Aufrufe
vor 4 Jahren

antriebstechnik 5/2019

antriebstechnik 5/2019

FORSCHUNG UND

FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG PEER REVIEWED 10 Schneckenextruder in einer Anwendung trieb besitzt aufgrund der geringen Masse eine sehr gute Skalierbarkeit und kann gleichzeitig im Mikrometer-Bereich positionieren, aber auch hohe Endgeschwindigkeiten erreichen. Beispielsweise bei Spindelantrieben führt eine größere befahrene Fläche auch automatisch zu einer höheren mitbewegten Masse aufgrund der stärker ausgeführten Führungs- und Antriebselemente sowie zusätzlichen Maßnahmen wie Spindel- und Riemenabstützungen. Da herkömmliche Antriebssysteme wie Riemen nachgiebig sind und sich über die Zeit längen, wird deren Präzision von den Planarmotoren deutlich übertroffen. In Anbetracht der genannten Vorteile relativiert sich der höhere einmalige Investitionsaufwand. Ein weiterer Vorteil planarer Antriebe liegt darin, dass sie nahezu verschleiß- und wartungsfrei sind. Dies ist für 3D-Drucker des FLM-Verfahrens ein wesentliches Argument, da hierbei bereits für Werkstücke kleinerer bis mittlerer Größe mehrere hundert Meter Verfahrweg zurückgelegt werden müssen. In Bild 06 ist ein solches Druckobjekt zu sehen. Es wurde eine Vase, also ein Druckobjekt ohne Füllung und Deckschicht, mit einer Höhe von 200 mm gewählt. Hierfür muss der Druckkopf bei einer üblichen Schichtdicke von 0,2 mm bereits 890 m verfahren werden. Soll eine höhere Qualität erreicht werden, z. B. bei einer Schichtdicke von 0,1 mm, verdoppelt sich der Verfahrweg auf 1 781 m. Eine zu bewältigende technische Herausforderung ist die Länge des für die Förderung und Erwärmung des Filaments erforderlichen Extruders. Um das Filament senkrecht einführen zu können, ist ein gewisser Abstand zwischen dem Extruder und dem Läufer des Planarmotors erforderlich. Hierdurch wird der Abstand des Schwerpunktes zur Statorfläche ebenfalls größer. Im Gegensatz zu Pick-&-Place­ Anwendungen kann der Extruder nicht wie ein zu platzierendes Bauteil horizontal liegend angeordnet werden. So ergeben sich bei der starken Beschleunigung des Läufers in Kombination mit dem Extruder erhebliche Kippmomente, die mit einem herkömmlichen Planarmotor bzw. mit handelsüblichen Läufern kaum zu beherrschen sind (Bild 07). Dies gilt in besonderem Maße, wenn Systeme für höhere Durchsatzraten, bspw. Schnecken extruder, verwendet werden. Aber auch beim Einsatz eines herkömmlichen Druckkopfes auf Filamentbasis aus dem Desktop-Bereich entsteht diese Problematik, da das Filament senkrecht ein- und austritt. Aus den beschriebenen Gründen ist die Anwendung eines Planarmotors zur Führung eines Druckkopfes insbesondere dann effizient, wenn der Extruder eine möglichst geringe Höhe aufweist. Die Zuführung des Filaments bis zur Düse nimmt bei herkömmlichen Druckern mehr als 180 mm in Anspruch. Um das Filament dabei nicht zu schädigen, muss ein Biegeradius in der Zuführung berücksichtigt werden. Am Fachgebiet Maschinenelemente wurde daher ein entsprechender Druckkopf für Filament entwickelt, der eine erheblich größere Antriebsleistung bei gleichzeitig geringer Masse und eine kompakte Bauweise aufweist. Insbesondere konnte eine sehr geringe Bauhöhe realisiert werden. Um dies zu erreichen, wird das Filament seitlich eingeführt und um 90° umgelenkt (Bild 08). Exzentrisch gelagerte und damit einstellbare Laufrollen drücken das Filament gegen ein verzahntes Antriebsrad. Vorteilhaft wirkt sich die größere Umschlingung des Antriebsrades auch auf den Eingriff in den Kunststoff aus. Gerade bei flexiblen Materialien und solchen, die nur eine geringe Flächenpressung erlauben, kann so eine sichere Übertragung des Antriebsmomentes gewährleistet werden. Ein Ausknicken oder Abscheren des Materials kann so effektiv verhindert werden. Die ganze Baugruppe konnte bei einer Bauhöhe von 107 mm sogar inklusive der zusätzlich integrierten Wasserkühlung realisiert werden. Diese kühlt das Getriebe sowie den Bereich vor der Aufschmelzzone, der sich trotz thermischer Isolierung unzulässig stark aufheizen würde. BISHERIGE ERGEBNISSE In der bisherigen Ausbaustufe des Großdruckers wird ein Planarmotor der Pasim Direktantriebe GmbH eingesetzt, dessen Statorfläche die Abmessungen 800 × 800 mm besitzt. Derzeit werden zwei Läufer eingesetzt, von denen der kleinere zweiphasig arbeitet und 185 × 185 mm groß ist (Typ Pasim ROP 185), während der größere 195 × 195 mm groß ist (Typ Pasim ROP 195) und dreiphasig arbeitet. Letzterer besitzt aufgrund der dreiphasigen Spulenanordnung eine größere Laufruhe und mehr Vorschubkraft. Beide Läufer werden im offenen Steuerkreis betrieben. Der kleinere der beiden Läufer wird in Kombination mit dem neuen Filamentextruder verwendet, während beim größeren Läufer ein Ansatz mit einem Schneckenextruder verfolgt wird. Anstelle von Filament findet hier die Direktextrusion von Granulat mit deutlichen höheren Durchsatzraten statt. Eine Energiekette verbindet den Läufer mit dem Grundgestell des Druckers. Sie übernimmt neben der Zuführung elektrischer Energie für die Aufschmelzzone und den Antrieb des Extruders auch Steuerleitungen, eine Druckluftleitung für das Luftlager, die Hin- und Rückleitung des Kühlmittels und die Zuführung des Filaments bzw. des Granulats per Überdruckförderung. Abgesehen von geringen Einschränkungen, welche durch die Energiekette vorgegeben werden, ist der Läufer auf der gesamten Statorfläche frei verfahrbar. Die 90°-Umlenkung des Filaments hat sich in jeder Hinsicht bewährt. Da das Filament von der Seite anstatt von oben eingeführt wird, kann die Bauhöhe deutlich verringert werden. Weiterhin wird hierdurch ein großer Umschlingungswinkel am verzahnten 86 antriebstechnik 2019/05 www.antriebstechnik.de

