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antriebstechnik 6/2015

antriebstechnik 6/2015

GETRIEBE UND

GETRIEBE UND GETRIEBEMOTOREN Abkehr von bisherigen Paradigmen Neues Gehäusekonzept für Schneckengetriebe senkt Kosten Lena Priester, Jens Heilemann, Oliver Heinlin, Andy Schäfer Die Beschaffung eines Industriegetriebes stellt für Anlagen- und Maschinenhersteller meist eine erhebliche Investition dar. Ein wesentlicher Kostenfaktor ist das Getriebegehäuse, welches häufig als Kompromiss für zahlreiche Einbaulagen, sowie für umfangreiche Anbauteile realisiert wird. Dadurch ist die Funktionalität des Gehäuses komplex, was vom Kunden aber nicht benötigt wird. Abhilfe naht. Lena Priester, Entwicklungsingenieurin, Jens Heilemann, Leiter Entwicklung, Oliver Heinlin, Leiter Vertrieb und Andy Schäfer, Betriebsleiter, Cavex GmbH & Co. KG, Ofterdingen Im Folgenden werden wir nun die Entwicklung und die konstruktive Ausführung eines modularen Gehäuses für Industriegetriebe am Beispiel des neuen Cavexcompact von Cavex beschreiben. Der Entwicklungsprozess wurde konsequent lean unter Berücksichtigung der Richtlinie VDI [2221], neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse zur integrierten Produktentwicklung [2] sowie von Anfang an mit der Integration der geometrischen Produktspezifikationen [3] durchgeführt. Der letztgenannte Aspekt betrifft insbesondere das fertigungsorientierte Tragbild für die Schneckenradverzahnung [4]. Entwicklung und konstruktive Ausführung Im Rahmen einer Konzeptstudie wurde die Funktionsstruktur des Getriebes erstellt, Lösungsprinzipien für die einzelnen Teilfunktionen des Getriebegehäuses gesucht und diese nach vorgegebenen Kriterien bewertet [5]. Es wird ein in zwei Ebenen symmetrisches Gehäuse vorgeschlagen, dass als minimalistische Grundkonfiguration zwei verbundene zylindrische Rohre mit Kreisquerschnitt vorsieht [5]. Diese Grundkonfiguration kann durch Module für die jeweilige Applikation erweitert werden [5]. Die beiden Rohre sind durch eine Orbitalschweißnaht miteinander verbunden, die bevorzugt mit einer Roboteranlage mit Laserschweißen oder Schutzgasschweißen ausgeführt wird. Für die Rohre wird Normhalbzeug nach DIN EN 10216-1: 2014-03 [6] in schweißbarer Materialgüte verwendet. Der Grundkörper wird durch die Module für die Schneckenwellenlagerung und für die Schneckenradwellenlagerung zum Gehäuse komplettiert. Die Module sind als rotationssymmetrische Bauteile ausgeführt, so dass diese in einfacher Weise z. B. mit einer Universaldrehmaschine zu fertigen sind. In den Modulen werden die dynamischen Dichtungen, Radialwellendichtringe und die statischen Dichtungen (O-Ring- Dichtungen) integriert. Für die Schneckenradverzahnung wird die Cavex-Verzahnung zur Darstellung vergleichsweise höchster Tragfähigkeit und des höchsten Verzahnungswirkungsgrades [7] verwendet. Die Schneckewelle mit den Kegelrollenlagern bildet das Antriebs grundmodul. Das Abtriebsgrundmodul wird durch den Schneckenradkranz, die Abtriebshohlwelle, die Verbindung zwischen Schneckenradkranz und Abtriebshohlwelle und den Rillenkugellagern dar gestellt. Sowohl die Lagermodule, das Antriebsgrundmodul als auch das Abtriebsgrundmodul können bei Bedarf extern oder intern vormontiert zum Montageplatz angeliefert werden. Die rohrförmige Grundkörperstruktur des Getriebegehäuses ermöglicht eine gute Materialausnutzung im Sinne der Steifigkeit. Damit ist die Realisierung von dünnen Gehäusewänden möglich. Es können Rippen und Eigenlüfter entfallen. Durch diesen Ansatz ergeben sich weitere entscheidende Vorteile: einfache Reinigung der Gehäuseoberflächen und Flexibilität bei der Wahl des Gehäusewerkstoffs, zum Beispiel Edelstahl für Anwendungen der chemischen und

