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antriebstechnik 6/2021

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antriebstechnik 6/2021

FORSCHUNG UND

FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG 10 a): Modell des Referenzrotors mit ungeschrägtem Aktivteil und axial geraden Magneten (Vollwelle ausgeblendet) b): Modell des Demonstrators mit um den Winkel γy schräg tordiertem Aktivteil und axial geraden Magnete 11 Resultierendes Rastmoment eines ungeschrägten Referenzmodells (gestrichelte Linie) und eines um eine Nutteilung τ n geschrägten Demonstrators (schwarze Linie) rechts) und der Drehachse, wird im Wesentlichen durch Torsion und Fliehkraft belastet. Hinzu kommen Biegebelastungen, die durch Unwuchten und die Gewichtskraft des Rotors auftreten. Die Polschuhe, also die Bereiche zwischen den Magneten und dem Luftspalt, und im Speziellen die Polschuhanbindungen (PSA, auch: Polschuh-Joch-Verbindungen, Bild 08), werden hauptsächlich durch die Fliehkraft und die am Polschuh angreifende Umfangskraft F belastet. Die seitlich zum Aktivteil angeordneten Abschnitte sind im Wesentlichen mechanisch belastet. Zwischen den Lagern wirkt durch die Gewichtskraft und einer möglichen fertigungsbedingten Unwucht ein Biegemoment auf die Rotorstruktur. Das im Aktivteil erzeugte Torsionsmoment wird über die A-Seite des Rotors (Abschnitt 2.1 und 3.1) geleitet und für den anzutreibenden Prozess bereitgestellt. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Abschnitten ist, dass die Abschnitte 2.1 und 2.2 hinsichtlich der Innen- und Außenkontur innerhalb der Bauraumgrenzen unter Berücksichtigung der mechanischen Beanspruchung angepasst werden können. Für die Abschnitte 3.1 und 3.2 gilt dies nur für die Innenkontur, da die Außenkontur durch Funktionsflächen zur Aufnahme von Lagern oder Welle-Nabe-Verbindungen vordefiniert sind. ROTORAKTIVTEIL Die dreidimensionale Gestaltungsfreiheit der weichmagnetischen Bereiche innerhalb der elektrischen Maschine eröffnet neue Möglichkeiten zur Funktionsintegration, zur Steigerung der Leistungsdichte und zur Erhöhung des Wirkungsgrads [LAS+16, LRB+13, UPT18]. Massives Material kann an den Stellen, an denen es nicht aus elektromagnetischer, mechanischer oder thermischer Sicht notwendig ist, durch Leichtbau-Gitterstrukturen oder Hohlräume ersetzt werden. Hinsichtlich der Gestaltung von Rotoren mit vergrabenen Permanentmagneten ergeben sich die folgenden Herausforderungen (siehe Bild 08): n Gestaltung des Jochbereichs: Bestmögliche Drehmomentübertragung, ohne die magnetische Flussführung und die mechanische Festigkeit negativ zu beeinflussen n Gestaltung der Polschuhe: Beeinflussung der Flussdichteverteilung im Luftspalt n Gestaltung der PSA: Verringerung der Rotorstreuung durch Verkleinerung der tragenden Querschnittsfläche, ohne die mechanische Festigkeit negativ zu beeinflussen. Die Drehmomentübertragung erfolgt dabei von der Rotoroberfläche über die Polschuhe, die Streustege und gegebenenfalls auch über die Magnete auf das Rotorjoch. Weiterhin nehmen die Streustege den Großteil der Fliehkräfte der Polschuhe und der Magnete auf und müssen dementsprechend dimensioniert werden. Dies führt zu einem Zielkonflikt mit der Forderung nach möglichst geringem Rotorstreufluss. Bild 09 a) zeigt die maximale mechanische Spannung im Streusteg in Abhängigkeit von der Streustegbreite. Auch unter Berücksichtigung der Spannungserhöhung aufgrund von Kerbwirkung und schwellender Zugbelastung sowie der Überdrehzahl wird deutlich, dass eine Verringerung der Streustegbreite bzw. der kraftübertragenden Querschnittsfläche um bis zu 50 % möglich ist. So kann der Rotorstreufluss um ca. 35 % gesenkt und das drehmomentbildende Hauptfeld um ca. 5 % erhöht werden (Bild 09 b). Die Funktionsintegration mittels AM