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antriebstechnik 6/2020

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antriebstechnik 6/2020

LINEARTECHNIK 01 DIE

LINEARTECHNIK 01 DIE IDEE „Die Memetis GmbH beschäftigt sich mit der Entwicklung von Miniaturaktoren auf Basis dünner Folien aus Formgedächtnislegierungen (FGL) und deren anschließenden Serienproduktion. Diese Legierung hat die besondere Eigenschaft, sich nach einer mechanischen Verformung durch Erwärmung wieder in seine Ursprungsform zurück zu formen. Schon während meiner Dissertation habe ich mich mit der Entwicklung eines Ventils mit FGL-Aktor beschäftigt. Neben der Aktorik-Entwicklung sind Miniaturventile weiterhin ein wichtiges Standbein für uns.“ Dr. Christof Megnin, COO und Mitgründer, Memetis GmbH VIDEO Das Video zeigt die Airskin von Blue Danube Robotics: http://bit.ly/BlueDanubeRobotics dem Spiralaktor lassen sich Kräfte durch eine Bewegung aus der Ebene heraus erzeugen. Der Biegeaktor spannt seine Form zu einer Hebebewegung. VENTILE FÜR DIE MIKROFLUIDIK Neben der Konstruktion und Serienproduktion der Märklin-Kupplung ist das Start-up auch im Bereich der Medizintechnik, Analytik und biomedizinischen Probeanalyse tätig. Für die präzise Manipulation geringer Flüssigkeitsmengen entwickelte Memetis auf Basis von Formgedächtnislegierungen spezielle ultrakompakte Miniaturventile. Die 2/2- und 3/4-Wege-Ventile leiten Flüssigkeiten und Gase auf modular aufgebauten Fluidiksystemen, die Memetis als Plattform bezeichnet. Lea Hellweg, Business Development Engineer bei Memetis, beschreibt die hochgradig portablen Plattformen als Point-of-Care-System. Es soll medizinische Geräte, die zu groß oder zu schwer für eine Vorort-Behandlung sind, ersetzen. Die kleinen Labore lassen sich problemlos zum Patienten nach Hause oder in eine abgelegene Klinik transportieren. Ihr modularer Aufbau ermöglicht eine flexible Bestückung der entsprechenden Fluidik-Komponenten, die für das jeweilige Therapie- oder Testverfahren benötigt werden. Die Aktorlegierung selbst ist biokompatibel, kann das Medium also nicht kontaminieren oder unerwünscht aufheizen. BALD AUCH ROBOTIK-SICHERHEIT Neben den Sparten Medizintechnik und Analytik wurde ein Spezialist für Industrierobotik auf die Ventile von Memetis aufmerksam. Das österreichische Unternehmen Blue Danube Robotics (BDR) hat einen Schutzmechanismus entwickelt, der Roboter zukünftig dazu befähigen soll, sicher in direkter Kooperation mit dem Menschen zusammenzuarbeiten (Videolink). Für Standardmodelle der Industrierobotik hat Blue Danube Robotics eine „zweite Haut“ (‚Airskin‘) aus luftgefüllten Platten entwickelt. Per Klippverfahren werden die Kunststoffkissen auf den beweglichen Elementen des Roboters befestigt und mit der Robotersteuerung verbunden. Eine Sensorüberwachung überprüft den Luftdruck der Außenhülle. Kommt es versehentlich zu einer Berührung oder Kollision von Roboter und menschlichem Arbeiter, bemerkt die ‚Airskin‘ dies sofort durch einen Druckanstieg in der luftgefüllten Außenhaut. Der Roboter bremst und stoppt seine Bewegung bis zum Stillstand. Für die Regulierung des Luftdruckes hat Blue Danube Robotics nach einem Ventil gesucht, das ebenso dicht, wie flach sein musste; ein Ventil das nicht höher als 5 mm sein durfte. Auf der Homepage von Memetis wurden die Österreicher fündig. Proaktiv kontaktierten sie das Karlsruher Start-up. Nach zweijähriger Entwicklungsphase konnte Memetis seinem Auftraggeber Blue Danube Robotics Ende 2019 das erfolgreiche Ergebnis präsentieren. Jetzt erwartet das Team die ersten Exemplare aus dem Spritzguss. Stückzahlen im vierstelligen Bereich seien für das Geschäftsjahr 2020 geplant. KONSTRUKTEURE MÜSSEN UMDENKEN Von Märklin über die Medizintechnik und Bioanalytik hin zu Industrierobotern – was morgen möglich wird, kann sich Hellweg heute noch nicht vorstellen. „Wir können nicht jede Branche im Detail kennen“, erklärt die Maschinenbauabsolventin. Für sie erstreckt sich das Anwendungspotenzial der folienbasierten Formgedächtnisaktorik über jegliche Branchengrenzen hinweg: Consumer Electronics, Automatisierungstechnik, Elektroinstallation, Schlösser, Verschluss- und Freigabemechanismen, Telekommunikation, Optik oder Aerospace zählt Hellweg auf. Auch eine Temperatursicherung, die ohne Stromversorgung die Überhitzung von Bauteilen meldet, hat das Entwicklungsportfolio um ein weiteres erfolgreiches Kundenprojekt ergänzt. „Die große Herausforderung ist, das auf dem Markt noch weitgehend unbekannte Thema der Formgedächtnisaktorik gut zu vermitteln“, erklärt Hellweg. Um Intuition und Leidenschaft strategisch zu kanalisieren, wird die Kundenfindung schwerpunkt- 14 antriebstechnik 2020/06 www.antriebstechnik.de