GETRIEBE UND GETRIEBEMOTOREN pharmazeutischen Industrie. Zudem wurde die Masse des Grundgetriebes um 20 % im Vergleich zu der Masse eines Getriebes gleicher Baugröße reduziert. Während der Entwicklung wurde auch die Thermik des Getriebes simuliert. Die Ergebnisse wurden durch Prüfstandsversuche validiert. Modularer Aufbau Das Getriebekonzept basiert auf einem modularen Aufbau. In der Grundausführung ist das Getriebegehäuse für die Flanschmontage an der Abtriebswelle vorgesehen. Dabei wird ein Modul für die Abtriebswellenlagerung an der Maschine durch Schrauben montiert. Für die Ausführung als Aufsteckgetriebe mit Drehmomentstütze wird diese aus Stahlblech an einem Modul für die Abtriebswellenlagerung befestigt. Das Getriebe mit Abtriebsvollwelle und Montageflansch wird durch die Montage einer Welle in der Abtriebswelle dargestellt. Für die Montage in der Position mit vertikaler Abtriebsvollwelle kann das Getriebe auch mit dem der Abtriebswelle gegenüber liegendem Flansch an der Maschine montiert werden. Alternativ kann die Montage mit einer Konsole aus Stahlblech vorgesehen werden. Für die Aufstellung des Getriebes mit Fußmontage wird ebenfalls eine Stahlblechkonsole verwendet. Das neue Getriebe ist als Baureihe konzipiert. Die bisher vorgesehenen Baugrößen und die zugehörigen Nennabtriebsmomente sind in der Tabelle angegeben. Der Bereich der Übersetzung für das einstufige Getriebe ist bis zu i=140 verfügbar. Der maximale Getriebewirkungsgrad kann mit 0,97 jeweils für die Übersetzung i=5 angegeben werden. Baugröße Achsabstand a in mm Nennabtriebsmoment T 2N in Nm mit n 1N =1500 1/min Übersetzung i Maximaler Getriebewirkungsgrad bei i=5 80 680 5 - 140 0,97 120 1900 5 – 140 0,97 160 3300 5 – 140 0,97 200 5000 5 – 140 0,97 250 8000 5 – 140 0,97 315 13 000 5 – 140 0,97 355 17 000 5 – 140 0,97 Tabelle: Baureihe für das Cavexcompact Immer die passende Lösung Durch das neue Gehäusekonzept können für unterschiedlichste Anwendungen passende Antriebslösungen zur Verfügung gestellt werden. Dies ist insbesondere bei Neuentwicklungen interessant. Die wesentlichen Vorteile sind: Einfache Verfügbarkeit unterschiedlichster Bauformen, Reduzierung der Lieferzeiten, praktikable Verwendungsmöglichkeit unterschiedlicher Werkstoffe, zum Beispiel von Edelstahl und Reduzierung auf das Wesentliche. Auf Basis des modularen Gehäusekonzepts werden in weiteren Entwicklungsschritten mehrstufige Getriebe mit hoher Übersetzung bis i=20 000 und komplette Antriebssysteme mit Elektromotor und Umrichter dargestellt. Abschließend lässt sich festhalten, dass auch die traditionellen Getriebegehäuse nach wie vor ihre Berechtigung haben, die sich nicht zuletzt durch die Zuverlässigkeit sowie Langlebigkeit der eingesetzten Getriebe ergibt. Insbesondere bei bereits bestehenden Maschinenkonzepten sollte vorher abgewogen werden, ob ein Wechsel technisch und wirtschaftlich wirklich sinnvoll ist. www.cavex-antriebstechnik.de 01 02 03 01 Gehäusekonzept für ein Industriegetriebe mit Schneckenradverzahnung in der Grundkonfiguration und in einer Ausbaukonfiguration 02 Schnittdarstellung des Cavexcompact in der Axialschnittebene (links) und der Radialschnittebene 03 Cavexcompact in den Ausführungen als Aufsteckgetriebe mit Drehmomentstütze (links) und als Abtriebsvollwellengetriebe für die Flanschmontage Literaturverzeichnis: [1] VDI-Richtlinie 2221: Methodik zum Entwickeln und Konstruieren technischer Systeme und Produkte, VDI 05/1993 [2] Bansemir, G.: Konstruktionsleitsystem für den durchgängig rechnerbasierten Zahradgetriebeentwurf, Dissertation TU München 2012 [3] Leidich, E., Ebermann, M.: Integration der geometrischen Produktspezifikation (GPS) in den methodischen Konstruktionsprozess am Beispiel eines Prüfstands, 12. Gemeinsames Kolloquium Konstruktionstechnik 2014, Bayreuth 10/2014 [4] Leoni, P., Heilemann, J.: Wirkungsgrad moderner Cavex-Schneckengetriebe für die Applikation als „Schwerlastleistungsgetriebe“, Aalener Kolloquium antriebstechnische Anwendungen AKAA 2104, Aalen 03/2014 [5] Priester, L.: Gestaltung eines neuen Getriebegehäuses für Cavex-Schneckengetriebe gemäß neuen Anforderungen, Bachelorthesis TEC - Hochschule Reutlingen, zusammen mit der Firma Cavex, Reutlingen 2015 [6] DIN EN 10216-1: 2014-03. Nahtlose Stahlrohe für Druckbeanspruchungen – technische Lieferbedingungen – Teil 1: Rohre aus unlegierten Stählen mit festgelegten Eigenschaften bei Raumtemperatur, Beuth 2014 [7] Heilemann, J.: Tragfähigkeit und Wirkungsgrad bei unterschiedlichen Schnecken-Zahnflankenformen unter Berücksichtigung der Oberflächenhärte und Härtetiefe, Dissertation TU München 2005 antriebstechnik 6/2015 21