kann anhand der Schrägungswirkung aufgezeigt werden, welche konventionell entweder statorseitig oder durch eine Rotorstaffelung umgesetzt wird, um Rast- und Pendelmomente zu reduzieren. Die AM-Gestaltungsfreiheit erlaubt nun, eine kontinuierliche Schrägung durch Torsion der Polschuhe zu implementieren und gleichzeitig die Magnettaschen axial gerade zu belassen [UKP+20]. Bild 10 b) zeigt diesen Ansatz, der zu einem deutlich reduziertem Rastmoment im Vergleich zur ungeschrägten Referenzmaschine führt (Bild 11). Im vorliegenden Fall wird die Funktion der Drehomomentübertragung nicht durch eine separate, kreisrunde Vollwelle erfüllt, sondern durch eine integrierte additiv gefertigte Rotorwelle (angedeutet in Bild 08). Aus magnetischer Sicht wird im Rotorjoch lediglich Vollmaterial benötigt, um den Magnetfluss der Permanentmagnete zu führen, ohne signifikante lokale Flussdichteerhöhungen hervorzurufen. Ein Ansatz stellt diesbezüglich die in Bild 10 b) gezeigte Rautenform dar, welche zu einer Materialersparnis des weichmagnetischen Materials von ca. 34 % im Vergleich zur Vollwelle führte. Dank der additiven Fertigung entfällt die Notwendigkeit einer klassischen kreisrunden Welle, da die Drehmomentübertragung hin zur Abtriebsseite auch direkt über das Rotorjoch erfolgen kann (angedeutet in Bild 08). Die Tatsache, dass bei der Fertigung mittels LBM massive, aus einem einzigen Werkstoff bestehende Bauteile produziert werden, führt im Fall von Rotoraktivteilen insbesondere auf der Rotoroberfläche zu erhöhten Wirbelströmen und damit auch zu zusätzlichen Verlusten im Betrieb. Zur Vermeidung dieser Wirbelstromeffekte kann die Oberfläche gleich während der additiven Fertigung vorteilhaft strukturiert bzw. geschlitzt werden. Ein Vergleich der messtechnisch ermittelten Oberflächenverlustdichte in Abhängigkeit vom Schlitzmuster ist in Bild 12 gezeigt, wobei eine Querschlitzung einer Schlitzung in Umfangsrichtung und eine Längsschlitzung einer Schlitzung in axialer Richtung der Maschine entspricht. Die Verlustdichte wurde aus der gemessenen Temperaturerhöhung auf der Oberfläche additiv gefertigter Prüfkörper ermittelt, welche mithilfe eines eigens dimensionierten Linearprüfstands einer Wechselmagnetisierung ausgesetzt wurden. Demnach konnte gezeigt werden, dass 2,3 Schlitze pro Zentimeter axialer 40 antriebstechnik 2021/06 www.antriebstechnik.de

FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG 12 Vergleich der Oberflächenverlustdichte in Abhängigkeit von der Schlitzart: a) Verlustdichte p(f1) bei B p =0,1; T=konst. und b) Verlauf der Verlustdichte bei Erhöhung der Schlitzanzahl (hier:in Stufen) 1,6 Verlustdichte in kW/kg rel. Verlustdichte in 1 1,4 1,2 1 0,8 0,6 0,4 0,2 ungeschlitzt Interpolation quer geschlitzt Interpolation längs geschlitzt Interpolation diagonal geschlitzt Interpolation längs-quer geschlitzt Interpolation Frequenz in Hz 0 0 1 2 3 Stufe der Schlitzung Maschinenlänge (entspricht Stufe 3 in Bild 12 b) in Umfangsrichtung mit jeweils 2 mm Tiefe die im Rotoraktivteil entstehenden Wirbelstromverluste bereits um bis zu 64 % reduzieren (vgl. auch [UP18] bzw. [HUP19]). Im Gegensatz dazu führt eine Schlitzung in axialer Richtung sogar zu einer Erhöhung der Verlustleistungsdichte. DREHMOMENTFÜHRUNG Tabelle 2: Ergebnisse der Zugversuche mit FeCo50, FeSi2.9 und FeSi6.5 Material / Zustand Härte (SD) [HV10] Zugfestikeit (SD) [MPa] Bruchdehnung (SD) [%] FeCo50 / AB 250 (5,36) 677,99 (22,16) 4,33 (2,41) FeSi2.9 / AB 207 (4,19) 401,77 (1,91) 50,42 (3,71) FeSi2.9 / WB 179 (2,72) 380,87 (5,20) 43,77 (4,43) FeSi6.5 / AB 373 (22,92) 158,53 (9,32) < 1 FeSi6.5 / WB 361 (31,90) 556,57 (93,12) < 1 (WB = Wärmebehandelt, AB = As-Built) Die Optimierung der mechanischen Rotorbeanspruchung erfolgt iterativ im stetigen Austausch mit dem Optimierungsprozess