PEER REVIEWED FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG Antriebsrad erreicht. Auf diese Weise wird die effiziente Führung von Werkstoffen gewährleistet, welche nur eine geringe Flächenpressung ertragen können. Dazu zählen bspw. weiche Elastomere und tribologisch optimierte Materialien wie Nylon und der Werkstoff Iglidur der Firma Igus. Aber auch für mechanisch höher bean spruch bare Thermoplaste wie ABS, PC und Biopolymere ist die Anordnung vorteilhaft, da die größere auf das Filament übertragbare Kraft auch einen höheren nutzbarem Düsendruck ermöglicht. Weiterhin wird die Prozesssicherheit durch die mehrfache Anordnung der Laufrollen erhöht, die das Filament gegen das verzahnte Antriebsrad drücken und somit ein Durchrutschen weitgehend verhindern. Die bisherigen Untersuchungen haben insgesamt sehr gute Ergebnisse gezeigt. In einachsigen Versuchen können Verfahrgeschwindigkeiten in der horizontalen Ebene von bis zu 1,2 m/s und Beschleunigungen von 12 m/s² erreicht werden. Im Druckbetrieb wird die Maximalgeschwindigkeit allerdings nur bei Umsetzbewegungen des Druckkopfes ohne Extrusion zugelassen, da sich der Filament-Extruder mit den konventionellen Vorschubmodellen nicht ohne Fehldosierung betreiben lässt. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass hier großes Potenzial zur Steigerung des sinnvoll nutzbaren Materialdurchsatzes liegt. Im Produktionsbetrieb wird der Druckkopf mit vergleichsweise moderaten Parametern von 150–200 mm/s und 3,5 m/s² während der Extrusion bewegt. Die große Diskrepanz zwischen diesen und den zuvor genannten Werten ist auf den offenen Steuerkreis zurückzuführen, da hierbei eine erhebliche Sicherheit eingeplant werden muss. Insbesondere die von Schrittmotoren bekannten Resonanzen im niedrigen und mittleren Drehzahlbereich zehren einen Großteil des Beschleunigungsvermögens auf. Weiterhin kann die von Servoantrieben bekannte Überlastfähigkeit gerade in Beschleunigungsphasen nicht genutzt werden. Abgesehen von der Extrusionstechnologie lassen sich alle genannten Problemstellungen durch den Betrieb des Planarmotors im Servobetrieb lösen. Zum Vergleich ist die Verfahrgeschwindigkeit herkömmlicher Geräte heranzuziehen, die i. d. R. 300 mm/s nicht übersteigt. Während bei diesen Geräten üblicherweise mit einer Düse mit 0,4 mm Durchmesser ein Materialdurchsatz von maximal ca. 16 mm³/s erreicht werden kann, werden bei dem entwickelten Drucker bis zu 48 mm³/s verarbeitet, wobei wegen der Vergleichbarkeit eine Düse mit einem identischen Durchmesser eingesetzt wird. Das Extrusionssystem verwendet dabei Filament mit einem Durchmesser von 2,85 mm, das auch in vielen herkömmlichen 3D-Druckern ein gesetzt wird. Das Druckvolumen pro Zeiteinheit konnte somit bei gleicher Schichtdicke um den Faktor 3 vergrößert werden. Im Fall des Schneckenextruders wird der Durchsatz sogar auf über 500 mm³/s gesteigert. Als Musterteile dienen u. a. Bauteile, bei denen ein gewisser Überhang und scharfe Kanten vorhanden sind (Bild 09, 10 und 11). So wird eine Überprüfung dahingehend gestattet, unter welchem Winkel