF-Vorhaben 17448-BR der Forschungsvereinigung Antriebstechnik e.V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Autor: Christian Schadow, Institut für Maschinenkonstruktion, Uni Magdeburg Kontakt: Dirk Arnold (FVA), Tel.: 069/6603-1632 Forschungsvereinigung Antriebstechnik e. V. Lyoner Str. 18, 60528 Frankfurt Tel.: 069 / 6603-1515 E-Mail: info@fva-net.de Internet: www.fva-net.de 8 antriebstechnik 7/2016

MAGAZIN Gemeinschaftsforschung für die Energiewende FVA weiht Windkraft-Gondel an der RWTH Aachen ein Das vom Bund geförderte Projekt „FVA-Gondel“ der Forschungsvereinigung Antriebstechnik e. V. zeigt, wie mit partnerschaftlicher Grund lagenforschung von Industrie und Wissenschaft Windenergieanlagen noch effizienter und zuverlässiger gemacht und dabei die Unternehmen der Branche beteiligt werden können. Nach rund einjähriger Aufbau- und Vorbereitungsphase wurde nun die FVA- Gondel auf dem 4-MW-Systemprüfstand des Center for Wind Power Drives (CWD) der RWTH Aachen in Anwesenheit von Vertretern aus Industrie, Wissenschaft und Politik feierlich eingeweiht und in Betrieb genommen. Per Knopfdruck starteten die Projektverantwortlichen die Inbetriebnahme der Versuchsanlage, mit der der Antriebsstrang von Multi-Megawatt-Windenergieanlagen (WEA) unter realitätsnahen Bedingungen untersucht werden kann. Die beteiligten Partner des von der Forschungsvereinigung Antriebstechnik e.V. (FVA) initiierten Verbundprojektes erwarten einen erheblichen Erkenntnisgewinn, um die Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit von Windenergieanlagen und ihren Antriebskomponenten weiter zu verbessern. Das Forschungsprojekt ist auf drei Jahre ausgelegt und hat ein Gesamtvolumen von ca. 5,9 Mio. Euro. Die FVA hatte zum 1. Januar 2015 die Förderzusage im Rahmen des 6. Energieforschungsprogramm vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) erhalten und tritt jetzt mit dem Projekt in die entscheidende Versuchsphase ein. Das geförderte Projektkon sor- tium besteht aus dem Center for Wind Power Drives (CWD) der RWTH Aachen, der Siemens AG und der FVA. Darüber hinaus engagieren sich Mitgliedsunternehmen der FVA mit Know-how und Sachleistungen als assoziierte Partner an dem Projekt. Nutzen für die Allgemeinheit Mit der FVA-Gondel wird es erstmals möglich, Projekte im Rahmen der industriellen Gemeinschaftsforschung am Gesamtsystem WEA durchzuführen. Das Vorhaben basiert auf dem Ansatz, eine WEA-Gondel moderner Bauart mit aufgelöstem Antriebsstrang und aktueller Leistungsklasse von 2,75 MW so zu modifizieren, dass alle technischen Details der Anlage und auch die Ergebnisse umfassend offengelegt werden können. Andreas Jöckel von der Siemens AG betonte auf der Veranstaltung die Vorteile dieser partnerschaftlichen Zusammenarbeit im Rahmen der industriellen Gemeinschaftsforschung: „Auch wenn bei den Themen Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit schon ein sehr hoher Stand erreicht ist, ergeben sich durch den permanenten Innovationsbedarf ständig neue Herausforderungen. Das FVA-Projekt bietet hier die Chance, Lücken in der Testabdeckung durch Lebensdauertests in einer „echten Turbine“ schließen zu können.“ Bessere Simulationsmodelle Professor Georg Jacobs, Vorstand des Center for Wind Power Drives der RWTH Aachen erläuterte die Bedeutung des Forschungsvorhabens: „Ziel des Projektes ist es, die Zuverlässigkeit von Windenergieanlagen durch validierte Simulationsmodelle zu verbessern und so gleichzeitig die Grund lage zur Optimierung der Betriebsstrategie und zur Anwendung moderner Predictive-Maintenance-Technologien zu legen. Im Ergebnis sollen ungeplante Stillstandszeiten reduziert bzw. vermieden werden, um die Gesamtbetriebskosten von Windkraftanlagen zu senken.“ Mit der jetzt anlaufenden Versuchsphase beginnt die Validierung des detaillierten Simulationsmodells. Hierzu werden Messdaten aus über 300 Messstellen, davon mehr als 150 im Getriebe, aufgezeichnet und ausgewertet. Mit den gewonnenen Erkenntnissen soll in Zukunft eine noch anforderungsgerechtere Auslegung von Anlagen und Komponenten ermöglicht werden. www.fva-net.de antriebstechnik 7/2016 9