der elektromagnetischen Funktion. In diesem Zusammenhang sind nicht nur Beanspruchungsgrenzen zu betrachten, sondern auch die Fertigungsgrenzen des LBM-Verfahrens. Abschnitt 1 (Bild 08) ist im Rotorjochbereich bereits durch die elektromagnetische Funktion weitestgehend vorgegeben. Zwar sind hier auch mechanische Anforderungen von Bedeutung, doch die grundsätzliche Struktur ist aus mechanischer Sicht umsetzbar, sodass diese als mechanisch tragende Struktur übernommen werden kann. Da nun die wesentlichen Funktionsbereiche identifiziert sind und der vorhandene Bauraum feststeht, müssen diese Bereiche im Detail ausgestaltet und verbunden werden. Die Gestaltungsmöglichkeiten der AM ermöglichen einen stärkeren Fokus auf die Funktionsumsetzung. Dies ermöglicht und erfordert neue Lösungsansätze sowie ein systematisches Auseinandersetzen mit den bestehenden Lösungskonzepten. Durch die einteilige Fertigung mittels AM können form- und kraftschlüssige Verbindungsbereiche, die teilweise zu Spannungserhöhungen führen, beispielweise zwischen Rotorwelle und Blechpaket, umgangen werden. Die Umsetzung von einer stoffschlüssigen Verbindung erlaubt eine mechanisch optimierte Kraftübertragung bei reduziertem Materialeinsatz. Die Einbindung des elektromagnetisch notwendigen Materials an einer beanspruchungsgünstigen Stelle ermöglicht die ideale Funktionsumsetzung unter Ausnutzung des maximalen Leichtbaupotentials. Bei der Betrachtung der torsionsbelasteten Bereiche ist eine geometrische Form anzustreben, die für die Belastungsform geeignet ist. In diesem Zusammenhang bieten sich geschlossene Hohlstrukturen an, da diese die Torsionsbelastung besser aufnehmen und leiten als offene Profile. Die Konzentration des Materials auf außenliegende Bereiche führt zu einer effizienteren Materialauslastung und ermöglicht eine hohe Belastbarkeit bei reduziertem Bauteilgewicht. Kreisförmige, geschlossene Hohlprofile bieten sich als einfachste Form zunächst an. Diese reagieren anders als Rechteckquerschnitte auf die Torsionsbelastung ohne eine Verwölbung [Kle13]. Diese Grundform entspricht den Anforderungen der Funktionsflächen in Abschnitt 3.1 für das Lager und den vorgesehenen Zylinderpressverband. Die angestrebten Hohlstrukturen mit dem vorhandenen Leichtbaupotential können durch den schichtweisen AM-Aufbauprozess im Innenbereich deutlich freier gestaltet und auf die Anforderungen angepasst werden. Bei der Umsetzung in den Abschnitten 1, 2.1 und 3.1 kann das Drehmoment über Rohrabschnitte mit unterschiedlichen Abmessungen geleitet werden (Bild 13). Dabei sind die Außendurchmesser der einzelnen Bereiche durch angrenzende Funktionsbauteile weitestgehend vorgegeben. Der Übergang im Abschnitt 2.1 wird im Außendurchmesser lediglich durch die Montagezugänglichkeit der Magneten begrenzt. Hier wird der Außendurchmesser zunächst als linear zwischen den jeweilig angrenzenden Abschnitten angenommen. Da das Statorfeld das Drehmoment gleichmäßig über die gesamte Aktivteillänge einleitet, steigt dieses in axialer Richtung linear an und erreicht am Übergang zwischen Abschnitt 1 und 2.1 den maximalen Wert. In den Abschnitten 2.1 bis 3.1 bleibt das Drehmoment konstant, sofern die Lagerreibung vernachlässigt wird. Bei den statischen Untersuchungen an FeSi6.5 wurde eine Zugfestigkeit von ca. 550 MPa erreicht. Eine vorläufige Abschätzung der zu erwartenden Torsionswechselfestigkeit τ t,zul mittels Umrechnungsansätzen [IRH03], ergeben sich beim angenommenen Überlastdrehmoment des Motors von T=14,25 Nm und einer zulässigen Torsionsspannung von τ t,zul =140 MPa theoretisch maximal erforderliche Wandstärken von lediglich 0,11 mm am Wellenende. In der folgenden Gleichung [NWH05] wird der Grenzfall τ t,max = τ t,zul angenommen: www.antriebstechnik.de antriebstechnik 2021/06 41