ein überhängender Druck möglich ist, ohne dass eine Stützstruktur verwendet werden muss. Weiterhin ist die Geometrie des Musterteils so ausgelegt, dass in den Eckbereichen große Beschleunigungen des Druckkopfes erforderlich sind. So kann ein Über-schwingen anhand einer unpräzisen Bauteilgeometrie eindeutig detektiert werden. Andere Testbauteile dienen speziell der Unter suchung von Eigenresonanzen und Schwankungen der Vorschubkraft des Planarmotors unter Grenzbelastung. Trotz der großen Bauteildimensionen und Geschwindigkeitssteigerung konnte eine vergleichbare Druckqualität wie bei herkömmlichen Desktop-Geräten erreicht werden. In z-Richtung ist die typische Stufenstruktur zu erkennen, die dem herkömmlichen Druckbild entspricht und durch die Schichtdicke hervorgerufen wird. In x- und y-Richtung sind geringfügige Abweichungen festzustellen, die durch Überschwingungen an Beschleunigungs- und Verzögerungspunkten sowie geschwindigkeitsabhängige Eigenresonanzen entstanden sind. Ermittelt wird dies durch einen hochauflösenden 11 Links Druckluft-Ringkühler (60 mm Durchmesser), rechts Demonstrator Zahnräder (600 mm Höhe) 12 Hochauflösender Beschleunigungssensor zur Untersuchung von Eigenresonanzen Be schleunigungssensor zur Untersuchung von Eigenresonanzen (Bild 12). Es ist absehbar, dass sich diese Artefakte im Druckobjekt durch eine leistungsfähige Regelung im Servobetrieb nahezu vollständig kompensieren lassen. In der aktuellen Konfiguration als offene Steuerkette können die Motortreiber nicht auf derartige Abweichungen reagieren, die Kompensation von Schwankungen der Vorschubkraft sowie etablierte Antiresonanz-Algorithmen zeigen nur begrenzte Wirkung. Die Betriebsart als Schrittmotor wurde zunächst untersucht, da die Kosten für Treiber und Läufer ca. 50 % geringer sind, während der Stator auch für den Servo betrieb geeignet ist. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK Im Rahmen des durchgeführten Forschungsvorhabens konnte die Eignung planarer Direktantriebe für den Einsatz in 3D-Druckern eindeutig nachgewiesen werden, sodass ein Druck großvolumiger Bauteile überhaupt erst wirtschaftlich sinnvoll erfolgen kann. Aufgrund der fehlenden mechanischen Komponenten kann eine weitgehende Reibungs- und Verschleißfreiheit erreicht werden. Weitere Vorzüge sind sowohl der einfache Aufbau des gesamten Systems als auch die ausgezeichnete Skalierbarkeit in beide Richtungen, da planare Direktantriebe auch in sehr viel kleineren Größen, z. B. mit Läuferdimensionen von 115 × 115 mm, existieren. Auch Drucker in Desktopanwendungen könnten von einem Direktantrieb mit solchen Dimensionen profitieren, wenn es um Höchstleistungen geht. Mittels desselben Systems können nun feinste Strukturen wie bei herkömmlichen FLM-Druckern, aber auch schnell erstellbare große Strukturen gefertigt werden. Hierbei sind sowohl die erreichten höheren Verfahrgeschwindigkeiten als auch die großen Beschleunigungen erforderlich. Eine höhere Druckleistung wurde nicht nur durch die sehr viel schnellere Bewegung des www.antriebstechnik.de antriebstechnik 2019/05 87