LINEARTECHNIK 02 03 mäßig von einem dreiköpfigen Business-Development-Team angegangen. Hier entwirft Hellweg gemeinsam mit ihren Kollegen themenbezogene Kampagnen. Über einen periodischen Zeitraum wird gezielt für ein bestimmtes technisches Gebiet recherchiert und auf Anwendungspotenziale für die Formgedächtnisaktorik untersucht. Aus den Erkenntnissen stellt das Team eine Liste von Unternehmen zusammen, die kontaktiert und mit dem Leistungsportfolio von Memetis vertraut gemacht werden. „Wir müssen beim Kunden die Ideengenerierung anregen“, sagt Hellweg. Das sei nicht immer einfach, weil man über deren technischen Probleme nicht genügend Details kennt. Kunden müssen daher erkennen, wie das Wissen von Memetis zur Lösung ihrer technischen Anwendung beitragen kann. Dafür besucht das Team Unternehmen und Messen. Durch Kommunikation sollen Konstrukteure zum Umdenken bewegt werden. Wenn die Technologie gut erklärt wurde, kommen die „Ideen in den Köpfen“ schon von selbst. Mitgründer und Managing Director Hinnerk Oßmer weiß, dass es für diesen Prozess Überzeugung bedarf. Seine Meinung zur Foliengedächtnis-Technik ist klar: „Unseren Aktoren sind mit einer Dicke von nur 20 bis 100 µm unglaublich platzsparend – das ist dünner als ein menschliches Haar und findet in fast jeder Anwendung Platz.“ Hinzu kommt der geringe Komponentenaufwand sowie eine Stromversorgung mit niedriger Spannung. „Elektrische Anschlüsse sind alles was man braucht, dann sind die Aktoren betriebsbereit.“ Für kurze, lineare Bewegungen benötigt es nur einen Bruchteil des Bauraums, den ein Elektromotor und andere antriebstechnische Bauteile einnehmen würden. PRODUKTIV AUF ALLEN EBENEN 01 Je nach Anwendungsfall entwirft Memetis verschiedene maßgeschneiderte Aktoren. Hier eine Übersicht (v. l.): Linearaktor, Biegeaktor, antagonistischer Linearaktor, Spiralaktor 02 Das ultrakompakte 2/2-Wege Sitzventil (normalgeöffnet oder geschlossen) ist nur 5 mm breit und kann viele Millionen Schaltzyklen bewältigen 03 Präzise wie die Wirklichkeit: Für die Telex-Kupplung von Märklin entwickelte Memetis einen speziellen Formgedächtnisaktor Heute nimmt Memetis Entwicklungsaufträge für Kunden an, prüft in Machbarkeitsstudien das Lösungspotenzial der Foliengedächtnisaktorik für die gesuchte Aufgabe. Welche Kraft ist erforderlich; welches Aktorik-Design liefert den passenden Stellweg? Das Team entwickelt Prototypen im eigenem Labor und stellt für seine Kunden diverse Aktormodelle in Serienproduktion mit dem eigenen Equipment her. Hinzu kommen die unternehmerischen Aufgaben, wie das Erstellen von Businessplänen, Marktanalyse, Investorenmeetings, Produktion und Stückzahlen organisieren. „Da mussten wir erstmal reinfinden“, gesteht Oßmer. Das Arbeitsklima ist familiär, die Wege kurz. Den Entwurf des digitalen Prototypen am Computer vom Morgen kann man abends in der Hand halten. Jede Woche startet mit einer Teamsitzung, die den einzelnen Projektteams als „Touchpoint“, Berührungspunkt zur Koordination und Übersicht dient. Offenes Sprechen ist den Gründern dabei sehr wichtig. Vielfach nutzt das Team für Meetings kreative Methoden um Probleme und Prozesse im Kollektiv ungezwungen zu artikulieren. Die offene Unternehmenskultur will sich Memetis auch in Zukunft erhalten und auf diese Weise noch viel erreichen. Fotos: Aufmacher, 02 und 03: André Gall; 01: Memetis GmbH www.memetis.com